Täglich kommt es in Deutschland im Durchschnitt zu bis zu vier rechten, rassistischen oder antisemitisch motivierten Gewalttaten. Rassistische und antisemitische Angriffe sind immer Botschaftstaten. Die Täter*innen wollen mit solchen Übergriffen Einzelne und Gruppen aus der Gesellschaft ausschließen. Die Angreifer*innen wollen den Opfern vermitteln, dass sie sie nicht in der Gesellschaft akzeptieren.
Die Botschaft, die mit dem Angriff transportiert werden soll, ist für alle Betroffenen von rechter Gewalt klar: Leute wie du sind hier nicht erwünscht. So wirkt ein Angriff über die Verletzungen des Einzelnen hinaus. Denn die Betroffenen werden stellvertretend für eine ganze Personengruppe angegriffen. Daher dürfen rechte Angriffe nie als bloße Gewalttaten gewertet werden. Sie wirken sich über das einzelne Opfer auf eine ganze Gruppe aus.
Für viele Betroffene gehören rassistische und antisemitische Angriffe leider zum Alltag, während weiße Menschen viel zu oft ratlos schweigen – und die Angegriffen somit letztendlich allein lassen. Für die Opfer ist das Verhalten von Passanten oder anderen Zeug*innen daher von zentraler Bedeutung. Greift niemand ein, wird dies als Desinteresse an der Tat oder als Zustimmung für das Verhalten der Täter*innen gewertet.
Damit Ihnen das nicht passiert, haben wir 10 Tipps zusammengestellt, was Sie tun können, wenn Sie einen rassistischen Angriff beobachten – immer und überall:
1. Handeln Sie!
Am wichtigsten ist es, überhaupt zu handeln. Schreiten Sie ein. Stehen Sie dem Opfer oder den Opfern bei Seite. Reagieren Sie nach Möglichkeit immer und sofort. Warten Sie nicht, dass ein anderer hilft. Je länger Sie zögern, desto schwieriger wird es, überhaupt einzugreifen.
2. Halten Sie zum Opfer!
Bauen Sie Blickkontakt zur betroffenen Person auf. Das kann helfen, die Angst zu vermindern. Sprechen Sie die Person direkt an: „Ich helfe Ihnen“, „Was will der/die von Ihnen?“ „Wie geht es Ihnen?“ oder „Kann ich helfen?“. So vermitteln Sie dem Opfer, dass Sie an seiner Seite stehen.
Grundsätzlich ist es wichtiger dem Opfer beizustehen, als sich mit dem*r Täter*in auseinanderzusetzen.
3. Holen Sie Hilfe!
Wer Angst hat, selbst angegriffen zu werden, kann die Polizei rufen (110). Ereignet sich der Vorfall in einem öffentlichen Verkehrsmittel, kann auch das Ziehen der Notbremse eine Lösung sein. Hier können Sie auch den oder die Fahrer*in alarmieren und um Hilfe bitten.
4. Verunsichern Sie den*die Täter*in!
Machen sie Umstehende auf die Situation aufmerksam. Schreien Sie zum Beispiel laut „Stop“, „Aufhören“ oder „Feuer“, darauf dürfte wohl jede* reagieren. Oder schreien Sie einfach laut und schrill. Das geht auch, wenn Sie gerade nicht wissen, was Sie sagen sollen. So können Sie den/die Angreifer*innen irritieren, die dann gegebenenfalls vom Opfer ablassen.
5. Erzeugen Sie Aufmerksamkeit!
Sprechen Sie andere Zuschauer*innen persönlich an. Ziehen Sie die Umstehenden in die Verantwortung: „Sie in der gelben Jacke, können Sie bitte den*die Busfahrer*in rufen“ oder „Können Sie uns bitte helfen, diese Person ist gerade übelst rassistisch“. Sprechen Sie laut. Die Stimme gibt Selbstvertrauen und ermutigt andere zum Einschreiten.
6. Auf der verbalen Ebene bleiben!
Begeben Sie sich nicht unnötig in Gefahr. Berühren Sie den*die Täter*in nicht, es könnte sonst schnell als Provokation gewertet werden. Und lassen auch Sie sich nicht vom Täter oder von den Täter*innen provozieren. Bleiben Sie immer nur auf der verbalen Ebene.
7. Provozieren Sie den Täter nicht!
Damit die Situation nicht weiter eskaliere, sollten Sie ruhig und bestimmt auftreten und auf keinen Fall aggressiv reagieren. Duzen Sie den*die Täter*in nicht, damit andere nicht denken, dass Sie einander kennen. Kritisieren Sie das Verhalten der Angreifer*innen, aber nicht ihre Person.
8. Beobachten Sie genau!
Beobachten Sie die Situation genau und merken Sie sich Gesichter, Kleidung und Fluchtwege der Täter*innen. Gegebenenfalls können sie den Vorfall auch mit einer Handykamera filmen. All diese Hinweise können der Polizei helfen den oder die Täter zu schnappen und dient der Justiz bei einer Verurteilung der Angreifer*innen. Das kann für eine spätere Anzeige und ein Verfahren gegen den/die Täter*innen relevant sein.
9. Als Zeug*in anbieten!
Erstatten Sie nach Absprache mit dem/den Opfern Anzeige. Sie können der angegriffenen Person anbieten, als Augenzeug*in aufzutreten. Geben Sie dem/den Opfern ihre Kontaktdaten. Es kann helfen kurz nach der Tat ein Gedächtnisprotokoll anzufertigen, das den Ablauf und die Umstände des Angriffs mit allen Details enthält. Notieren Sie möglichst zeitnah das Tatgeschehen aus Ihrem persönlichen Erleben. Das Gedächtnisprotokoll dient als Erinnerungsstütze bei späteren Vernehmungen oder als Vorbereitung für die oft viele Monate bis Jahre später stattfindende Gerichtsverhandlung. Viele potenzielle Zeug*innen glauben zunächst, dass sie bestimmte Augenblicke nie vergessen werden. Erfahrungsgemäß werden jedoch häufig eigene Erinnerungen mit eigenen Schlussfolgerungen oder mit den Erzählungen Anderer vermischt.
10. Betroffene nach dem Angriff nicht alleine lassen!
Ganz wichtig ist es, dass wir den Betroffenen nach der Tat signalisieren, dass wir für ihn oder sie da sind, indem wir unsere Unterstützung und Hilfe anbieten. Dabei sollten wir darauf achten, die Betroffenen nicht zu bevormunden, sondern nur Angebote zu machen.
Bei spezialisierte Beratungsstellen erhalten Betroffene rechter Gewalt empathische und kompetente Unterstützung. Gemeinsam mit den Berater*innen kann ein Antrag auf finanzielle Hilfe beim Opferfonds CURA gestellt werden. Eine Liste der Beratungsstellen in den jeweiligen Bundesländern und andere wichtige Informationen finden Sie unter: www.amadeu-antonio-stiftung.de/opferfonds-cura/hilfe-fuer-betroffene