Triggerwarnung: Explizite und rassistische Beispiele, Anti-Schwarzer-Rassismus
Kann das Posten von einem Bild eines „Nogger Choc”-Eises rassistisch gemeint sein? „Ernegl“, hat da jemand einfach komisch auf der Tastatur rumgeklimpert, oder meint die Person hier tatsächlich das N-Wort? Rassistische Sprache im digitalen, öffentlichen Raum ist meist bewusst kryptisch gehalten. User*innen, die solche Dinge lesen, wissen oft nicht, wie diese Begriffe oder Bilder einzuschätzen sind.
Die rechtsextreme Szene nutzt seit jeher Symbole und Codes, die ihre Ideologie darstellen. Genau wie Rechtsextreme offline haben auch Cybernazis eine Sprache aus Codes und Symbolen für ihren Hass entwickelt. Diese Sprache aus Wörtern und Bildern ist zwar codiert. Aber Betroffene, überwiegend Schwarze Menschen, erkennen jedoch schnell, was gemeint ist. Andere Rassist*innen natürlich auch – und die fühlen sich ermutigt, mehr rassistischen Hass zu verbreiten, wenn niemand einschreitet.
Da viele große Social Media Accounts bestimmte diskriminierende, beleidigende und abwertende Begriffe mittlerweile nicht mehr auf ihren Plattformen erlauben, und User*innen die solche Wörter benutzen, sanktioniert oder gesperrt werden, haben sich Rassist*innen neue Codes ausgedacht. Oft sind es Begriffe, Sätze oder Bilder (Memes), die für Unbeteiligte mehrheitlich schwer einzuordnen sind. Daher haben wir ein kurzes Glossar mit einigen beliebten rassistischen Chiffren zusammengestellt, die besonders im digitalen Raum vorkommen.
Nogger Choc
Im deutschsprachigen Kontext wird der Name des Langnese-Eises „Nogger Choc“ oder ein Bild des Eises unter Rassist*innen als Code für das N-Wort genutzt. Wahrscheinlich wegen der Nähe zum N-Wort und der Farbe. An sich ist das Eis natürlich nicht rassistisch oder diskriminierend
N
Ein User schreibt in einem bestimmten Kontext ein großes N. Weitere User*innen vervollständigen in den Kommentaren mit je einem groß geschriebenen Buchstaben. So ergibt sich aus allen Buchstaben schließlich beispielsweise das N-Wort.
Ernegl
Ursprung ist eine VW-Golf-Werbung aus dem Jahr 2020, in der die Buchstabenfolge ERNEGL kurz eingeblendet wurde. In der Werbung wird ein Schwarzer Mann von einer überdimensionalen Hand umhergeschubst. Am Ende des kurzen Clips sehen die Zuschauer*innen für einen kurzen Moment die Worte ERNEGL eingeblendet. Zunächst wurde diese Darstellung und die Buchstabenabfolge von Anti-Rassist*innen skandalisiert. Schließlich übernahmen rassistische Trolle die Buchstabenabfolge, als Code für das N-Wort.
Nate Higgers
Wenn man die jeweiligen Anfangsbuchstaben von Nate Higgers tauscht, ergibt es Hate N* (ich hasse N*). Viele Social Media Plattformen benutzen automatische Filter, die bestimmte verletzende Begriffe automatisch sperrt. Indem sich User*innen immer wieder neue Begriffe für diskriminierende Sprache ausdenken, ist es schwer, sie auf großen Social Media-Plattformen zu sanktionieren.
Jogger
Ahmaud Marquez Arbery war ein Schwarzer US-Amerikaner, der am Nachmittag des 23. Februar 2020 ermordet wurde, während er joggte. Auf 4chan begannen User*die „Operation Jogger“. Sie wollen Jogger zu einem Synonym für einen kriminellen Schwarzen Mann machen. Für rechte User*innen ist Jogger seither ein Code für das N-Wort.
Dindu Nuffin
Dindu Nuffin ist ein rassistischer abwertender Begriff, der auf 4chan/pol/ entstand. Er dient dazu, Schwarze Menschen zu verspotten. „Dindu nuffin“ leitet sich von einer phonetischen Schreibweise des englischen Ausdrucks „didn’t do nothing“ ab, einem Unschuldsbekenntnis. Die rassistischen Trolle rekurrieren hier auf kriminelle Schwarze Männer, die von der Polizei getötet wurden. Der abwertende Ausdruck entstand laut dem Blog Know your Meme im August 2014 auf 4chan. Er ist eine Reaktion auf die Unruhen, die durch den Tod des Schwarzen, jungen Manns Michael Brown, durch einen Polizisten in Ferguson (USA) begannen.
Sheeeit, Tyrone
Die Comic-Figur Tyrone soll einen Schwarzen Amerikaner darstellen. Er hat große Ohren, große Lippen und große gelbe Zähne. Die Comic-Figur wird stets als dumm, aber dafür auch äußerst zufrieden dargestellt, bis sie bemerkt, dass sie gleich beispielsweise vom Ku Klux Klan hingerichtet wird. Dann ist in einer Sprechblase „Sheeeit“ zu lesen, eine lang gezogene Version des Ausdrucks „Scheiße“. Aus den USA kommt es, dass Schwarze Menschen mit dem Namen Tyrone bezeichnet werden. Auch die Incel-Community verwendet diesen Namen abwerten für Schwarze Chads – also die erfolgreichen Männer, die ihnen angeblich die Frauen wegnähmen.
Fucken-Meme
Das rassistische Fucken-Meme hat seinen Ursprung rund um die Kölner Silvesternacht 2015 auf 2016, als es vor dem Kölner Hauptbahnhof zu sexuellen Übergriffen auf Frauen kam. Bei einem migrantischen Tatverdächtigen wurde damals ein Zettel gefunden, auf dem unter anderem das Wort „Fucken“ (für Ficken) zu lesen war. Ende Januar 2016 veröffentlichte die Mannherimer Polizei ein Phantombild eines Schwarzen Mannes, der verdächtigt wurde, eine 55-jährige Frau misshandelt zu haben. Seither steht jenes schlechte Phantombild für das Fucken-Meme und soll implizieren, dass alle Schwarzen und migrantischen Männer Sexualstraftäter seien.
Goldstück, Kulturbereicherer, Fachkräfte, Neubürger
In den letzten Jahren etablierten sich eine Reihe aktueller Verunglimpfungen für Zuwanderer*innen. Besonders beliebt in der rechts Online-Sphäre sind höhnische Bezeichnungen wie „Kulturbereicherer“, „Fachkräfte“, „Neubürger“ oder „Goldstücke“. Die Bezeichnung „Goldstücke“ geht auf einen Satz des SPD-Politikers Martin Schulz zurück, der 2016 sagte: „Was die Flüchtlinge uns bringen, ist wertvoller als Gold. Es ist der unbeirrte Glaube an den Traum von Europa.“ Wenn Wortfilter diese rassistische Codes bereits erkennen, werden sie wieder variiert, etwa als „Silberstücke“.
Messermigranten, Invasoren
Mit Begriffen wie „Messermigranten“ oder „Invasoren“ versucht die rechte Szene in Deutschland das rassistische Framing zu festigen, Migrant*innen seien kriminell und gefährlich.