Für eine emanzipierte Frau kann es kaum eine größere Ehre geben, als dass die örtliche katholische Kirche einen empörten Sondergottesdienst abhält, um sie zu einer Gefahr für die öffentliche Moral zu erklären. Diese Anerkennung wurde der Künstlerin Josephine Baker zuteil, als sie 1928 in Wien auftrat – der österreichische Klerus war schwer schockiert von der glamourösen Tänzerin.
Nach wie vor ist Baker primär für ihre Auftritte, ihren ikonischen Look und ihren ausschweifenden Lebensstil bekannt. Über ihre Bisexualität und ihren antifaschistischen und antirassistischen Aktivismus wird leider vergleichsweise selten gesprochen.
Josephine Baker wurde 1906 geboren und wuchs als armes, Schwarzes Mädchen in Missouri auf. Dies bedeutete von frühester Kindheit, strukturelle wie direkte rassistische Gewalt zu erleiden: Schulabbruch, Lohnarbeit für so wohlhabende wie rassistische Weiße, sexuelle Übergriffe durch Arbeitgeber; die rassistischen Pogrome von St. Louis, deren Zeugin sie mit gerade mal elf Jahren geworden war. Im Mai und Juli 1917 wurden zwischen 40 und 250 Schwarze Bürger:innen der Stadt von einem weißen Mob ermordet. 6.000 Schwarze verloren ihr Zuhause.
Baker hatte keinerlei Interesse daran, sich von dem systematischen Rassismus ihrer Zeit unterkriegen zu lassen und begann im Alter von 14 Jahren, mit der Behauptung, bereits älter zu sein, eine Karriere als Revue-Tänzerin. Mit 15 ging sie nach New York, pünktlich zur Harlem Renaissance, einem zentralen Erweckungsmoment Schwarzer Kultur. Sie ertanzt sich Auftritte in erfolg- und einflussreichen Broadwayshows in bekannten Theatern. Diese Erfolge führten sie nach Paris, wo sie 1925 ihren Durchbruch feierte. Während ihre Auftritte bei der konservativen Bourgeoisie Entsetzen hervorriefen, zeigten sich Pariser Intellektuelle wie Gertrude Stein oder Pablo Picasso von Baker tief beeindruckt; die Tänzerin war maßgeblich daran beteiligt, den Jazz und den Charleston in Europa zu etablieren. Der Kabarett-Sänger Brian Bagley beschreibt Baker mit folgenden Worten: „Josephine Baker war das Zentrum [des Harlems von Paris]. Sie kam hierher, und -zack- konnte sie in einer Welt ohne Rassentrennung leben. Zack, sie war ein Superstar. Sie lebte den europäischen Traum, den wir alle wollen, den von Befreiung und sexueller Freiheit.“ Baker lebte ihre sexuelle Freiheit auch mit anderen Frauen aus. Zu ihren Liebhaberinnen zählten die Nachtclubbesitzerin und Sängern Ida „Bricktop“ Smith, die feministische Autorin Colette, und die surrealistische Malerin Frida Kahlo.
Dennoch wurde auch Baker, trotz Weltberühmtheit immer wieder auf ihre Hautfarbe zurückgeworfen, exotisiert und rassistisch diskriminiert. Ihr Auftritt in Berlin 1928 wurde von SA-Truppen unterbrochen, der in München direkt verboten. Bei einem Auftritt in Österreich 1935 verlangte man von ihr, den Dienstboteneingang des Theaters zu benutzen, ihre Performance in New York 1936 wurde rassistisch verrissen, die Rückreise nach Europa 1937 musste sie als Schwarze Frau im Unterdeck des Reiseschiffes verbringen. Als deutsche Soldaten 1940 in Paris einmarschierte, verließ sie die Stadt, um im unbesetzten Teil Frankreichs Zuflucht zu suchen: „Solange die Deutschen auf französischem Boden stehen, werde ich in meiner Heimat nicht mehr singen“, so Baker, die inzwischen durch ihre Ehe mit dem Industriellen Jean Lion die französische Staatsbürgerschaft angenommen hatte.
Stattdessen begann sie ihren Kampf gegen die Nazis, den sie von Frankreich, als auch Marokko aus führte. Baker betrieb eine Anlaufstelle für Kriegsgeflüchtete in Gare du Nord und versteckte Geflüchtete und Waffen in ihrem Anwesen und finanzierte die Résistance mit ihrem Vermögen. Als Entertainerin hat sie Gelegenheit in ganz Europa aufzutreten und sammelte auf den Cocktailpartys der Diplomaten, auf denen sie Ehrengast war, kriegsrelevante Informationen für die die französische Exilregierung. Sie gab den Résistance-Kämpfer Jaques Abtey als ihren Angestellten aus, um mit ihm zusammen Informationen über deutsche Kampfmanöver in die besetzten Gebiete zu transportieren; die Informationen waren in unsichtbarer Tinte auf ihre Notenblätter geschrieben.
Baker bereiste Spanien und schmuggelte Kassiber und Sendeschreiben über die Grenze, die sie an ihrem Büstenhalter befestigt hatte – im besten Wissen, dass niemand es wagen würde, „La Baker“ bis auf die Unterwäsche zu kontrollieren. Baker, die im Besitz eines Pilotinnenscheins war, wurde außerdem 1944 als Propaganda-Offizierin Mitglied der Luftwaffe des Freien Frankreichs . 1957 wurde sie für ihren Widerstand mit dem Croix de Guerre für besondere Leistungen ausgezeichnet.
Josephine Baker stellte ihr politisches Engagement mit dem Sieg über die Nazis nicht ein. Sie engagierte sich für die Schwarze Bürgerrechtsbewegung in den USA und adoptierte zwölf Kinder unterschiedlicher Herkunft, die sie ihre „Regenbogenfamilie“ taufte. Außerdem arbeitete sie mit Gruppierungen wie der NAACP, dem VVN-BdA und der League contre le Racisme et l’Antisemitisme zusammen. Josephine Baker, bis zu ihrem Tod eine gefeierte Künstlerin, verstarb 1975; ihre Trauerfeier besuchten über 20.000 Menschen.
Die Biographien der Personen, die in der Reihe zu queerem Widerstand vorgestellt werden, sind dem Buch „Resistance – The LGBTQ Fight against Fascism in WWII“ von Avery Cassell entnommen. Das E-Book gibt es hier.