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„Querdenken“ Gewalt und Übergriffe bei Demos in Berlin und Wien

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Symbolbild (Quelle: Unsplash)

Während einer Demo aus dem „Querdenken“-Umfeld in Berlin kam es am 4. Dezember 2021 gleich zu mehren Übergriffen auf Journalist:innen. Eigentlich hatten die Impfgegner:innen für eine „Großdemo“ durch Kreuzberg mobilisiert. Doch dazu kam es nicht, der „Querdenken“-Aufmarsch unter dem Motto „Unspaltbar — Nein zum Impfzwang!“ war schon zwei Tage vorher verboten worden. Die einschlägigen Telegramgruppen der Berliner Aktivist:innen mobilisierten aber weiter und kündigten neue Informationen für Samstag an.

Eine Großdemo konnten die Verschwörungsgläubigen allerdings nicht auf die Beine stellen. Einige hundert Menschen kamen trotzdem. Wie schon bei früheren Demos der Szene irrten viele der Teilnehmenden vor allem durch die Stadt. Der ursprüngliche Versammlungsort am Märkischen Platz in Mitte war von der Polizei abgeriegelt worden. Zu einem Treffpunkt im Berliner Osten zwischen Lichtenberg und Marzahn schafften es nur wenige Demonstrierende. Die Verbliebenen trafen sich am Frankfurter Tor in Friedrichshain und versuchten von dort aus trotz Verbots dennoch zu demonstrieren. Der Aufzug wurde nach wenigen Minuten wiederaufgelöst.

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Während der Demonstrationsversuche wurden gleich mehrere Journalist:innen angegriffen. Unter anderen versuchte einer der Aktivisten das Handy des Tagesspiegel-Journalisten Julius Geiler zu stehlen. Zuvor hatte Geiler gefilmt, wie die rechtsextremen Aktivist:innen einen Angriff auf einen Vertreter der Journalist:innengewerkschaft von ver.di planten. Dabei wurden auch andere Pressevertreter:innen unter anderem durch Faustschläge und Tritte verletzt.

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Die mutmaßlichen Täter gehören offenbar zur Neonazisszene, die in der „Querdenken“-Bewegung von Anfang an willkommen war. Neben Neonazis aus Hamburg, die offenbar an den Übergriffen beteiligt waren, griffen auch Mitglieder der rechtsextremen Jugendgruppe „Division MOL“ die Journalist:innen an. MOL ist das Autokennzeichen des Landkreises Märkisch-Oderland im östlichen Brandenburg. Zur Gruppe gehören hauptsächlich Jungendliche und junge Erwachsen zwischen 14 und 20 Jahren, die zum Teil aus Neonazi-Familien kommen.

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Die Nachwuchs-Rechtsextremen machen mit rassistischen Schmierereien, Angriffen auf Gedenkorte rechtsextremer Gewalt und der Teilnahme an AfD und rechtsextremen Veranstaltungen auf sich aufmerksam, die über Kanäle der JN, der Jugendorganisation der NPD, in sozialen Medien geteilt werden. Zur Jugendgruppe zählt aber offenbar auch der um einiges ältere Hooligan André S., der zur Gruppe um die „Freedom Parade“ des Berliner Verschwörungsgurus Michael B., aka „Captain Future“, gehört. Diese Gruppierung hatte unter anderem zu Demo am Samstag aufgerufen.

 

Schöngeredet wird die rechtsextreme Gewalt unter anderem vom „Forum demokratischer Widerstand“, einer sich selbst als „antifaschistisch“ bezeichnenden Gruppierung, die die Berliner „Hygienedemos“ im März 2019 initiierte. Wie auch beim Rest der „Querdenken“-Bewegung gibt es bei den Aktivist:innen keine Berührungsängste zu Holocaustleugner:innen und anderen Rechtsextremen.

Screenshot aus dem Telegramkanal „Demokratischer Widerstand“.

Die Verschwörungsfreunde behaupten via Telegram, die Angriffe auf die Journalist:innen seien inszeniert gewesen. Lügen, die offensichtlich nicht mal mehr die eigenen Fans glauben.

Screenshot aus der Telegramgruppe „Freedom Parade“

Auch andere Teilnehmende der Demo drücken via Telegram ihren Ärger aus. Zufrieden sind die Berlin-Besucher:innen offenbar nicht: Zu wenig Organisation, zu weite Wege und zu wenig Teilnehmende.

