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Rechtsalternativer Hass Neuer gemeinsamer Nenner? Hass auf trans Frauen

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Feindlichkeit gegen vor allem weibliche trans Personen ist gesellschaftlich immer schon sehr weit verbreitet. Momentan ist jedoch zu beobachten, dass die extreme Rechte dieses Thema verstärkt aufgreift, um Hetze gegen die Gleichwertigkeit aller Menschen in die Gesellschaft zu tragen. (Quelle: Pixabay)

Triggerwarnung: Transfeindlichkeit

Am 17. Februar sorgte die AfD im Bundestag wieder einmal für Empörung. Die Abgeordnete Beatrix von Storch (AfD), angeblich gemäßigt innerhalb der AfD, behauptete in einer Debatte zum Internationalen Frauentag, die Grünen-Abgeordnete und trans Frau Tessa Ganserer sei „biologisch und juristisch ein Mann“. Offenbar ist von Storch nicht in der Lage, die Entscheidung eines Menschen, als das Geschlecht zu leben, das ihr richtig erscheint, als persönliche Erfahrung zu akzeptieren. Die pure Existenz von trans Personen ist in von Storchs Weltbild eine Ideologie:„Die Genderideologie gefährdet vor allem Frauen und Mädchen“, hetzt von Storch. Ohne Biologie gäbe es keine Frauen „und ohne Frauen auch keine Frauenrechte.“ Dann nannte von Storch Tessa Ganserer bei ihrem männlichen Namen und sprach sie fortlaufend in der männlichen Form an. Eine Rede, die zu Recht für Entsetzen sorgte, in der rechten und erzkonservativen Szene jedoch bejubelt wurde.

Feindlichkeit gegen vor allem weibliche trans Personen ist gesellschaftlich immer schon sehr weit verbreitet. Momentan ist jedoch zu beobachten, dass die extreme Rechte dieses Thema verstärkt aufgreift, um Hetze gegen die Gleichwertigkeit aller Menschen in die Gesellschaft zu tragen. Neu und bitter ist dabei der Dreh, den Hass auf trans Frauen mit Argumenten zu verbreiten, die ursprünglich aus einer radikal-feministischen Szene kommen und für die Gleichstellung der Geschlechter gemeint waren. So argumentierte auch Beatrix von Storch in ihrer Hetzrede gegen Ganserer: Sie zitiert transfeindliche Berichte in der Emma und verteidigte die britische Autorin J.K. Rowling, die mehrfach gegen trans Frauen Stimmung gemacht hatte. „Die Trans-Ideologie ist totalitär“, behauptet von Storch und raunt dabei von einer angestrebten Agenda, gegen die sich „das Volk“ zur Wehr setzen müsse.

Was gemeint ist? Laut von Storch könne Ganserer zwar „Rock, Lippenstift und Hackenschuhe“ tragen, bleibe aber dennoch ein Mann. „Und wenn er als solcher über die grüne Quote in den Bundestag einzieht und hier als Frau geführt wird, ist das schlicht rechtswidrig.“ Sie warf Ganserer vor, „als Frau verkleidet“ zu sein, und behauptete, hätte sich Robert Habeck als Roberta bezeichnet, dann wäre er jetzt Bundeskanzlerin. Es geht also darum, einer trans Frau zu unterstellen, sie sei keine Frau, sondern inszeniere sich als solche aus unlauteren Motiven und zum eigenen Vorteil. Eine böswillige Unterstellung angesichts des Leids und des Aufwands, den Menschen in unserer Gesellschaft erdulden müssen, wenn sie ein anderes Geschlecht als das in ihrem Pass vermerkte leben wollen.

