Der Polizeibericht der Polizeidirektion Chemnitz vom 07. April liest sich wie bei jeder anderen Schlägerei auch. So sei „es vor einem Lokal in der Zietenstraße, zunächst zu einem Disput zwischen einer Gruppe von sieben Männern und mehreren Personen gekommen, die sich vor dem dortigen Lokal aufhielten.“ Daraufhin sei es zu einer „tätlichen Auseinandersetzung“ gekommen, bei der zwei Personen verletzt worden seien, ein Syrer und ein Deutscher, wie die Polizei uns mitteilte.
Die Lokalzeitung Freie Presse berichtete, dass es sich „bei sieben an der Auseinandersetzung beteiligten Personen um Mitarbeiter“ der Sicherheitsfirma handle, die neuerdings die Spiele des Chemnitzer FC absichere. Die migrantischen Mitarbeiter „seien nach dem Dienst im Stadion an einem bei CFC-Fans beliebten Pub vorbeigekommen, angegriffen und verfolgt worden“, wird der Geschäftsführer von „Power Personen-, Objekt-, Werkschutz“ zitiert.
Für die extrem rechte Kleinstpartei „Pro Chemnitz“ war derweil bereits einen Tag nach der Auseinandersetzung am Stadion klar, dass die migrantischen Sicherheitsmitarbeiter Schuld an dem Vorfall haben und sie die CFC-Anhänger angegriffen hätten. Erst weitere „zu Hilfe eilende Fußballfans“ hätten die „hoch aggressiven“ Ordner in die Flucht schlagen können, schreibt die selbsternannte „Bürgerbewegung“ auf Facebook. In den Kommentaren darunter wird die „Wehrhaftigkeit“ der Chemnitzer Fans bejubelt.
Recherchen von Belltower.News haben jetzt ergeben, dass der Vorfall vom 06. April keine normale Schlägerei war und die Gewalt keineswegs von den Ordnern ausging, sondern es ein rassistischer Übergriff von Fans des Chemnitzer FC auf die migrantische Mitarbeiter der Security-Firma war. Wie ein Augenzeuge berichtet, seien die Mitarbeiter des Ordnerdienstes auf dem Weg vom Stadion zur Bushaltestelle auf der Heinrich-Schütz-Straße gewesen. Auf dem Weg seien sie an der Kneipe „Pub à la Pub“, einem bekannten Treffpunkt Chemnitzer Fans, vorbeigelaufen. Der Augenzeuge berichtet, dass die Ordner dabei von vor der Kneipe stehenden Fans verbal beleidigt wurden und ihnen Mittelfinger entgegengestreckt wurden. Auf die Beleidigungen hätten einzelne Ordner reagiert und den Personen vor der Kneipe etwas zugerufen, woraufhin die Fans des Chemnitzer FC riefen: „Kommt mal her!“. Einzelne der Sicherheitsdienstmitarbeiter seien zu den rufenden Personen vor der Kneipe gegangen und hätten versucht die Situation zu schlichten. Doch plötzlich seien rund 30 Personen aus dem „Pub à la Pub“ gestürmt und hätten die Gruppe angegriffen, wobei zwei Personen nach Faustschlägen zu Boden gingen und dort weiter geschlagen wurden. Erst daraufhin hätten die restlichen Ordner versucht ihre am Boden liegenden Kollegen aus der Situation zu retten und hätten in die Auseinandersetzung eingegriffen.
Der Augenzeuge berichtet weiter, dass die am Boden Liegenden mehrfach versucht hätten der Situation zu entkommen, aber immer wieder geschlagen und getreten wurden, bis ihnen die restlichen Ordner aufhelfen konnten. Dabei hätten die Sicherheitsdienstmitarbeiter mehrfach vorbeilaufende Passanten schreiend gebeten, die Polizei zu rufen oder zu helfen, aber niemand habe reagiert. Die Angegriffenen seien dann über den Sonnenberg in Richtung Lessingplatz geflohen, wobei die Gruppe der Angreifer sie noch verfolgt habe. Erst auf dem Lessingplatz sei die Gruppe der Ordner auf die Polizei gestoßen.
Nach den rassistischen Hetzjagden im Spätsommer 2018, bei denen der erste Mobilisierungsaufruf von der Chemnitzer Hooligangruppe „Kaotic“ veröffentlicht wurde, und der Trauerfeier im Stadion nach dem Tod des Chemnitzer Nazihooligan und „HooNaRa“-Gründer Thomas Haller, kam es nun offenbar abermals zu einem gewaltsamen Übergriff mit einem rassistischen Tatmotiv. Wie die Chemnitzer Polizei uns auf Nachfrage mitteilte, wird diese „Auseinandersetzung“ zwar als „politisch motivierte Kriminalität“ geführt. „Eine Einordnung in einen Phänomenbereich (z.B. rechts oder links) erfolgte noch nicht.“