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Razzia bei „Oldschool Society“ Neonazi-Gruppe plante Anschläge

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Explizit rechtsextrem: Andreas H., "Präsident" der Rechtsterror-Organisation "Oldschool-Society", macht auf Facebook aus seiner Gesinnung kein Hehl. (Quelle: Screenshot Facebook)

Eine Pressemitteilung der Generalbundesanwaltschaft mit dem Titel: „Bundesweite Festnahme- und Durchsuchungsmaßnahme wegen des Verdachts der Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung“ sorgt für Aufruhr. Rund 250 Polizeibeamte durchsuchten am heutigen Morgen Wohnungen von Verdächtigen im ganzen Bundesgebiet. Vier mutmaßliche Mitglieder einer Gruppe namens „Oldschool Society“ im Alter von 22-56 Jahren wurden bereits festgenommen. Die Generalbundesanwaltschaft wirft ihnen vor, Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, Moscheen und Angehörige der salafistischen Szene geplant zu haben. Information über konkrete Anschlagspläne wurden aus ermittlungstechnischen Gründen bisher nicht veröffentlicht. In den Wohnungen der Verdächtigen hat die Polizei Sprengmittel und weitere Beweisgegenstände gesichert. Die Verdächtigen sollen heute oder morgen dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichthofs vorgeführt werden.

Doch wer oder was steckt hinter der „Oldschool Society“?

Ein Blick auf die Embleme lässt an der politischen Gesinnung keine Zweifel und liefert Grund zur Sorge: Ein Totenkopf zwischen zwei blutverschmierten Hackbeilen, roten germanischen Runen, der Name in altdeutschem Schriftzug. Auf einer anderen Version thront ein Wehrmachtspanzer auf zwei Totenköpfen, zwischen ihnen der Slogan „OSS – Eine Kugel reicht nicht“.

Die Organisation wurde offenbar im November 2014 gegründet. Außerhalb sozialer Netzwerke war „Oldschool Society“ bislang unbekannt. Auf Facebook sind sie jedoch verhältnismäßig bekannt: Mehr als 3.000 Menschen „gefällt“ ihre Facebook-Seite. Die Postings spiegeln so ziemlich jede Facette rechtsextremen Gedankenguts wieder: Geflüchtete sind gewalttätige Kriminelle und Sozialschmarotzer. Pädophilen wünscht man die Todesstrafe. Muslime und Migranten vergewaltigen und morden deutsche Frauen und Kinder. Die BRD ist ein besetztes Land unter US-Diktat.

Die Organisation selber scheint strikt hierarchisch organisiert zu sein: Von der „Oldschool Society Crew“ werden die Mitglieder dazu aufgefordert, eine direkte positive Bezugnahme auf den Nationalsozialismus zu unterlassen. Dies wird mit der Hoffnung auf ein langes Bestehen des OSS begründet, also mit dem Bewahren des Rufes. Verstöße werden mit dem Ausschluss aus der Organisation geahndet, erklären sie auf ihrer Facebook-Seite  Sie bezeichnen sich hier selbst als ein Zusammenschluss „gleichgesinnter Menschen die, die Werte Respekt, Loyalität, Ehre, Bruderschaft und Toleranz nicht nur als Floskel sehen, sondern diese Tugenden leben“. Dies wird von Gruppenbildern eines gemeinsamen „Familientreffs“ untermalt, auf denen alle Anwesenden klar erkenntlich sind und rumalbernd auf den Fotos gemeinsam posieren.

Die heute Morgen festgenommenen Verdächtigen Andreas H. aus Bayern und Markus W. aus Sachsen sind  laut der Bundesanwaltschaft die „Rädelsführer“ der Organisation. Sie sollen „Präsident“ beziehungsweise „Vizepräsident“ der Gruppe sein. Ebenfalls festgenommen wurden Olaf O. aus Nordrhein-Westfalen und Denise Vanessa G. aus Sachsen.