Thema Flüchtlingsfeindlichkeit zieht nicht mehr so gut

Über Jahre setzte die rechtsalternaitve Szene in Deutschland und international vor allem auf das Thema Flüchtlingsfeindlichkeit, Hass aus Migrant:innen oder auf Menschen, die nicht weiß sind – also Rassismus. In Deutschland zogen rassistische Aussagen besonders 2014 und 2015 stark, als Pegida und seine bundesweiten Ableger mit bis zu 25.000 angeblich nur „besorgten Bürger:innen“ angesichts schutzsuchender Menschen gegen „die Islamisierung des Abendlandes“ demonstrierten. Doch spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie 2020 scheint das Thema Rassismus für AfD und neue Rechte nicht mehr zu ziehen. Die Wahlergebnisse – mit Ausnahme einiger ostdeutscher Bundesländer – deuten auf einen Bedeutungsverlust der AfD hin. Die Rechtsradikalen brauchen ein neues Thema, mit dem sie Hass verbreiten und Angst schüren können. Schon immer gehören auch Anti-Geschlechtervielfalt-Argumentationen zum Rechtspopulismus und Rechtsextremismus – nur sind homosexuelle Männer selbst für die AfD inzwischen eine akzeptable Zielgruppe, wenn sie wenigstens Islamfeinde sind. Was tun? Der Hass konzentriert sich auf nonbinäre und vor allem trans Personen, wobei sich der Hass überwiegend an trans Frauen abarbeitet. Hier verbindet sich das Festhalten an althergebrachten und traditionellen Geschlechter- und Familienbildern mit Misogynie. Erstaunlich dabei: Es werden Rollenbilder verteidigt, deren sich die Rechtspopulist:innen und Rechtsextremen selbst nicht so sicher zu sein scheinen. Warum sonst müsste sie die pure Existenz von Menschen, die sich nicht in der Zweigeschlechtlichkeit wiederfinden, als Gefahr ihres gesamten Konzeptes wahrnehmen?

Vorbild USA

Aufgegriffen hat die deutsche Rechte ihr neues Hass-Themenfeld aus den USA. Auch hier gab es den Wandel vom Hass gegen die Gay-Community zum Hass auf trans Personen. In der Alt-Right in den USA, wie auch in Deutschland, gibt es einige zentrale schwul- lesbische Akteure. Genau wie im Bereich Rassismus, wo Personen, die von Rassismus betroffen sind, ebenfalls Rassismus verbreiten können, können auch Menschen, die von LGBTQ*-Diskriminierung betroffen sind, selbst queerfeindlich diskriminieren. 

Ein internationales Beispiel ist hier etwa die „LGB Alliance“, ein Zusammenschluss von Lesben, Schwulen und Bisexuellen, die explizit nur ein drei-Buchstaben-Akronym verwenden, um unter anderem trans Menschen auszuschließen, also das „T“. Es sind homosexuelle Aktivist:innen, die gegen Queerness eintreten. Die Gruppe hat auch einen deutschsprachigen Ableger, der jedoch bisher primär auf Twitter agiert. Auch die meisten homosexuellen rechtsextremen Aktivist:innen betrachten sich als explizit nicht queer. Sie erleben Homofeindlichkeit bis zu Gewalt, wollen aber trotzdem andere Geschlechtsidentitäten abwerten.  

Grooming als Kampfbegriff gegen LGBTQ*

Zur neuen Feind-Markierung kommen neue abwertende Begrifflichkeiten: Das lange Zeit gepflegte Lügen-Narrativ, um Hass über Homosexuelle, vor allem schwule Männer, zu verbreiten, lautete: Sie seien überwiegend pädophil. Im Internet ist Grooming eine reale Gefahr für junge Menschen. Als Grooming (zu Deutsch sinngemäß Anbahnung) wird die gezielte Kontaktaufnahme Erwachsener mit Minderjährigen in Missbrauchsabsicht bezeichnet, indem stufenweise ihr Vertrauen erschlichen wird. In jüngster Zeit wird in den USA jedoch häufig in rechten Kreisen vor Grooming-Versuchen durch trans Personen und Homosexuelle gewarnt. Damit will die rechte Szene implizieren, dass die LGBTQ*-Community und besonders trans Personen pervers seien und eine Gefahr für Kinder darstellten. Besonders in den USA ist der Begriff ein Kampfbegriff der Alt-Right geworden, um Homofeindlichkeit zu verbreiten, Menschen zu dehumanisieren und zu kriminalisieren. Eine führende Rolle nimmt in der Hetze gegen trans Personen dabei der US-Fernsehsender Fox-News und seine Moderator:innen ein, aber auch weitere Alt-Right-Aktivist:innen und republikanische Politiker:innen.

Viele der Argumente gegen trans Personen übernimmt die rechtsalternative Szene dabei aus einem angeblich feministischen Lager, dass auf verdrehte Weise aber nicht progressiv und auf Gleichwertigkeit zielend, sondern diskriminierend agiert. Sogenannte TERFs („trans exclusionary radical feminists“, zu Deutsch: Feminist:innen, die trans Menschen ausschließen) verstehen sich selber zwar als feministisch, agieren jedoch transmisogyn. Sie glauben, dass die Akzeptanz von trans Frauen und der Kampf für ihre Rechte zulasten von cisgeschlechtlichen Frauen gehe. Die Ablehnung von Trans-Rechten innerhalb des TERF-Lagers geht so weit, dass einige deutsche Aktivistinnen nur noch die AfD als einzig wahre Partei für die Verteidigung radikal feministischer Forderungen ansehen – absurd angesichts des traditionellen und frauenfeindlichen Geschlechterbildes der Partei.

