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Rechte Gewalt Limbach-Oberfrohna: Erneute Bedrohung von Rechts

In Limbach-Oberfrohna wurde in der Nacht vom 26. zum 27. April 2014 das Vereinshaus der Sozialen und Politischen Bildungsvereinigung von mutmaßlichen Rechten angegriffen. Nach einer Schlägerei, deren Umstände noch ungeklärt sind, wurden Vereinsmitglieder von der Polizei festgenommen. Dieser Vorfall passt zu einer Reihe von Begebenheiten in der Vergangenheit, bei denen Opfer zu Tätern gemacht wurden und das Engagement gegen Neonazis durch lokale und Landespolitik nicht unterstützt wurde.

 

In der Nacht vom 26. zum 27. April 2014 versammelte sich eine lautstarke Gruppe mutmaßlicher rechter Jugendlicher vor dem Vereinshaus der Sozialen und Politischen Bildungsvereinigung in der südwestsächsischen Kleinstadt Limbach-Oberfrohna. Der Verein besteht seit 2008 und setzt sich seither dafür ein, eine alternative Jugendkultur in der rechten Hochburg Limbach-Oberfrohna zu schaffen und das Engagement gegen Neonazis zu fördern. Die Gruppe Rechter griff das Vereinshaus mit Pflastersteinen, schweren Keramikblumenkübeln und Glasflaschen an, beschädigte dabei die Fenstervergitterungen im Erdgeschoss und zerstörte die Hauseingangstür vollständig. Der Sachschaden wird auf 1500 Euro geschätzt. Glücklicherweise befand sich zur Tatzeit nur ein Bewohner im Haus, der umgehend die Polizei und Vereinsmitglieder verständigte. Diese konnten einen 26-Jährigen überwältigen, der weiterhin mit Steinen das Haus bewarf. Die Polizei vernahm den Tatverdächtigen und fuhr ihn anschließend nach Hause.

Festnahmen linker Jugendlicher nach einer Schlägerei

In einer nahegelegenen Garage, die als Neonazi-Treffpunkt bekannt ist, feierte zum gleichen Zeitpunkt eine Gruppe mutmaßlicher Rechtsextremer Geburtstag. Nach Angaben der Polizei gab es kurz nach dem Angriff auf das Vereinshaus eine Schlägerei zwischen 15 Personen, die dem Umfeld der Sozialen und Politischen Bildungsvereinigung zugerechnet werden, und den mutmaßlichen Rechten. Die Polizei ermittelt nun wegen Körperverletzung. Nach der Schlägerei erschien sie mit fünf Polizeitransportern vor dem Vereinshaus und nahm die Personalien aller eingetroffenen Vereinsmitglieder auf. Diese mussten außerdem ihre Gesichter fotografieren lassen. Nach Angaben einer Aktiven der Sozialen und Politischen Bildungsvereinigung saßen in einem der Polizeiwagen Neonazis, die bei der Geburtstagsfeier anwesend gewesen waren, und identifizierten angebliche Angreiferinnen und Angreifer vom Verein. Vier Personen wurden aufs Polizeirevier mitgenommen, dort verhört und erst am folgenden Vormittag wieder freigelassen. Bisher liegen noch keine Ergebnisse der Ermittlungen vor. Die Polizei prüft derzeit gegen alle Beteiligten der Schlägerei den Vorwurf des Landfriedensbruchs und den politischen Hintergrund der Auseinandersetzung.

Einseitige Darstellung in den Medien

In den wenigen Presseberichten über den Vorfall herrscht der Eindruck vor, dass es nur den einen Angreifer gegeben hat, der von den Vereinsmitgliedern überwältigt wurde. Den Beobachtungen des anwesenden Hausbewohners zufolge und angesichts der Tatsache, dass sich zahlreiche große Pflastersteine im Haus befanden, muss es aber eine große Gruppe gewesen sein. Die Situation war also weitaus bedrohlicher als in der Presse angenommen. Jetzt herrscht die Sichtweise vor, dass eine Gruppe von 15 Personen aus dem Verein zu der Geburtstagsfeier stürmte, um Neonazis zu verprügeln, was als völlig unverhältnismäßiger Racheakt für nur einen Angreifer erscheint. Die Vereinsmitglieder hegen die Vermutung, dass die Täter*innen mit der Geburtstagsfeier in Verbindung standen. Es feierte nämlich ein stadtbekannter Neonazi, der 2010 einen Brandanschlag auf das ehemalige Vereinsdomizil verübte, bei dem es nahezu vollständig ausbrannte. Aktive aus dem Verein vermuten, dass auf der Geburtstagsfeier eine Dynamik entstand, die im Angriff gipfelte.

Ständige rechte Gewalt und fehlende politische Unterstützung

Seit der Gründung des Vereins waren das Vereinshaus und die aktiven Personen ein häufiges Ziel rechter Angriffe. Den Höhepunkt erreichte die rechte Gewalt mit dem bereits erwähnten schweren Brandanschlag im Jahr 2010, in dessen Folge der Verein in einen neuen Standort umziehen musste. Vonseiten der lokalen und landesweiten Politik erhalten die engagierten Mitglieder des Vereins keine Unterstützung. Sie wurden im Gegenteil immer wieder als „Nestbeschmutzer“ wahrgenommen und zu Täterinnen und Tätern gemacht. Die Amadeu Antonio Stiftung und der Opferfonds Cura haben die Soziale und Politische Bildungsvereinigung schon mehrmals unterstützt. Auch die Eltern der Jugendlichen des Vereins haben sich im „Bunten Bürgerforum für Demokratie“ zusammengeschlossen, um der rechten Alltagskultur entschlossen entgegenzutreten.

In der letzten Zeit hatte es kaum mehr Übergriffe gegeben. Eine Aktive aus dem Verein zeigt sich angesichts der aktuellen Ereignisse nun besorgt: „Vor Kurzem hätte ich noch gesagt, dass die Lage in Limbach-Oberfrohna ziemlich ruhig geworden ist. Aber jetzt hat es plötzlich wieder einen Angriff gegeben. Nun befürchte ich, dass die ständige Bedrohung weitergeht“. Dabei bleibt zu hoffen, dass der Vorfall nicht wie so oft auf eine Auseinandersetzung rechter und linker gewaltbereiter Jugendlicher reduziert, sondern die rechte Alltagskultur in Limbach-Oberfrohna in den Blick genommen wird.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

2010 erhielt die Soziale und Politische Bildunsgvereinigung einen Anerkennungspreis im Rahmen des von der Amadeu Antonio Stiftung ausgelobten Sächsischen Förderpreises für Demokratie.

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