Die neuen Vorbilder der enttäuschten „Querdenker:innen“ liegen außerhalb von Deutschland. Etwa in Luxemburg. Dort hatte am Wochenende ein enthemmter Mob einen Weihnachtsmarkt gestürmt, der unter 2G-Regelung stattfinden sollte. In Luxemburg City fanden zwei Demos mit insgesamt 2.000 Teilnehmenden statt. Nachdem sich die beiden Demos zusammenschlossen gelangten sie offenbar zum Wintermarkt „Gëlle Fra“ und stürmten durch die Absperrungen. Der Markt wurde geschlossen, genauso wie ein weiterer Markt im Bahnhofsviertel.

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Noch stärker werden in der Szene aber die Demonstrationen in Wien wahrgenommen. Zum zweiten Mal in Folge demonstrierten in der österreichischen Hauptstadt zehntausende Menschen gegen die angekündigte Impfpflicht und den aktuellen Lockdown. An mehreren Demonstrationen am Samstag nahmen laut Polizeiangaben mehr als 40.000 Menschen teil.

Dabei kam es immer wieder zu Zusammenstößen mit der Polizei. Fünf Beamt:innen wurden dabei verletzt. Die Demonstrierenden kassierten 621 Anzeigen. Immer wieder kam es zu Durchbruchsversuchen der Demo-Teilnehmer:innen. Fünf Personen wurden festgenommen. Im Gegensatz zur letzten großen Demo in Wien wurde die Demo am Samstag nicht von der FPÖ organisiert. Gleich mehrere Demos wurden stattdessen von Einzelpersonen aus dem „Querdenken“-Umfeld und der Anti-Impf-Partei „Menschen Freiheit Grundrechte“ (MFG) angemeldet. Die Rechtsaußen-Partei unterstütze aber die Proteste und rief unter anderem über Facebook zur Teilnahme auf: „Wir zeigen der Regierung die rote Karte für ihre Lockdown-Politik und den Impfzwang – nicht nur im Parlament, sondern auch gemeinsam mit zigtausenden Österreichern auf der Straße“. In der ersten Reihe der Demo waren auch diesmal Vertreter:innen der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ (IB) und der Tarnorganisation „Die Österreicher“ zu sehen. Martin Sellner, Kopf der selbsternannten „Jugendbewegung“, war wieder vor Ort.

Eine Besonderheit an den Protesten in Österreich ist die Teilnahme religiöser, vor allem katholischer Fundamentalist:innen. Schon am vergangenen Mittwoch, als ein „Generalstreik“ Österreich und Deutschland lahmlegen sollte, zogen katholische Demonstrant:innen betend durch die österreichische Hauptstadt. Zu der Demo hatte unter anderem die erzkonservative Pius-Bruderschaft aufgerufen. Die Gruppierung will, dass Gläubige jeden Mittwoch öffentlich den Rosenkranz beten sollen, „bis die aktuelle Gesellschaftskrise sich friedlich gelöst hat und die Regierenden auf ihre Zwangspläne definitiv verzichtet haben“.

Auch der katholische „Lebensschützer“ Alexander Tschugguel rief zum Gebet und Teilnahme an der Demo auf. Tschugguel genießt in der Szene Heldenstatus, nachdem er 2019 während der in Rom stattfindenden Amazonas-Synode, indigene Pachamama-Statuen aus einer Kirche entwendete und in den Tiber warf, da er und seine religiösen Anhänger:innen sie als Gotteslästerung interpretierten. Tschugguel war Mitglied der mittlerweile inaktiven Partei „Die Reformkonservativen“, die von einem ehemaligen FPÖler gegründet, eine christlich geprägte Alternative zu der Rechtsaußen-Partei sein wollte.

Besonders viel Nächstenliebe zeigte sich in Wien am Samstag jedenfalls nicht. Konsequenzen hat das mittlerweile für Roman Möseneder, einen Nachwuchskader der rechtsextremen IB. Möseneder war dabei fotografiert worden, wie er eine Rauchbombe mit dem Fuß auf Polizist:innen gekickt hatte. Von seinem Posten als Obmann des „Rings Freiheitlicher Jugend“ in Salzburg, der Jugendorganisation der FPÖ, musste er nun zurücktreten. Möseneder, der sich gerne oberkörperfrei auf Instagram präsentiert, versucht seine Anhänger:innen zum Sport zu motivieren und einen mäßig erfolgreichen YouTube-Account betreibt, galt den Rechtsradikalen bisher als Nachwuchshoffnung.

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