Im extrem rechten Milieu werden weiße Frauen als wandelnde Gebärmütter gesehen, die dazu bestimmt sind, die angeblich sinkenden Geburtenraten der „weißen Rasse“ zu stoppen. Nicht-weiße Frauen werden als Bedrohung und Groteske dargestellt, denen nur mit  gewalttätiger Misogynie zu begegnen sei. Eine traditionelle Frau soll keusch und unterwürfig sein und dem Mann hörig. In diesem völkischen Verständnis werden aufbrechende Geschlechtervorstellungen als große Gefahr wahrgenommen.

Neue Allianz mit Verschwörungsgläubigen wie „Querdenken“

Im Zuge der Coronavirus-Pandemie begannen auch vermehrt Verschwörungs-Propagandist:innen das Thema Trans und Gender zu entdecken , um so Ängste zu schüren. Auf dem Blog Gegneranalyse ist die Rede von einer „unerwarteten Allianz“, sowohl zwischen den Akteur:innen als auch beim Betrachten der Argumentationsmuster. Die Ablehnung von Gender und Trans innerhalb des rechtsradikalen Milieus wurde mit inhaltlichem Bezug zur Pandemie in Pandemieleugner:innen-Debatten überführt und mit Argumenten aus dem verschwörungsideologischen Umfeld angereichert und findet so einen neuen Weg in weitere Teile der Gesellschaft. 

Der vermeintliche Kinderschutz

Ein zentraler Begriff in dieser Debatte ist eine angeblich existente „Genderideologie“. Durch die Verwendung des Begriffes „Ideologie“ entstehen Assoziationen mit totalitären Systemen, was wiederum den Boden für Verschwörungsmythen bereitet. Eine Ideologie will jemand einführen, verbreiten, durchsetzen. Wer? Das erfüllt die Verschwörungsszene mit ahnungsvollem Raunen. Sehr häufig kommen die LGBTQ*-feindlichen Argumente als  vermeintlicher Kinderschutzes daher, auch bei den Pandemieleugner:innen. Die Rede ist dann von „Frühsexualisierung“ oder „Umerziehung“. In antifeministischer Manier wird hier die Sorge bereitet, dass die reine Existenz einer sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt oder Aufklärung zum Thema Jugendliche bedrohen könnte – oder sogar den Wunsch in ihnen wecken könnte, selbst queer zu leben.

Auch das homo- und transfeindliche Bündnis „Demo für alle“ schlägt in diese Kerbe. „Transgender“ sei „ein gefährlicher Hype, der unsere Kinder und Jugendliche bedroht“ behauptet das rechte Bündnis auf ihrer Website. Eine solche Argumentation ist natürlich nur möglich, wenn Transgeschlechtlichkeit nicht als Realität anerkannt wird, sondern wie eine Meinung erscheint, die man bewusst und willentlich an- oder ablegen könnte. „Demo für Alle“ war zunächst bei der „Zivilen Koalition e.V.“ angesiedelt, die von Beatrix von Storch mit ins Leben gerufen wurde. Seit jeher bezieht sich die extreme Rechte auf vermeintlichen Kinderschutz, um ihre diskriminierende Propaganda zu verbreiten und ihren Hass gesellschaftsfähig zu machen. Der vermeintliche Schutz der Kinder und Familien funktioniert hier als verbindendes Element von „Corona“ und „Gender“. Zu beobachten ist das auch an verschiedenen verschwörungsideologischen Elternorganisationen.

Verschwörungsideologien

Das Verschwörungsnarrativ einer angeblichen „Genderideologie“ wird im verschwörungsideologischen Umfeld von Querdenken etwa von Bodo Schiffmann bespeilt. Mitte Mai sprach etwa der „Schwindelarzt“  via Audio-Botschaft auf einer Querdenken-Demonstration in Hannover: „Frühsexualisierung und Transsexuelle-Gehirnwäsche sind das neue Ziel einer von jeder menschlichen Ethik entrückten selbsternannten Elite.“ Einige Impfgegner:innen behaupteten, dass mit dem Covid-Impfstoff die DNA verändert würde, um Menschen trans zu machen. Eine Elite wolle den sogenannten „Transgenderismus“ etablieren, um die Heteronormativität zu delegitimieren.

