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Razzia So reagiert die AfD auf die Festnahme der Reichsbürger-Richterin

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Birgit Malsack-Winkemann im Bundestag. (Quelle: picture alliance/EPA-EFE | HAYOUNG JEON)

Am 7. Dezember wurde mit einer großangelegten Razzia eine Reichsbürgertruppe ausgehoben, die geplant hatte, in Deutschland einen Volksaufstand – den sogenannten Tag X – auszulösen, um danach die Demokratie in Deutschland abzuschaffen. Gegen 54 Personen wird ermittelt, 23 sitzen in Haft, von mindestens weiteren Unterstützer*innen in dreistelliger Zahl ist aktuell die Rede. Zu den 23 Verhafteten gehört auch die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin Birgit Malsack-Winkemann. Ermittelt wird wegen des Verdachts der Mitgliedschaft oder der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Den neuesten Terrorverdacht in den eigenen Reihen würdigt die AfD nur so wenig, wie es irgendwie geht, und versucht lieber, die mutmaßlichen Täter*innen zu verharmlosen.

Birgit Malsack-Winkemann saß von 2017 bis 2021 für die AfD im Bundestag. Seit 2013 ist sie Richterin in Berlin, bis 2017 am Landgericht. Kurz nach Parteigründung 2013 trat sie bereits in die AfD ein. Zwischen 2015 und 2017 war sie stellvertretende Vorsitzende des Bezirksverbandes Steglitz-Zehlendorf. Im Bundestag war sie Obfrau für die AfD-Fraktion im Haushaltsausschuss. Bis zu ihrer Festnahme war sie Besitzerin im Bundesschiedsgericht der Partei.

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Am Morgen der Razzia verschwindet ihr Name von der Website. Alice Weidel und Tino Chrupalla, die Co-Vorsitzenden der Partei, veröffentlichen am selben Tag ein Statement zur Razzia, das aus vier Sätzen besteht: „Von dem Fall haben wir heute, wie die meisten Bürger auch, erst aus den Medien erfahren. Wir verurteilen solche Bestrebungen und lehnen diese nachdrücklich ab. Nun gilt es, die Ermittlungen abzuwarten. Wir haben vollstes Vertrauen in die beteiligten Behörden und fordern eine schnelle und lückenlose Aufklärung.“ Zur Parteifreundin Malsack-Winkemann verliert die Partei kein Wort.

Zwei Tage nach der Razzia wird der AfD-Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio im Deutschlandradio interviewt. Die Vorwürfe gegen seine ehemalige Fraktionskollegin könne er sich „zur Stunde, rational nicht erklären“. Vom „vollsten Vertrauen“ in die Behörden ist mittlerweile weniger zu hören. Curio gibt sich große Mühe die verhinderte Terrorgruppe zu verharmlosen. Es handle sich um eine „Rentnerkombo“, einen „Operettenputsch“ unter Leitung eines „dubiosen, skurrilen Königs“. Curio will auch wissen, „dass da offensichtlich kein realer Putsch bevorstand“. Dafür gibt’s aber noch praktische Tipps fürs nächste Mal, die gleichzeitig die Ex-Kollegin entlasten sollen, denn Malsack –Winkemann hatte mit ihrem Ehemaligenausweis Zugang zu den Parlamentsgebäuden und sollte mit ihrer Ortskenntnis beim Eindringen helfen. Curio dazu: „Also bitte, ein Sturm auf den Reichstag ist ja sinnlos, bei einem beabsichtigten Regierungsputsch.“ Und im gleichen Zusammenhang: „Ich habe noch nichts von einem Sturm auf das Kanzleramt gehört.“

Tatsächlich ging es der Gruppierung zunächst vor allem um Destabilisierung der Demokratie und das Herbeiführen des sogenannten Tag X, dafür planten sie eine Geiselnahme im Bundestag und Anschläge auf Infrastruktur. Doch das Narrativ einer unrealistischen Staatsstreichfantasie von harmlosen Rentnern scheint zur Sprachregelung in der AfD geworden zu sein.

