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Rechtsextreme in den Sicherheitsbehörden Polizisten drohen als „NSU 2.0“ einer NSU-Opferanwältin

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Polizeigewalt in Fulda

Als Nebenklageanwältin hatte sich Seda Basay-Yildiz für die Opfer des mordenden Terrornetzwerkes NSU eingesetzt. Aber auch den mutmaßlichen Bin-Laden-Leibwächter Sami A. verteidigte die Rechtsanwältin. Anfeindungen von rechts gehören für sie also zum Alltag. Doch die Drohungen die sie am 2. August, knapp drei Wochen nach dem Schuldspruch gegen Beate Zschäpe und die anderen Mitangeklagten, via Fax erhielt, hatten eine andere Qualität. In dem Schreiben, das an ihre Frankfurter Kanzlei ging, heißt es unter anderem:

„Miese Türkensau! […] Verpiss dich lieber, solange du noch lebend rauskommst, du Schwein! Du machst Deutschland nicht fertig. Als Vergeltung […] schlachten wir deine Tochter“ – „NSU 2.0“

Obwohl Basay-Yildiz schon einiges gewohnt ist, hat diese Drohung eine andere Qualität. In diesem Schreiben wird ihre zweijährige Tochter mit dem Leben bedroht. Unterzeichnet ist die Morddrohung mit „NSU 2.0“. Basay-Yildiz informierte die Polizei und erstattete Anzeige.

Als die Ermittler*innen begannen das Schreiben zurückzuverfolgen, stießen sie auf eine brisante Spur: Erst vor kurzem war die als geheim eingestufte  private Adresse der Anwältin ohne ersichtlichen Grund im Polizeisystem abgerufen worden. Die Adresse von Basay-Yildiz wurde im Drohschreiben explizit genannt. Die Spur führte die Ermittler*innen zu einem Computer einer Beamtin in Frankfurt. Nachdem die Ermittler*innen des Staatsschutzes die Festplatte und das Handy der Polizistin beschlagnahmten, stießen sie bei der Auswertung auf eine Chat-Gruppe mit vier weiteren Polizeibeamten. In diesem WhatsApp-Chat sollen sie rege rechtsextreme und volksverhetzende Inhalte ausgetauscht haben. Auch bei den vier Kollegen wurden die Büros und Privaträume durchsucht und Telefone und Computer sichergestellt.

Alles Einzelfälle?

Dieser Skandal innerhalb der Polizei ist ein weiterer trauriger Höhepunkt rechtsextremer Bestrebungen innerhalb des Polizeiapparats. Man fragt sich nun, ob das Einzelfälle sind oder nur die Spitze des Eisberges. Um die Erinnerung aufzufrischen hier eine kurze, bei weitem nicht vollständige, Erwähnung von rechtsextremen Ausfällen innerhalb des deutschen Sicherheitsapparats der vergangenen zwei Jahre:

Der Fall Franco A.

Der Bundeswehrleutnant Franco A. hat mit dem Oberleutnant Maximilian T. (mittlerweile für die AfD im Bundestag tätig) und dem Studenten Mathias F. offenbar geplant Personen des öffentlichen Lebens anzugreifen. Auf einer „Todesliste“, auf welche die Ermittler*innen im Zuge ihrer Untersuchung 2017 gestoßen sind, waren unter anderem Joachim Gauck, Heiko Maas, die Künstlergruppe „Zentrum für politische Schönheit“ und die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane, genannt. Dazu hatte sich Franco A. unter einer fiktiven Identität eines syrischen Geflüchteten als Asylsuchender registrieren lassen. Auf diese Weise wollte das Terror-Trio nach den Anschlägen den Verdacht auf in Deutschland erfasste Asylbewerber*innen lenken. Die drei planten, ihre Taten als radikal-islamistische Terrorakte aussehen zu lassen. Wegen „Unstimmigkeiten“ und weil keine Fluchtgefahr bestehe, sind alle drei Beschuldigten wieder auf freiem Fuß. Bereits Jahre vor dem Auffliegen dieser Zelle fiel Franco A. wegen einer zutiefst rassistischen und antisemitischen Masterarbeit auf – Seiner Karriere innerhalb der Bundeswehr hatte das allerdings nicht geschadet.

MAD-Offizier soll Franco A. über Ermittlungen informiert haben

Im Fall Franco A. muss sich nun ein Offizier des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) vor Gericht verantworten. Der Vorwurf gegen ihn lautet Geheimnisverrat. Er soll Personen aus dem Umfeld von Franco A. vor bevorstehenden Ermittlungen des Generalbundesanwalts im September 2017 gewarnt haben. Der Mann sei bei dem Militärnachrichtendienst Ansprechpartner für das Bundeskriminalamt (BKA) und den Generalbundesanwalt gewesen.  