Cui bono?

Denkt man die verschiedenen Verschwörungserzählungen zu Ende, endet man meist da, wo man immer landet: bei den „bösen Juden“, die die Strippen in der Welt zögen. So würde etwa der jüdische Milliardär George Soros versuchen, große Teile der Menschheit in trans Personen umzuwandeln, wissen Verschwörungseinträge im Internet. Vor allem geht es aber um Männer, die eine Transformation zur Frau machen, oder gemacht haben. Soros und andere angeblich satanische Eliten, so die Verschwörungserzählung, wollen dafür sorgen, dass weiße Männer verweiblicht werden. Dahinter stecke angeblich die Idee der Ausrottung des weißen Volks, weil keine weißen Kinder mehr gezeugt würden. Diese Erzählung ist damit eingebettet in die rechtsextreme Verschwörungserzählung des „Großen Austausches“. Diese wahnhafte Ideologie besagt, dass „geheime Mächte“ daran arbeiteten, die völkisch-rassistisch definierte einheimische Bevölkerung auszutauschen. Dies geschehe einerseits über Migration und Fluchtbewegungen und andererseits über den „Volkstod“, vorangetrieben durch die sogenannte „Genderideologie“, weil durch homosexuelle und queere Personen kaum Kinder mehr gezeugt würden.  

Jürgen Elsässer schreibt in einem Text für das rechtsextreme Magazin Compact etwa von „Transhuman und transgender“ als Krieg der „Satanisten“ gegen den Homo sapiens. Er meint damit die Auslöschung der menschlichen Biologie. 

Reaktionäre Narrative halten Einzug in öffentliche Diskurse

Besorgniserregend ist auch, dass das Thema immer stärker Einzug in klassische Medien findet. So veröffentlichte beispielsweise die Welt Anfang Juni einen Artikel zum Thema, verfasst von fünf Wissenschaftler:innen: „Wie ARD und ZDF unsere Kinder sexualisieren und umerziehen“. Weil öffentlich-rechtliche Medien über geschlechtliche Vielfalt informieren oder sie auch einfach abbilden, wird hier vermutet, es sei die  vermeintliche „Transgender-Ideologie“ am Werke, die alle Kinder erst auf den Gedanken bringen wolle, Menschen könnte etwas anderes sein als heterosexuell. Die Biolog:innen und Mediziner:innen, die den Artikel verfassen, sehen darin eine „bedrohliche Agenda“, schüren also auch Ängste, dass Sexualität nicht angeboren, sondern erlernt sei, und so zu leicht zu manipulieren. Die vielen Menschen, die über Jahrhunderte aufgrund ihre Homo- oder Transsexualität verfolgt, verletzt oder ermordet worden sind oder sich umgebracht haben, weil sie gesellschaftlichen Geschlechterbildern nicht entsprachen, reichen ihnen als Gegenbeleg ihrer Auswahl-These nicht. 

Der Hass und die Hetze gegen trans Personen ist in Deutschland in allen rechten Lagern zu finden – von der AfD, über rechte, angeblich „alternative Medien“, rechtsextreme Troll-Communitys, Neonazi-Gruppen bis hin zu klassischen konservativenMedien. Und er scheint sich umso virulenter zu verbreiten, je mehr andere, größere Teile der Gesellschaft akzeptieren, dass jede:r lieben darf und leben darf, wie sie es möchten. 

Selbstbestimmungsgesetz 

Noch in diesem Sommer soll ein Gesetzesentwurf zur sexuellen Selbstbestimmung im Bundestag veröffentlicht werden. Demnach soll jeder Mensch selber über sein Geschlecht entscheiden können und entsprechende Änderungen im Ausweis ohne Entwürdigungen vornehmen können. Bisher müssen dafür zwei psychiatrische Gutachten eingeholt werden und betroffene Personen müssen dabei sehr intime Fragen beantworten, zum Beispiel zu ihrem Masturbationsverhalten. Die Gutachten kosten mehr als 1.000 Euro und das Verfahren dauert Monate. Schon jetzt machen deutsche Rechte und Fundamentalist:innen gegen den Gesetzesentwurf mobil. 

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