Am 14. Dezember, also eine Woche nach der Razzia, veröffentlicht der YouTube-Kanal der AfD Ausschnitte aus einer Pressekonferenz von Weidel und Chrupalla zu den Ermittlungen. In anderen Formaten der Partei, etwa dem Podcast „7 Tage Deutschland“ kamen die Razzien gar nicht erst vor. Der Name von Birgit Malsack-Winkemann fällt wieder nicht. Stattdessen spricht auch Alice Weidel von „Rentnern“ und versucht die Vorwürfe kleinzureden: „Da sucht man sich ein Thema, auf das man sich stürzt, wo man vorher auch die Medien eingeweiht hat und da fragt man sich natürlich schon, zu welchem Zweck das alles ist.“ Von einer „spektakulären Inszenierung“ hatte auch schon Co-Chef Chrupalla am Tag der Razzia auf Twitter gesprochen. Wie üblich schlägt Weidel den Bogen zur Einwanderung und Geflüchteten: Die Razzien seien eine Ablenkung von den eigentlich Problemen, „dass wir offene Grenzen haben, viel Illegale innerhalb unseres Landes“.

Rassistische Ablenkungsmanöver fährt auch Martin Reichardt, dessen Tweets zum Thema Reichsbürgerrazzia vom Hauptaccount der Partei retweetet werden und damit zu den wenigen öffentlichen Stellungsnahmen der Gesamtpartei gehören: „Jahre hat sich für die Sicherheit des Personals von Ämtern keiner interessiert, obwohl zahlreiche Mitarbeiter von zugereisten Kriminellen drangsaliert & oft schwer verletzt wurden. Aber im Rahmen der Generalangst vor Reichsbürgern wird es zum Problem?“

Screenshot vom Twitteraccount des AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Reichardt.

Der EU-Abgeordnete Maximilian Krah äußert sich nur indirekt und twittert einen Artikel über einen Lieblingsschriftsteller der sogenannten neuen Rechten, Uwe Tellkamp. Der Autor hatte bei einer Veranstaltung in Berlin am Abend nach der Razzia bezweifelt, dass die Gruppierung existiert oder Umsturzpläne hatte. Krah kommentiert den Artikel auf Twitter: „Wie üblich kluge Worte von Uwe Tellkamp!“

Screenshot vom Twitteraccount des EU-Parlamentariers der AfD, Maximilian Krah.

Die Titelseite des Spiegels mit der Titelzeile Operation Staatsstreich“, auf der unter anderem Malsack-Winkemann zu sehen ist, kommentiert Krah nur „Echt?“ und dekoriert seinen Tweet mit einer Figur, die sich vor den Kopf schlägt. In einem anderen Tweet geht es um die „Posse von Prinz Heinrich“. Über die verhaftete Parteifreundin kein Wort.

Götz Frömming, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion retweetet Julian Reichelt, der behauptet, die Razzia sei eine „PR-Operation“ gewesen. Der Bundestagsabgeordnete springt auch auf einen anderen Vorwurf von Rechtsaußen auf, dass die Verhaftung der Reichsbürgertruppe dazu diene, von dem Mord an einer 14-Jährigen Schülerin in Illerkirchberg abzulenken. Malsack-Winkemann erwähnt Frömming nicht.

Auch Björn Höcke widmet der Richterin kein Wort. Stattdessen aktualisiert er das Titelbild seiner Facebookseite. Ein Porträt von ihm selbst mit nachdenklichem Blick. Daneben in Großbuchstaben: „Putscht eigentlich eine Regierung, die einen Putsch inszeniert?“

Die Reaktionen der AfD auf die Reichsbürgerrazzia haben vor allem einen gemeinsamen Tenor: „Mit uns hat das alles nichts zu tun!“ Ohnehin sei alles nur inszeniert, Ablenkung oder schlicht lächerlich. Penetrant versucht die Rechtaußen-Partei zu ignorieren, dass eine ihrer wichtigsten Repräsentantinnen wegen Terrorverdacht in U-Haft sitzt – ebenso wie ein sächsischer AfD-Stadtrat.

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