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Razzia in vier Bundesländern Polizei geht gegen „IG Fahrten und Lager“ der NPD-Jugendorganisation vor

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Ein solches Freizeitlager zum Jahreswechsel sollte durch die Durchsuchungen verhindert werden. Die Razzia galt Führungskadern der NPD-Nachwuchsorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN). Das ergaben gemeinsame Recherchen von „Hallo Niedersachsen“ im NDR Fernsehen und des Radioprogramms NDR Info.

In diesen Lagern sollen nach Angaben des federführenden Landeskriminalamts Niedersachsen rechtsextremistische und volksverhetzende Inhalte vermittelt werden. Dabei seien in diesem Fall auch Kinder und Jugendliche betroffen. Das LKA spricht daher von einer erheblichen Jugendgefährdung. Hausdurchsuchungen gab es in Niedersachsen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, und Berlin. Nach Informationen des NDR sammeln Sicherheitsbehörden seit Monaten intensiv Material gegen die sogenannte „IG Fahrten und Lager“. Vorbild der 2008 gegründeten „Interessengemeinschaft“ ist offenbar die im vergangenen Jahr vom Bundesinnenminister verbotene „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ). In seiner vom Bundesverwaltungsgericht im Oktober bestätigten Entscheidung bescheinigt der Bundesinnenminister der HDJ eine „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus, insbesondere mit der früheren Hitlerjugend“.

Von ähnlichem Kaliber ist offenbar die „Interessengemeinschaft Fahrt und Lager“, die sich schon äußerlich auffallend ähnlicher Merkmale bedient wie die verbotene HDJ. Besonders entlarvend ist dabei nach Ansicht der Ermittler der in Kreisen der „Interessengemeinschaft“ heimlich verteilte „Jahreskalender“. Er trägt den Namen „Unsere Gemeinschaft“. Für die Monate werden germanische Bezeichnungen verwendet wie „Hartung“ (Januar) und „Nebelung“ (November). Vor allem aber gibt der Kalender Auskunft über grundsätzliche Anschauungen und Orientierungen der „Interessengemeinschaft“. Dabei wird unverhohlen von „ehrlosen Negern“ gesprochen, der völkischen Ethik gehuldigt, es werden die Leitsätze der SS hoch gehalten und Hitler selbst als heldisch-soldatischer Idealtyp gepriesen. Aussagen, die massiv den Bereich der strafbaren Volksverhetzung berühren.

Ebenso wie die HDJ veranstaltet die „IG Fahrt und Lager“ ideologische Freizeitcamps, deren Programm sich auch an Kinder richtet. Zeltlager der noch im Aufbau begriffenen Organisation gab es offenbar an mehreren Orten der Bundesrepublik, unter anderem in der Nähe von Lüneburg in Niedersachsen und im Sommer im Westen von Schleswig-Holstein. In szeneinternen Mails ist außerdem von einem großen Sommercamp in Mecklenburg-Vorpommern die Rede.

Das Pikante: Die Schlüsselfiguren sind auch Führungskader der NPD-Jugendorganisation. Sebastian Richter aus Brandenburg ist stellvertretender Bundesvorsitzender, Christian Fischer aus Vechta ist nach eigenen Angaben Vize-Anführer der niedersächsischen JN. Diese Gruppierung kommt bundesweit auf etwa 470 Mitglieder und galt lange Zeit als wenig erfolgreich. Doch in den letzten Monaten wurden allein in Norddeutschland systematisch sogenannte „JN-Stützpunkte“ aufgebaut. Das Ziel: eine geschulte und zielstrebige Ansprache von jungen Leuten. Die JN verfolgt einen weitaus radikaleren Kurs als die Mutterpartei NPD. Die Leitlinien hatte vor zwei Jahren der JN-Bundesvorsitzende Michael Schäfer vorgegeben, als er hinter verschlossenen Türen beim NPD-Bundesparteitag eine Art „Kriegserklärung“ an die politischen Gegner richtete und sich dabei typischer SA-Rhetorik bediente: „Wir werden die Linken- und Ausländerkieze schleifen“, drohte Schäfer.

Verfassungsschützer bezeichnen Radikalisierung und Professionalisierung bei der NPD-Nachwuchsorganisation in einigen Bundesländern als „bedenkliche Entwicklung am rechtsextremen Rand“. In dieses Konzept passt die Etablierung der „IG Fahrt und Lager“ als eine rechtsextreme Freizeitagentur der JN mit rassistischem Bildungskonzept. Zugleich werden jene Kreise im rechtsextremen Lager bedient, die ihre politische Gesinnung bei Lagerfeuerromantik und Geländespielen mit völkischen oder germanischen Elementen „aufladen“ wollen. Die Nähe der „IG Fahrt und Lager“ zur NPD-Nachwuchsorganisation ist offenbar noch aus einem anderen Grund gewollt: Je geringer der Abstand zur NPD, desto mehr Wirkung kann das Parteienprivileg des Grundgesetzes entfalten – und desto höher wären die Hürden für ein Verbot der „IG Fahrten und Lager“. Zugleich aber gehen die „Jungen Nationaldemokraten“ mit der Einbindung der „IG Fahrt und Lager“ ein Risiko ein: Sie könnten selbst zum Gegenstand eines eigenständigen Verbotsverfahrens werden. Die Durchsuchungen heute dürften solchen Gedankenspielen neue Nahrung gegeben haben.

Pressemitteilung von NDR Info vom 21.12.2010.

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