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Pressemitteilung Belltower.News-Gastautoren in Fulda vor Gericht

Ein Polizist schoss 2018 auf den afghanischen Flüchtling Matiullah J. in Fulda, der daraufhin stirbt. Zwei Gastautor*innen schreiben für Belltower.News einen Text zu dem Fall. Am Montag stehen sie vor Gericht, weil die Polizei sie wegen jenes Artikels angezeigt hat.

 
#WasgeschahmitMatiullah: Grafitti das an Matiullah J. erinnert (Quelle: NoBorder Frankfurt)

Am Montag, dem 22. August 2022, stehen drei Personen wegen des Verfassens bzw. der Verbreitung eines Belltower.News-Artikels rund um den Tod von Matiullah J. durch Polizeischüsse vor dem Amtsgericht Fulda vor Gericht. Vorgeworfen wird den beiden Autor*innen, sie hätten das Tatgeschehen als Hinrichtung erscheinen lassen, weil sie schrieben, Matiullah sei 2018 mit zwölf Schüssen getötet worden. Tatsächlich feuerte der Polizist zwölf Schüsse ab, allerdings hätten nur vier Matiullah getroffen und nur zwei seien tödlich gewesen.

Die Anzeige wegen übler Nachrede gegen die beiden Autor*innen hatte auch zur Folge, dass es im Fuldaer Umland zu einer Hausdurchsuchung bei Timo Schadt kam, der als Verantwortlicher einer lokalen Facebook-Gruppe eingetragen war, über die der fragliche Artikel geteilt wurde. Um die verantwortliche Person zu ermitteln, die den Artikel über den Facebook-Account der Gruppe geteilt hatte, durchsuchte die Polizei auch die Redaktionsräume des Magazins, das von Timo Schadt herausgegeben wird. Herr Schadt loggte sich schließlich in den Facebook-Account ein und übergab seinen Laptop an einen Beamten, dieser löschte den Beitrag schließlich und konnte einsehen, wer den Beitrag geteilt hatte.

Die Anzeigen und die Hausdurchsuchung zeigen die Unverhältnismäßigkeit, mit der die Polizei in Fulda gegen Kritiker*innen vorgeht. Es drängt sich die Vermutung auf, dass mit den Anzeigen gegen die Kritik vorgegangen werden soll, auf die inhaltlich nie wirklich reagiert wurde. In ihrem Artikel hatten Leila Robel und Darius Reinhardt die rassistische Berichterstattung im Anschluss an Gedenkdemonstrationen der afghanischen Community in Fulda kritisiert und angemerkt, dass institutioneller Rassismus in deutschen Polizeibehörden immer noch ein blinder Fleck ist. „Es ging uns nie darum, dem Polizisten vorzuwerfen, er hätte aus rassistischen Motiven zwölf Schüsse auf Matiullah abgegeben, sondern ehrlich der Frage nachzugehen, welche Rolle rassistische Stereotype, die in der Mehrheitsgesellschaft tief verankert sind, bei dem Tod von Matiullah – auch unbewusst – gespielt haben“, sagt Leila Robel. In Deutschland mangelt es bis heute an unabhängigen Stellen zur Aufklärung von Polizeigewalt, Racial Profiling und institutionellem Rassismus.

Anstatt sich den unangenehmen Fragen zu stellen, sowie effektive Untersuchungs- und Sanktionsstellen im Umgang mit polizeilichem Fehlverhalten einzurichten, hat die Polizei Fulda, unterstützt von der dortigen Justiz entschieden, jene anzugreifen, die konstruktive Kritik äußern und unangenehme Fragen stellen.

Bis heute sind auch im Fall Matiullah viele Fragen offen und Polizei und Staatsanwalt haben nur nach Druck aus Frankfurt bzw. durch die Familie des Verstorbenen nochmals nachermittelt. Es bleiben jedoch Widersprüche in den Darstellungen zum Tatgeschehen, zwischen den Polizist*innen und auch die Frage, ob Matiullah nicht hätte anders überwältigt bzw. zur Ruhe gebracht werden können. Besonders irritierend sind auch die Medienberichte, dass der Todesschütze auf Facebook sowohl die AfD im Bundestag als auch eine lokale Anti-Migrationsgruppe geliked hatte, in der regelmäßig rassistische Inhalte geteilt wurden.

Darius Reinhardt, Leila Robel, Philipp Weidemann und Belltower.News-Redaktion

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