Offen rechtsextrem auf Facebook

Aus ihrer rechtsextremen Gesinnung machen die einzelnen Mitglieder auf Facebook keinen Hehl und sind sich keines Unrechts bewusst – zumindest sind alle ihre Profile offen und für jeden zugänglich. Auf ihren jeweiligen Profilseiten präsentieren sie sich selbst als offen rechtsextrem: Die Mitglieder und Sympathisanten liken einschlägig bekannte Internetseiten wie „Todesstrafe für Kinderschänder“, „Ein Licht für Deutschland gegen Überfremdung“, Facebook-Seiten diverser Waffen und Maschinengewehre oder posieren selbstbewusst mit Pistolen. Ein weiteres Bild zeigt Andreas H. vermeintlichen Lösungsvorschlag zu der für ihn problematischen Situation in Deutschland: „Achtung, wir rufen nicht die Polizei um ungebetene Gäste kümmern wir uns selbst“ mit dazugehörigem OSS-Logo und einer mit Waffen posierender unkenntlicher Person.

„Präsident“ Andreas H. hat eine Facebook-Seite, die aussieht, als wäre sie für Vorträge als Beispiel eines überzeugten, gewaltbereiten Neonazis entworfen worden. Ihm gefällt auf Facebook unter anderem der NPD-Europaabgeordnete Udo Voigt, aber auch der aktuelle NPD-Vorsitzende Frank Franz und Thilo Sarrazin, die „Junge Freiheit“, die offenkundig an rechtsextreme Kunden gerichtete Bekleidungsmarke „Kulturkampf“ und weitere rechtsextreme Bekleiung, rassistische „Schwarze Humor“-Seiten, „Nein zum Heim“-Seiten gegen Flüchtlinge oder Seiten wie die „Ahnen Gesellschaft“, die völkische Traditionen auf Facebook pflegt. Er mag die NPD, Die Rechte, die Münchner NPD-Tarnorganisation BIA – und natürlich Pegida und Lutz Bachmann. Dazu kommen Seiten aus dem Hooligan- und Hells Angels-Milieu.

Die Organisation existiert noch nicht sehr lang, kann jedoch in einen Kontext mit der Zunahme rechtsextremer Straftaten gesetzt werden. Am heutigen Morgen stellte das Bundesministerium des Inneren die neuen Fallzahlen politisch motivierter Kriminalität (PMK) vor: So ist ein Anstieg rechtsmotivierter Straftaten von knapp 23 Prozent zu verzeichnen, im Bereich PMK-rechts bleibt die Anzahl der Straftaten mit über 17.000 auf hohem Niveau. Diese Zahlen spiegeln die gesellschaftliche Entwicklung zunehmender rassistischer Hetze wieder. Aber auch das offene und selbstbewusste Auftreten rechtsextremer Organisation wie der „Oldschool society“ zeigen deutlich, dass die Hetze im Internet mit den konkreten Angriffen und Bedrohung in Verbindung steht und es nicht selten bei den Worten bleibt.

 

P.S.: Die Facebook-Seiten wurden inzwischen gesperrt.

 

Update 07.05.2015

OSS: Die neue Rechtsterrorismus-Gruppe und ihre Beziehungen, etwa zur „Kameradschaft Aachener Land“

Das Auffliegen einer mutmaßlichen neuen Rechtsterrorismus-Gruppe, der „Oldschool-Society“, bestimmt die Schlagzeilen (auch netz-gegen-nazis.de berichtete).

