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Rechtsextreme Strukturen „Die NPD will keine Politik machen“

www.mut-gegen-rechte-gewalt / hk / Fotos: Schwab

Die NPD verfolgt im kommunalen Raum erfolgreiche Strategien. Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus positionieren, haben es oft schwer, wo der Nazi, der die Demokratie abschaffen will, zugleich der zuvorkommende Nachbar oder zupackende Sporttrainer ist. Wie es trotzdem funktionieren kann, diskutierten Interessierte am 3. Juni 2009 beim Salon „NPD und Kommunalpolitik“ des Projektes „Lola für Lulu“ der Amadeu Antonio Stiftung in Ludwigslust.

Ein Grund für die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in Ludwigslust stand mit trotzig vor der Brust verschränkten Armen vor dem historischen Rathaus und musterte mit finsterer Miene die Besucherinnen und Besucher, die im Rathaus zur Veranstaltung „NPD und Kommunalpolitik“ strömten: NPD-Stadtvertreter Klaus Bärthel. Als Mitglied einer verfassungsfeindlichen Partei hatte er sich für die Teilnahme an der Informations- und Diskussionsveranstaltung für Demokrat*innen selbst disqualifiziert.

Die Episode illustrierte, wie Kampf gegen Rechtsextremismus ist, wenn sich – wie im ländlichen Raum gegeben – alle Akteure kennen. Zumal die NPD sich nicht scheut, diese Vertrautheiten, die auch Befangenheiten vermitteln, auszunutzen und zu instrumentalisieren. „Deshalb müssen wir immer wieder die Wahrnehmung schulen für rechtsextreme Präsenz im Alltag“, meinte Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung. „Statt leicht erkennbarer Sturm-und-Drang-Nazis haben wir es jetzt mit rechtsextremen Familien zu tun, die sich in der Schule engagieren und mit denen auch Gerichte und Familienhilfe einen Umgang finden müssen.“

Debatte mit Sellering

Auf Einladung des Projektes „Lola für Lulu – Frauen für Demokratie im Landkreis Ludwigslust“ war auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) zum Salon gekommen und appellierte an die anwesenden Engagierten und Politiker*innen, nicht nachzulassen im Werben für Demokratie: „Politik und Bürger müssen und können nur gemeinsam etwas ändern.“ Der Staat könne gegen rechtsextreme Umtriebe vorgehen, Polizisten und Richter schulen und Bürgermeistern den Rücken stärken. Aber ohne Menschen, die vor Ort demokratische Kultur leben, nütze das wenig. „Die NPD will keine Politik machen! Sie verbreitet Parolen, um den Staat und die Demokratie abzuschaffen. Wir müssen die Parolen wiederlegen“, sagte Sellering. Neben starken Bürgern sieht er aber auch einen starken Staat in der Pflicht: „ Ich will ein NPD-Verbot. Die Partei ist verfassungsfeindlich“, so der Ministerpräsident. Auch sicherte er Beratungsprojekten gegen Rechtsextremismus eine längerfristige Existenz zu.

Als Expertin referierte Gudrun Heinrich von der Universität Rostock darüber, was die NPD so erfolgreich macht. Sie wies darauf hin, dass es für Angebote der rechtsextremen Szene eine offensichtliche Nachfrage gibt, auf die Demokraten sich Antworten einfallen lassen müssen. Viele Menschen erlebten wirtschaftliche und private Entwurzelung, suchten nach einfachen Antworten, wollen Protest ausdrücken, suchen nach Identität, wünschen sich Zugehörigkeit. Aber: „Viele sind auch einfach der Überzeugung, dass Rechtsextremismus richtig ist.“ Ihre Schlussfolgerung für den Umgang mit Rechtsextremen: Aufklärung allein reicht nicht, denn die Wähler sind nicht alle „geblendet“. Wichtig sei eine Stärkung der Konfliktfähigkeit und Urteilsfähigkeit bei den Demokraten, der Mut, zu diskutieren und komplexe Probleme zu beurteilen: „Denn die Demokratie ist stärker. Und sie ist richtig. Wir haben etwas zu verteidigen.“

NPD verfolgt Ziel der gesellschaftlichen Akzeptanz

Karl-Georg Ohse vom RAA Regionalzentrum für demokratische Kultur Ludwigslust fasste konkret zusammen, wie die NPD ihr Ziel der gesellschaftlichen Akzeptanz verfolgt: Durch disziplinierten Imagewandel und Gewaltverzicht, strategische Vernetzung und Basisarbeit im sozialen Engagement vor Ort. „Durch die Strategie der gesellschaftlichen Verankerung können sie im Alltag Fuß fassen, die Meinungsbildung beeinflussen, neue Anhänger gewinnen – vor allem durch die soziale Anerkennung als Person“, so Ohse. Die Rechtsextremen seien zum temporären Ausklammern ihrer Ideologie bereit, agierten langfristig nach geschickter Planung und passgenau zu Problemlagen vor Ort: „Jedes Thema ist ein potenzielles Aktionsfeld für Rechtsextremismus“. Die Beispiele von Biolandbau-Debatte über Diebstähle in Kleingartenkolonien bis zur Tafel für Wittenburg belegten dies.

Eine, die dem Rechtsextremismus im eigenen Umfeld entgegentritt, ist Pastorin Maria Harder aus der evangelisch-lutherischen Gemeinde Gammelin-Warsow. Sie engagiert sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus in der Region: „Denn für mich verpflichtet das christliche Menschenbild, sich gegen Rechtsextremismus zu engagieren. Das passt einfach nicht zusammen.“ In ihrer Gemeinde sieht das allerdings bei weitem nicht jeder so: „Die müssen sich dann mit mir streiten. Und ich mich mit ihnen.“ Wie etwa, als die Pastorin und andere Engagierte den Ort aufrüttelten, als ein Rechtsextremer in Bakendorf ein großes Rechtsrock-Event veranstalten wollte: „Da hat mich ein Gemeindemitglied hinterher gefragt, ob wir denn die Jugendlichen gefragt hätten, ob die nicht vielleicht das Konzert gern gesehen hätten“, sagt die Pastorin und schüttelt energisch den Kopf. „Da habe ich gesagt: ‚Wir haben hier einen Erziehungsauftrag, unsere Kinder vor Demokratiefeinden zu schützen!’“

Während der Protest gegen das Rechtsrockkonzert in Bakendorf allerdings ein Erfolg war, der viele Demokraten im Ort bestärkt hat, spürt Harder mehr Probleme, wenn der Rechtsextremismus unorganisiert und spontan auftritt. „In Warsow hatten wir einen Vorfall, da sind Leute aus dem Ort, Handwerker, Angestellte, mit Baseballschlägern ins Haus einer türkischen Familie vorgedrungen und haben gedroht, sie würden bestimmen, wie lange die Türken im Ort bleiben dürfen. Eine Woche später gab es einen Brandanschlag auf das Haus“, erzählt Harder. Die türkische Familie zog daraufhin fort – und im Ort wollte keiner mehr etwas davon wissen, auch wenn viele Augenzeugen das Geschehen verfolgt hatten. „Viele im Ort haben die Rassisten bestätigt gesehen“, sagt Harder, „nach dem Motto: die Türken sind ja weggegangen. Die haben ja wirklich gestört. Wir haben gewonnen.“ Deshalb sieht sie es als ihre Verpflichtung, auch auf der Kanzel solche Vorgänge zu thematisieren und in der Gemeinde aktiv zu sein: „Oft brauchen Menschen, die etwas machen wollen, die Autorität einer Institution, die ihnen den Rücken stärkt.“

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

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