Das Hannibal-Netzwerk

Recherchen der „taz“ legten im November 2018 ein rechtsextremes Untergrundnetzwerk offen, in dem auch Soldat*innen, Reservist*innen, Personen der Eliteeinheit KSK, Beamt*innen und Mitarbeiter*innen des Verfassungsschutzes aktiv gewesen sein sollen. Ähnlich wie bei Franco A. soll auch dieses Netzwerk  „Todeslisten“ von linken Politiker*innen und Aktivist*innen geführt haben, die an einem „Tag X“ hingerichtet werden sollten. An jenem bürgerkriegsähnlichen „Tag X“ sollten die Mitglieder des Netzwerkes ihre Uniformen anziehen, um damit potentiellen Absperrungen zu umgehen, um dann die Zielpersonen zu Hause abzuholen. „Den abzuholenden Personen wird zunächst gesagt, sie würden wegen des Notfalls in Sicherheit gebracht. Sie werden in LKWs eingeladen, an einen bestimmten Ort gefahren – und dort erschossen. Das war wohl der Plan“, so die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Die Linke) in einem Interview mit „Jungle World“.  Ein Polizeibeamter, der Teil der Gruppe gewesen sein soll und inzwischen nicht mehr im Dienst ist, hat ausgesagt, dass er über seinen Zugang beim Landeskriminalamt (LKA) auf Melderegister zugegriffen hat, um konkrete Ziele auszuspähen.

Rassismus in der Polizeischule

An einer Polizeifachschule in Leipzig sollen Schüler*innen in einer internen Chatgruppe rassistische Nachrichten verfasst haben. Ein Schüler hielt es in diesem rassistischen Umfeld nicht länger aus und brach seine Ausbildung daraufhin ab. Der Ex-Polizeischüler berichtet, dass sich auch einige Ausbilder der Polizei rassistisch geäußert hätten. Einer habe etwa sinngemäß gesagt: „Wo wir jetzt so viel Besuch in Deutschland haben, müsst ihr gut schießen lernen.“

„Einzelfälle“ aus Bayern

Recherchen von „BR“ haben extrem rechte Mitarbeiter bei bayerischen Sicherheitsbehörden ans Licht gebracht: Ein Polizist, der den Online-Shop einer rechtsextremen Vereinigung betreibt, ein Staatsschutzbeamter, der auf Facebook und in seinem eigenen Blog über die Bundesregierung herzieht und deutsche Politiker*innen als Gauner, Verbrecher und Lügenbolde bezeichnet. Ein Bundeswehroffizier, der bei der rechtsextremen Identitären Bewegung mitmischt, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird.  

SEK-Beamte mit dem Decknamen Uwe Böhnhardt

Zwei SEK-Beamte aus Sachsen, wurden im Herbst 2018 zur Begleitung des Erdogan-Besuchs nach Berlin geschickt. Die beiden Polizisten waren für die Erstellung einer Tarnnamenliste verantwortlich, auf der dann der Name des NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt eingetragen wurde.  

Militär und Polizei besonders attraktiv?

Es stellt sich die Frage, ob Sicherheitsbehörden Personen mit rechtsextremen Einstellungen besonders anziehen. In Institutionen wie dem Polizeiapparat und der Bundeswehr seien Rassismus, Sexismus und Militarismus kein Hindernis, sondern oft sogar unterschwellig einstellungsförderlich, meint dazu Martina Renner. „Man begibt sich in männerbündische Strukturen mit ausgeprägtem Korpsgeist. Dort gehören autoritäre und rechte Ansichten zum guten Ton. Allen Lippenbekenntnissen zur Demokratisierung zum Trotz hat sich daran nie grundlegend etwas geändert.“

Die Mär des „einsamen Wolfs“ und der „Einzelfälle“

Eine häufige Reaktion auf das Aufdecken rechtsextremer Netzwerke oder Umtriebe beim Bund oder bei der Polizei, ist es, die Personen als „einsame Wölfe“ abzustempeln und sie als „Einzelfälle“ zu deklarieren. Das ist fatal und wird der tatsächlichen Bedrohung durch eben diese Leute nicht gerecht. Geht es doch bei Polizei und beim Militär um Personen, die das Wissen über paramilitärische Kämpfe haben, geübt im Umgang mit Schusswaffen sind und im schlimmsten Fall zu Hause einen Schrank voller Schusswaffen haben. Von solchen Rechtsextremen geht definitiv eine Gefahr aus.

Die ganzen offenen Fragen und verschwundenen Akten rund um den NSU haben das Vertrauen in die Ermittlungsbehörden zerrüttet. Die Ermittlungen im NSU-Komplex haben auch gezeigt, dass bei der Polizei offenbar viele Menschen arbeiten, die die Augen vor Rassismus und rechtsextremer Gewalt verschließen. Nur mit einer umfassenden Aufklärung der Vorfälle in Frankfurt innerhalb des Polizeiapparats wird sich das gesamte Ausmaß zeigen. Nur mit einer konsequenten Aufarbeitung dieses Falles kann einer weiteren Untergrabung des Vertrauens in die Polizei entgegen gesetzt werden.

Darüber hinaus bedarf es nun endlich einem konsequenten Zeichen gegen Rassismus innerhalb der Sicherheitsbehörden. Wir müssen uns auch fragen, wie es Menschen mit solchen Nachrichten geht, die potentiell von Rassismus betroffen sind. Bei Migrant*innen und Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte ist das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden, aufgrund eigener Rassismus-Erfahrungen auch durch Polizist*innen, ohnehin nicht all zu hoch.

„Die Polizei, dein Freund und Helfer“? Das ist für viele Migrant*innen wohl eher ein Lippenbekenntnis. Und nach solchen Nachrichten wie einem NSU 2.0 innerhalb der Polizei, der Morddrohungen an eine türkischstämmige Anwältin verschickt, dürfte das so schnell nicht besser werden.

 

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