Der 1. Mai – der internationalen Tag, an dem sich vor allem Gewerkschaften für mehr soziale Rechte für Arbeitnehmer einsetzen – wird auch stets von der NPD und Kameradschaften für bundesweite Veranstaltungen genutzt. Insbesondere Hamburg-Barmbek am 1. Mai 2008 ist noch vielen im Gedächtnis: Hier waren es vor allem die Autonomen Nationalisten, die medial erstmals in dem Maße in Erscheinung traten und dabei ihre extreme Gewaltbereitschaft gegenüber ihren sogenannten „politischen Feinden“ (in Hamburg waren es Gegendemonstranten und Journalisten) offen zu Tage brachten.
Antisemitisches und rassistisches Verständnis von Antikapitalismus
Seit Jahren nutzen die Nazis den 1. Mai, um ihre Vorstellung der sozialen Frage zu propagieren. So greifen sie zwar soziale Missstände und existentielle Ängste in Bezug auf den Arbeitsmarkt in der Gesellschaft auf, münzen sie jedoch stets zugunsten ihrer rassistischen und antisemitischen Ideologien um. Die soziale Frage dient ihnen somit lediglich als Aufhänger für ihre menschenverachtenden Parolen. Das Perfide an der Strategie der extremen Rechten ist dabei, dass sie in den letzten Jahren immer seltener mit plumper rechter Propaganda, sondern vielmehr mit weniger verfänglichen Parolen auf die Straße gingen.
Auch in diesem Jahr versuchen sie auffällig unauffällig zu mobilisieren. In Mannheim und Bautzen wollen die Neonazis unter dem Motto „Wir arbeiten – Brüssel kassiert! Raus aus dem Euro!“ und in Bonn unter dem Motto „Finanzsysteme brechen – Knechtschaft überwinden“ aufmarschieren. Anhand dieser Slogans wird deutlich, wie sie die Finanzkrise und den Missmut in vielen Teilen der Gesellschaft über die Euro-Finanzhilfen für sich beanspruchen, um ihre rassistischen Ressentiments des „faulen Südländers“ und der „über ihre Verhältnisse lebenden Pleitegriechen“ nach außen zu transportieren. Mit den Aufmärschen wollen die NPD und die Kameradschaften ihr Verständnis von Antikapitalismus propagieren: Das heißt nichts anderes, als dieses Thema mit ihren rassistischen und antisemitischen Inhalten zu besetzen.
Nazi-Strategie der dezentralen Aufmärsche
In diesem Jahr sollen am 1. Mai mindestens neun Neonazidemonstrationen im ganzen Bundesgebiet stattfinden. Die Nazi-Szene hat sich also für eine Strategie der dezentralen Aufmärsche entschieden. Innerhalb der Szene ist diese Taktik nicht unumstritten, weil so die „eigene Schlagkraft“ durch die bundesweite Zerstreuung geschwächt werde. Wie es bisher aussieht werden Nazi-Demos in Berlin, Bonn, Neumünster, Mannheim, Bautzen, Neubrandenburg, Weimar, Wittstock und Hof stattfinden.
Breiter Protest und Widerstand gegen Rechts
Doch die Nazis werden nicht ungehindert durch die Städte ziehen können. Viele Initiativen werden sich am 1. Mai den Nazis in den Weg stellen. So formiert sich breiter Protest und Widerstand gegen die braunen Trittbrettfahrer der sozialen Frage am 1. Mai.
