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Prozessbeginn Die Staatsstreich-Pläne der Reichsbürgergruppe „Vereinte Patrioten“

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Mitglieder mehrerer rechtsextremer Telegram-Gruppen planten den Umsturz der demokratischen Ordnung: Durch Anschläge wollten sie offenbar das Stromnetz lahmlegen und den Gesundheitsminister Karl Lauterbach entführen. Dafür horteten sie Mengen an Waffen. (Quelle: Sceenshot Telegram)

 

  • Prozessbeginn gegen „Vereinte Patrioten“ in Koblenz, mit fünf Anklagen
  • Sie planten die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und Anschläge auf kritische Infrastruktur.
  • Ein Schauspieler sollte den Bundespräsidenten Steinmeier oder Bundeskanzler Scholz in einer Live-Sendung imitieren und die Absetzung der Regierung verkünden.

Am Mittwoch, dem 17. Mai, beginnt der Prozess gegen die Gruppe „Vereinte Patrioten“ am Oberlandesgericht Koblenz. Der Vorwurf gegen die Angeklagten: Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

Angeklagt sind Sven B. (Alter: 55 Jahre), Michael H. (Alter: 44 Jahre), Thomas K. (Alter: 51 Jahre), Thomas O. (Alter: 56 Jahre) und Elisabeth R. (Alter: 75 Jahre). Die Gruppe soll unter anderem einen Umsturz und die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geplant haben. Ziel der Gruppe sei es gewesen, durch Gewaltakte „bürgerkriegsähnliche Zustände“ auszulösen, um so den Sturz der Bundesregierung und der Demokratie herbeizuführen. Die Vernetzung und Planung ihrer Ziele begann im Oktober 2021, zunächst hauptsächlich in verschiedene Telegram-Kanälen. Später traf sich der harte Kern der Gruppe auch bei Offline-Treffen. 

Die Rädelsführerin Elisabeth R.?

Maßgeblich wurde die Ideologie der Angeklagten offenbar von Elisabeth R. geprägt, einer Pfarrerin, ehemaligen Religions-Lehrerin und Reichsbürgerin aus Mainz. Sie veröffentlichte zahlreiche Bücher, die nur so vor Antisemitismus, Antiamerikanismus oder Reichsbürger-Ideologie strotzen. Eines ihrer Bücher ist auch über den rechtsextremen Antaios-Verlag von Götz Kubitschek zu beziehen.

Die Mitglieder der „Vereinten Patrioten“ glaubten, dass die staatliche Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland keine Geltung habe. Vielmehr existiere das Deutsche Reich auf Grundlage der Verfassung von 1871 weiter. Daher müsse hier wieder ein autoritär geprägtes Regierungssystem nach dem Vorbild des Deutschen Kaiserreichs etabliert werden – das ist klassische Reichsbürger-Ideologie. Zur Umsetzung dieses Vorhabens waren sie bereit, Gewalt einzusetzen und hätten wohl auch Todesopfer in Kauf genommen. 

„Militärischer“ und „administrativer“ Arm

Um die Staatsgewalt zu übernehmen, traf die Gruppe bereits konkrete Vorkehrungen. So wurden die Mitglieder in zwei Strukturen aufgeteilt: Zum operativen „militärischen“ Zeig sollen laut Oberlandesgericht Koblenz Sven B. und Thomas O.  gehören – beide Männer verbindet ihre Vergangenheit in der Nationalen Volksarmee (NVA), so T-Online -,  außerdem Thomas K. Dagegen seien  Elisabeth R. und Michael H. für den „administrativen Zweig“ zuständig gewesen sein. 

Die Gruppe soll einen dreistufigen Aktionsplan entworfen haben. Zunächst planten die Beschuldigten in mehreren geschlossenen Telegram-Gruppen, durch Anschläge auf Umspannwerke und Stromleitungen kritische Infrastruktur lahmzulegen. So sollte ein länger dauernder bundesweiter Stromausfall verursacht werden. Thomas O. soll federführend für die Planung des „Blackouts“ gewesen sein. Hierzu habe er mehrere aus seiner Sicht anschlagsgeeignete Objekte ausgekundschaftet und habe sich Kartenmaterial zur Strominfrastruktur beschafft.

Entführung von Lauterbach „gegebenenfalls nach Tötung seiner Personenschützer“

 Danach plante die Gruppe die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, „gegebenenfalls nach Tötung seiner Personenschützer“, wie das Oberlandgericht Koblenz berichtet. Dann, so, die Hoffnung der Reichsbürger-Gruppe, käme es zu einer Art Bürgerkrieg. In dieser Situation sahen ihre Pläne vor, in Berlin ein „konstituierende Versammlung“ anzuberaumen, welche die bisherige Regierung offiziell absetzen und eine neue „Führungsperson“ bestimmen würde. Für die Entführung des Gesundheitsministers und die Einsetzung der eigenen Reichsbürger-Regierung soll Sven B.zuständig gewesen sein.

Der Angeklagte Michael H. war sowohl im Telegramkanal der „Vereinten Patrioten“ aktiv, betrieb darüber hinaus aber noch einen eigenen Kanal und verschiedene Video-Formate, wie T-Online berichtete. Er führte etwa Interviews mit dem in der Corona-Leugner-Szene beliebten Schwindel-Arzt Bodo Schiffmann. Unmittelbar vor der Einsetzung der Reichsbürger-Regierung sollte Michael H. eine False Flag-Aktion inszenieren. Der Plan war, dass ein Schauspieler den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier oder Bundeskanzler Olaf Scholz in einer live übertragenen TV-Sendung imitieren sollte, um zu verkünden, dass die Bundesregierung abgesetzt sei und nun wieder die Verfassung von 1871 gelte. 

Sowohl Thomas O. und Sven B. sollen versucht haben, Waffen und Sprengstoff für ihre umstürzlerischen Pläne zu beschaffen. Sie wollten offenbar mehrere Tonnen Sprengstoff aus dem ehemaligen Jugoslawien einführen. Thomas O. hat bereits zwei vollautomatische Sturmgewehre des Typs AK 47 sowie vier Kurzwaffen der Marke Glock nebst Munition bestellt und erhalten.

Am 13. April 2022  nahmen Einsatzkräfte Sven B., Michael H., Thomas O. und Thomas K. fest, am 13. Oktober Elisabeth R. Sie sitzen seither in Untersuchungshaft. Im Zuge der Ermittlungen gegen die Gruppe wurden den Angaben des LKA zufolge 14 Lang- und sieben Kurzwaffen sowie eine Kalaschnikow sichergestellt. Außerdem Munition im mittleren dreistelligen Bereich, Bargeld in Höhe von 8.900 Euro, zahlreichen Goldbarren und Silbermünzen, Devisen im Wert von über 10.000 Euro und Datenträger. Am 17. Mai beginnt in Koblenz der Prozess gegen sie. 

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!_Gruppenbild

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