Interessante Aspekte

Andreas H.: Wer ist der mutmaßliche Chef der rechten Terrorgruppe? Ein selbstständiger Malermeister, der seine Gesinnung bisher hauptsächlich im Internet auslebte – wobei auch sein Firmenwagen interessant aussieht. Augsburger AllgemeineDer „Vize“ der Organisation wurde in Mühldorf festgesetzt. innsalzach24.deZum Verhafteten aus Mecklenburg-Vorpommern, einem einschlägig bekannten Neonazi: NDRDer in Sachsen festgenommene „Vizepräsident“ der OSS, Markus W., den Sicherheitsbehörden in NRW seit Langem einschlägig bekannt. Einem vertraulichen BKA-Papier zufolge gehörte der 39-Jährige bis vor wenigen Jahren zum „festen Personengebilde“ der „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL), einer berüchtigten Neonazi-Truppe, die im August 2012 verboten wurde.“Die KAL“, so heißt es in dem BKA-Papier, habe „zu den aktivsten neonazistischen Gruppierungen in Nordrhein-Westfalen“ gehört und „aktiv die NPD“ unterstützt. Wiederholt seien KAL-Mitglieder auch „mit Gewaltdelikten in Erscheinung getreten“. Nach dem Verbot der Kameradschaft schloss sich der in Düren geborene Markus W. Ermittlern zufolge „spätestens im November 2014“ der OSS an und avancierte zu deren Vizechef. Der Mann wurde in Borna verhaftet. Bei ihm wurde der Sprengstoff gefunden. SpiegelMDRDetails aus Sachsen: Döbelner AllgemeineHieß es nicht vor einem Monat, alle Verfahren wegen Rechtsterrorismus seien eingestellt? (patrick-gensing.info)Ist die „Old School Society“ die dümmste Terrorgruppe Deutschlands?  Denn so offen wie die OSS agierten Terrorist_innen noch nie, findet das Vice-Magazin.Die Innenexpertin der Linksfraktion, Martina Renner, spricht daher von „Symbolpolitik gegen Rechts“. Damit würden weitere Brandanschläge auf Flüchtlingsheime nicht verhindert, so Renner auf Anfrage. Die Gefahr rechtsterroristischer Aktionen werde immer noch unterschätzt, meint Renner. „Der Generalbundesanwalt hat in mehreren Fällen, bei denen Neonazis in den letzten zwei Jahren Waffen gehortet und Sprengstoffanschläge geplant hatten, die Ermittlungen nicht übernommen und wollte darin keine rechtsterroristischen Ansätze erkennen. Es gibt Dutzende Gruppen, die wie „OSS“ offen zu Gewalt gegen Flüchtlinge und politische Gegner aufrufen und entsprechend auch handeln.“ (Publikative.org)Petra Zais, Rechtsextremismusexpertin der Grünen im Sächsischen Landtag, kritisierte, dass – obwohl die OSS seit mehr als einem halben Jahr bestehe, ihre mutmaßlichen Mitglieder bekannte Neonazis seien und einen Facebook-Account betrieben, dass die Vereinigung nicht im aktuellen Verfassungsschutzbericht auftauche. „Offensichtlich ist Sachsen immer noch ein Land, in dem sich Nazis wohlfühlen.“(Publikative.org)Das mutmaßliche „Terrornetzwerk“ ist Teil eines bundesweit aktiven rassistischen Milieus zwischen Hooligans und Neonazis (Blick nach rechts).Möglicherweise wollten OSS-Mitglieder bereits am Wochenende ein ausländerfeindliches Attentat verüben, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen erfuhr (Merkur.de)Die Anschlagspläne der gestern ausgehobenen rechtsextremistischen Terrorzelle «Oldschool Society» waren nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden bereits weit fortgeschritten. Polizei und Ermittler hätten sich wegen der «Gewaltfantasien» der Gruppe zum Eingreifen gezwungen gesehen (mv-online).

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24. Verhandlungstag Halle-Prozess – Eine vertane Chance

Der Halle-Prozess neigt sich dem Ende zu, doch die Netzwerke, Ideologie und Radikalisierung des Angeklagten bleiben weitgehend unaufgedeckt. Das kritisieren Überlebende des Anschlags in ihren Plädoyers. Unser Bericht aus dem Gerichtssaal.

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