Hier ein Überblick:
Hof
Neonazis um das „Freie Netz Süd“ haben für den 1. Mai eine Demonstration im oberfränkischen Hof angemeldet. Beginn soll um 12 Uhr am Bahnhof sein. Die Neonazis werben unter anderem mit der Parole „Zeitarbeit abschaffen – Soziale Ausbeutung stoppen!“. Die Nazis erhoffen sich durch die Lage Hof – Stadt im Dreiländereck Bayern, Thüringen und Sachsen – einen regen Zulauf aus allen drei Bundesländern. Das Bündnis „HOF ist BUNT”, eine Gemeinschaftsaktion vieler Organisationen und Einrichtungen des Hofer Raums unter Federführung des DGBs, ruft zu Gegenprotesten auf, will aber noch mehr Menschen erreichen. Zu diesem Zweck organsiert die DGB Region Schweinfurt-Würzburg für die Bündnisse „Schweinfurt und Würzburg sind bunt“ einen Bus nach Hof, um sich mit den Bürger*innen in Hof zu solidarisieren.
Neumünster
Der geplante NPD-Aufmarsch in Neumünster am 1. Mai wird als Höhepunkt des diesjährigen Wahlkampfes zu den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein am 6. Mai gewertet und innerhalb der Szene entsprechend beworben. Sie wollen Neonazis aus ganz Norddeutschland mobilisieren. Daher ist es wichtig, sich dem braunen Mob entschlossen entgegenzustellen. Das Bündnis „Bunt statt braun“ plant viele Aktionen gegen diese Wahlkampfoffensive der NPD, unter anderem ein Konzert „Rock gegen Rechts“. Auch die Amadeu Antonio Stiftung ist bei dem breit angelegten Protest gegen den geplanten Naziaufmarsch, mit einem eigenen Informationsstand am 1. Mai vor Ort.
Bautzen
Auch „Bautzen l(i)ebt Bunt“ und ruft zu einem breiten Protest gegen den geplanten Naziaufmarsch auf. Die Stadt Bautzen hat einen Aufruf für Zivilcourage verfasst.
Bonn
Die Neonazi- Demonstration in Bonn wird von „parteifreien Kräften„ organisiert. Ein Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften, antifaschistischen Initiviativen und Einzelpersonen stellt sich quer.
Mannheim
Auch in Mannheim wollen Neonazis auf die Straße gehen. Das Bündnis „Mannheim gegen Rechts„ möchte gegen diesen Aufzug protestieren.
Neubrandenburg
In Neubrandenburg wollen die Nazis ihre rassistische Propaganda unter dem Motto „Leben und Arbeiten in der Heimat“ am 1. Mai verbreiten. Doch „Neubrandenburg Nazifrei“ will sich das nicht bieten lassen und ruft zu Gegenprotesten auf.
Weimar
Neonazis wird es am 1.Mai auch nach Weimar verschlagen. Ein Bündnis und eine antifaschistische Gruppe wollen den Nazis den Tag vermiesen.
Wittstock
Die Stadt Wittstock möchte mit einem Stadtfest gegen einen Aufmarsch von Neonazi protestieren. Auch auf Facebook wird für verschieden Aktionen am 1. Mai geworben.
Berlin
In Berlin hat die NPD auf den letzten Drücker drei (!) Kundgebungen am 1. Mai angemeldet, 12-16 Uhr.
Die erste Kundgebung ist von 12 bis 12.45 Uhr an der Stendaler-, Ecke Quedlinburger Straße geplant.
Die zweite Kundgebung soll es von 13.15 bis 14 Uhr an der Cecilien-, Ecke Tollensestraße in Kaulsdorf Nord geben.
Die dritte Kundgebung ist von 14.30 bis 15.30 Uhr an der Zingster-, Ecke Falkenberger Chaussee in Neu Hohenschönhausen geplant.
Nazis keinen Meter überlassen
Der 1. Mai wird dieses Jahr wohl ein sehr anstrengender Tag. Wie die kurzfristige Anmeldung in Berlin zeigt, müssen die weiteren Entwicklungen noch abgewartet werden. Durch die diesjährige dezentrale Strategie von Naziaufmärschen ist viel zu tun. Insofern lässt sich nur noch sagen: Am 1. Mai ist überall protestieren angesagt. Also seid dabei, um den menschenverachtenden Ideologien der Nazis keinen Meter auf der Straße zu überlassen!
Anna Brausam
Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).