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Querdenken Brutal und hemmungslos durch Berlin

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Mit dem Eimer gegen das angebliche "Corona-Regime". Mehrere tausend "Querdenker:innen" haben am 1. August unangemeldet in Berlin demonstriert. (Quelle: picture alliance/dpa | Fabian Sommer)

In den letzten Monaten hatte die Bewegung keinen Zulauf mehr erhalten. Zu den Demonstrationen waren immer weniger Teilnehmende erschienen. Die „Querdenker:innen“, die sich allen Fakten zum Trotz weiterhin in der Mehrheit wähnen, wollten mit der Demo am 1. August in Berlin an ihre „Erfolge“ im letzten Jahr anknüpfen. Zu den Großdemos im letzten Sommer waren mehrere zehntausende Menschen gekommen. Das gelang der Bewegung allerdings nicht. Nur ein Bruchteil der angekündigten Teilnehmer:innen erschien tatsächlich in Berlin. Doch dieser „harte Kern“ aus Coronaleuger:innen aus dem gesamten Bundesgebiet ist radikalisiert. Schon bei einer Demo im April in Berlin, deren Teilnehmende auf den ersten Blick wie aus der vermeintlichen „Mitte der Gesellschaft“ wirkten, kam es zu krassen Übergriffen gegen Polizist:innen.

Am Sonntag hatten es die „Querdenker:innen“ offenbar besonders auf Journalist:innen abgesehen. Jörg Reichel, der Berliner Landesgeschäftsführer der Deutschen Journalisten- und Journalistinnen-Union Verdi, hatte tagsüber immer wieder über Flaschenwürfe, Pöbeleien und Angriffe auf Kolleg:innen berichtete. Als am Abend einer der unangemeldeten Demozüge durch Kreuzberg zog, wurde er von mehreren „Querdenker“-Aktivist:innen von seinem Fahrrad gezerrt, geschlagen und zusammengetreten. Nur das Eingreifen von Passant:innen konnte Schlimmeres verhindern. Reichel erlitt Verletzungen an der Schulter und an den Beinen und musste im Krankenhaus behandelt werden.

An unterschiedlichen Stellen in der ganzen Stadt wurden immer wieder Polizist:innen angepöbelt, bespuckt und angegriffen. Videos belegen, wie hemmungslos die „Querdenker:innen“ dabei vorgehen. Auch auf Beamt:innen, die bereits auf dem Boden liegen, wird weiter eingeprügelt. In einem Video ist zu sehen, wie ein Journalist versucht, einen am Boden liegenden Polizisten vor dem wütenden Mob zu schützen.

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Dabei gibt es allerdings auch Kritik am Einsatzkonzept der Polizei. Denn die Demos in der ganzen Stadt waren zwar unangemeldet, aber angekündigt. „Querdenken“-Guru Michael Ballweg hatte im Vorfeld in mehreren Interviews verlautbart, dass seine Schäfchen auch im Verbotsfall nach Berlin reisen und demonstrieren würden. Immer wieder konnten Demonstrant:innen durch Polizeiketten und Absperrungen durchbrechen. Die zum Teil großen Demonstrationszüge aus dem Berliner Westen in Richtung Stadtmitte wurden von der Polizei nicht verhindert oder aufgehalten. Wasserwerfer und Räumpanzer wurden zwar an der Siegessäule aufgefahren, eingesetzt wurden sie aber nicht. Auch die Übergriffe auf Journalist:innen konnten die Beamt:innen nicht immer verhindern. Als die Mitarbeitenden eines Testzentrums von „Querdenker:innen“ aufs Übelste beschimpft wurden, gab es ebenfalls keine Hilfe.

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Die Gewaltbereitschaft der verbliebenen „Querdenker:innen“ kommt nicht von ungefähr. Die verschwörungsgläubigen „Influencer:innen“ trommeln immer wieder gegen Politik, Medien und Behörden. Auch live in den unzähligen Streams der Bewegung, die in den unterschiedlichen Telegram- und YouTube-Kanälen der Szene tausendfach geteilt werden. Der rechtsextreme Schweizer YouTuber Ignaz Bearth etwa, der als Art Multiplikator die verschiedenen Beiträge aus dem „Querdenken“-Universum per Livestream kommentierte und weiterverbreitete, beschimpfte Polizist:innen als „feige kleine Ratten“ und „brutale Psychopathen“ und droht „Wir werden keine vergessen“. Heinrich Fiechtner, ein ehemaliger AfD-Abgeordneter aus Baden-Württemberg und Anheizer der radikalen Bewegung, sagt in einem der Streams: „Der Staat zeigt immer mehr seine hässliche diktatorische Fratze. Letztlich wäre es ein Anlass an Stauffenberg zu denken […], um den Bürgern wieder Freiheit zu schaffen und sie von dieser Tyrannei zu befreien. Man kann diese Tyrannei ja an einzelnen Personen festmachen und hier ist dringende Abhilfe geboten“.

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Fiechtner, der in seiner Funktion als Arzt  mittlerweile selbst Impfungen durchführt, sagt die Bewegung solle Konsequenzen für „jeden einzelnen derer, die sich Polizisten nennen“ ziehen.

Und auch die Zuschauer:innen der Streams rufen immer wieder zu Gewalt auf. Im Chat des Streams des rechtsradikalen YouTubers „Aktivist Mann“ schreibt ein Zuseher: „eine Attacke und die Bullen liegen auf dem Bauch“, ein anderer schreibt: „Wenn die Demonstranten nicht so friedlich wären, wären die Bullen schon lange weg“. Einordnungen oder gar eine Zurechtweisung seiner Fans gab es keine.

Screenshot aus dem Chat des Livestream von „Aktivist Mann“.

Im gleichen Chat wird dazu aufgerufen, das Kanzleramt zu stürmen oder zum Reichstag zu ziehen, um Galgen aufzubauen.

Screenshots aus dem Chat zum Livestream von „Aktivist Mann“

Im anderen Streams verbreiten Zuseher:innen Reichsbürger-Ideologie und rufen immer wieder zur Wahl der AfD auf.

Screenshot aus dem YouTube-Livestream der „Epoch Times“

Währenddessen sind die Helden der Bewegung oft gar nicht mehr vor Ort. Bodo Schiffmann etwa, der „Schwindelarzt“, der mittlerweile aus seinem selbstgewählten Exil in Tansania zurückgekehrt ist und über 700.000 Euro für die Flutopfer in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gesammelt hat und dann betroffenen Gemeinden mit dem Geld unter Druck setzte und ihnen Spenden zusicherte, wenn sie sich für die „Querdenker“-Bewegung positionieren. Nach seiner mangelhaft besuchten bundesweiten Bustour verschwand der „Querdenken“-Guru schnell wieder aus Berlin. Aus „Sicherheitsgründen“, wie es aus seinem Umfeld hieß.

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„Querdenken“ radikalisiert sich weiter. Auch wenn die Demonstrationen immer weniger Teilnehmende mobilisieren, sind diejenigen, die jetzt noch auftauchen, offenbar zu allem bereit. Gewalt gegen Polizei, Politiker:innen und Medienvertreter:innen wird nicht nur toleriert, sondern bejubelt. Die Anheizer der Bewegung — viele davon vom bequemen Sofa aus — haben kein Problem mit Gewaltaufrufen und stacheln die Teilnehmenden sogar selbst noch an. Es ist das Ergebnis von monatelanger Agitation und dem fehlenden Abstand zu rechtsextremen Agitatoren und Teilnehmenden, der nun Teile der vermeintlichen „Mitte“ so sehr radikalisiert haben, dass auch noch die letzten Hemmungen fallen.

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