Das Portal Sachsen-Anhalt Rechtsaußen hat eine umfangreiche Recherche zu unterschiedlichen rechtsextremen und rechtsradikalen Akteur*innen im Bundesland und der Nachbarschaft veröffentlicht und zeigt die Verbindungen in die unterschiedlichsten Szenen auf. Zentral sind dabei vor allem völkische Siedler*innen. Verbindungen gibt es in praktisch alle rechts-alternativen Milieus: von der sogenannten „neuen“ Rechten über Parteien wie NPD und AfD, zu den rechtsextremen „Identitären“ und auch zum Rechtsterrorismus von Lübcke-Mörder Stephan Ernst und „Blood & Honour“.
Dabei ist es keine Wunder, dass sich viele der Protagonist*innen der Szene aktuell in der Corona-Protest-Szene herumtreiben. Sachsen-Anhalt Rechtsaußen beschreibt, wie völkische Siedler*innen Proteste organisieren, um ihre Ideologie mainstreamtauglicher erscheinen zu lassen. Die Demos dienen dabei als Einstieg und Rekrutierungsfeld für völkische Ideologien. Zentral sind dabei vor allem Gruppen, die sich um die rassistischen und antisemitischen „Anastasia“-Romane von Wladimir Megre gebildet haben.
Nur ein Beispiel ist eine Gruppe namens „Weda Elysia“, die sich im Blankenburger Ortsteil Wienrode im Ostharz angesiedelt hat. Die „Siedler*innen“ um Maik Schulz und Aruna Palitzsch-Schulz sind bereits seit über zehn Jahren aktiv. Das eigentliche Siedlungsprojekt scheint zwar zu stocken, währenddessen arbeitet die Gruppe aber offenbar an einem Kulturzentrum im Ort. Das scheint Teil einer Strategie zu sein, auf Märkten und Festen auf dem Gelände präsentieren sich auch andere lokale Händler*innen, die mit der Szene eigentlich nichts zu tun haben. So wird die Ideologie der Siedler*innen normalisiert und mitten in die Dorfgemeinschaft getragen.
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Auf den Veranstaltungen der Siedler*innen treffen sich allerdings nicht nur ganz normale Dorfbewohner*innen, sondern auch Kader der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ oder bekannte Neonazis. Zum Beispiel Steffen Hupka, der ehemalige Landesvorsitzende der NPD. Der versuchte bereits zwischen 2001 und 2009 ein Schulungszentrum für die Szene einzurichten, scheiterte dabei aber offenbar. In einem bereits 2012 erschienenen Heft skizziert Hupka schon Siedlungsbestrebungen und wie sie aussehen könnten: „Das deutsche Volk wird zukünftig nur noch in geschlossenen Gemeinschaften über- und weiterleben, deren Mitglieder deutsch bleiben und viel Nachwuchs zeugen werden.“ Hupka nennt mehrere Punkte, die entscheidend für eine „nationale Wehr- und Siedlungsgemeinschaft“ seien, darunter zum Beispiel ein „gefestigtes nationalsozialistisches Welt- und Menschenbild“ und „genetische Gesundheit“. 2020 beteiligte sich Hunke an Kundgebungen gegen die Corona-Maßnahmen in Halle. Im Juli 2020 wurden unter anderem Gebäude von Hupka aufgrund des Verdachts der illegalen Einfuhr von Waffen durchsucht.
Trotz der offenkundigen Verbindungen der Siedler*innen ins rechtsextreme Milieu sind viele der Protagonist*innen gut vor Ort integriert. Sie sind Heilpraktiker*innen, betreiben Geburtshäuser oder arbeiten sogar als Lehrer*innen an Schulen. Immer wieder kommt es zu Überschneidungen zu verwandten Szenen. Bei unterschiedlichen Treffen und „Kongresse“ treten bekannte Verschwörungsideolog*innen auf. Medial begleitet werden „Siedler*innen“ zum Beispiel von Nikolai Nerling, einem rechtsextremen YouTuber, der unter dem Namen „Volkslehrer“ auftritt. Laut Sachsen-Anhalt Rechtsaußen versuchte er in Begleitung von Weda-Elysia-Vertreter*innen eine Lesung des Journalisten Andreas Speit zu stören, der regelmäßig über rechtsextreme Umtriebe aufklärt. Am Ende des Videos wird das Buch Völkische Landnahme, das Speit zusammen mit der Journalistin Andrea Röpke veröffentlicht hat, verbrannt. Offenbar bleibt die Unterstützung durch Nerling keine Einbahnstraße. Am 29. August 2020 führen mehrere bekannte völkische Siedler*innen zusammen mit Nerling auf der Corona-Leugner*innen-Demo in Berlin Volkstänze auf.
Gute Verbindungen pflegen die „Siedler*innen“ auch mit der „Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung“, einer Art Glaubensgemeinschaft von Rechtsextremen. Geleitet wird die Gruppierung aktuell von Jens Bauer, einem NPD-Kader, der ebenfalls in der Szene der Corona-Leugner*innen aktiv zu sein scheint. Von hier ist es nicht mehr weit bis zum Rechtsterrorismus. Stephan Ernst, der Mörder von Walter Lübcke, war Mitglied der Artgemeinschaft, Beate Zschäpe und andere Personen aus dem NSU-Umfeld nahmen an Veranstaltungen der Gruppierung teil. Bauer verkaufte im Rahmen einer Solidaritätskampagne T-Shirts mit dem Aufdruck „Freiheit für Wolle“ für Zschäpes Mitangeklagten Ralf Wohlleben. Nach dessen Haftentlassung zog Wohlleben samt Familie auf Bauers Hof in Bornitz.
Vernetzt ist die Artgemeinschaft auch mit den „Ludendorffern“, einer antisemitischen und rassitischen spirituellen Bewegung, die zunächst im Nationalsozialismus entstand, später verboten, aber 1951 neugegründet wurde. Die Gruppierung ist von Großfamilien geprägt, die bereits seit mehreren Generationen in der Szene aktiv sind. Einige jüngere Mitglieder gehören zur „Identitären Bewegung“. Dass die sogenannte „neue“ Rechte weder inhaltlich noch ideologisch wirklich neues zu bieten hat, zeigt sich auch hier. Nicht zuletzt daran, dass Veranstaltungen aus diesem Spektrum offenbar auch vom Nachwuchs der Familie Kubitschek besucht wurden, wie die Recherche von Sachsen-Anhalt-Rechtsaußen zeigt.
Auch in der AfD in der Region gibt es laut dem Rechercheportal direkte Verbindungen in die völkische Szene. Vertreter*innen der Partei bieten im Bundesland Räumlichkeiten als Treffpunkte an, aber es gibt auch personelle Überschneidungen. Mitarbeiter der AfD in unterschiedlichen Landtagsfraktion waren offenbar Kader der „Heimattreuen Deutschen Jugend“” (HDJ), einer völkischen Jugendorganisation, die sich an der Hitlerjugend orientierte.
Die Recherche macht erneut die bemerkenswerte Vernetzung rechtsradikaler bis rechtsextremer Akteur*innen deutlich. Oft sind es nur wenige Schritte vom vermeintlich friedfertigen Siedler bis hin zum Rechtsterrorismus. Sie zeigt aber auch, wie schnell völkische Ideologie und damit zutiefst antisemitisches und rassistisches Gedankengut normalisiert werden kann, wenn es nur harmlos genug verpackt wird.