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Rechtsextremer Anwalt, Scharnierfigur und Finanzier Jürgen Rieger ist tot

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Mit Jürgen Rieger verliert die rechtsextreme nicht nur einen hemmungslosen NS-Verherrlicher, Holocaustleugner und neuheidnisch argumentierenden Rassisten, sondern vor allem einen wichtigen Strippenzieher im Dienst der rechtsextremen Sache.

Als Rechtsanwalt, der immer schlau genug war, seine Zulassung (trotz mehrfacher Vorstrafen u.a. wegen Volksverhetzung und Körperverletzung) zu behalten, verteidigte er Neonazis aller Art, von Szeneprominenz wie Christan Worch, Horst Mahler oder Ernst Zündel über rechtsextreme Bands wie Kraftschlag. Ab Montag wollte er die Neonazi-Band „Kommando Freisler“ vor dem Amtsgericht Herzberg verteidigen.

Wichtiger noch war Rieger allerdings als Finanzier und Geldmaschine der rechtsextremen Szene. Rieger gelang es, unter anderem als Nachlaßverwalter von Altnazis und durch Aktien- und Immobiliengeschäfte, zahlreiche Gelder für die neonazistische Sache zu akquirieren. So soll etwa der Bremer Lehrer Wilhelm Tietjen, einstiges NSDAP-Mitglied, Rieger über eine Million Euro vermacht haben – unter der Bedingung, damit Fruchtbarkeitsforschung zu betreiben.

Jürgen Rieger besaß zahlreiche Immobilien, die er für Veranstaltungen der rechtsextremen Szene zur Verfügung stellte, als „Schulungszentren“ auszubauen gedachte oder auch gestaltete oder, wie zuletzt in Wolfsburg, als „Museum“ zur NS-Verherrlichung verwenden wollte. Neben einem Landgut in Schweden handelt es sich mindestens um ein ehemliges Hotel in Pößneck, ein Haus in Hummelfeld (bei Eckerförde), einen ehemaligen Kinokomplex in Hameln und Häuser in Hamburg, Hannover und im Landkreis Schaumburg. Um den „Heisenhof“ in Dörverden, den Rieger zur rassistisch motivierten „Fruchtbarkeitsforschung“ verwenden wollte, ist der Rechtsstreit noch nciht beendet. Zuletzt wollte Rieger in Faßberg bei Celle ein ehemaliges Hotel erwerben und in einer leerstehende Halle in Wolfsburg ein „Kraft durch Freude“-Museum eröffnen.

Als unverfrorener und wenig zügelbarer NS-Verehrer und Rassist hatte Jürgen Rieger zeitlebens gute Kontakte zu den rechtsextremen „freien Kameradschaften“ und ihren Sprecherfiguren, insbesondere Thomas „Steiner“ Wulff.

Ab 2006 beschloss er, seinen Vorbildcharakter für Jungnazis in den Dienst der NPD zu stellen und trat in die rechtsexteme Partei ein, in der Rieger und seine rückwärtsgewandten Thesen allerdings nicht unumstritten waren. So erhielt der prominente Neuzugang trotzdem erst einmal nur das „Referat Außenpolitik“ im Parteivorstand, bevor er 2008 als stellvertretender Parteivorsitzender gewählt und beim NPD-Bundesparteitag 2009 bestätigt wurde. Die NPD hatte an Rieger allerdings nicht allein wegen seiner Kontakte zu den unorganisierten Nazis Interesse. Vor allem gab er chronisch klammen Partei etliche Finanzspritzen und „Darlehen“ – so sollen es etwa im Jahr 2006 eine „Finanzhilfe“ von 295.000 Euro für die Unterstützung des Landtagswahlkampfes 2006 in Mecklenburg-Vorpommern plus 150.000 Euro Kredit und 75.000 Euro als Spende gewesen sein.

Jürgen Riegers Steckenpferd waren zudem neuheidnische Glaubensideen, die er im Sinne einer ausgeprägten „Rassentheorie“ interpretierte. Er rief die sektenartige neuheidnische „Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V“ ins Leben. Desweiteren war er federführend bei kleineren Organisationen wie dem NS-apologetischen „Nordischen Ring“, der rassistischen „Gesellschaft für biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung“, oder dem harmlos klingenden „Mütterdank“.

Reaktionen

Die „Artgemeinschaft“ stellte eine Todesrune und ein Gedicht auf ihre Internetseite, das des „Toten Tatenruhm“ beschwört. In zahlreichen rechtsextremen Internetforen wünschen Anhänger Rieger den Einzug nach „Walhalla“. „Kahlkopf“ etwa meint dort: „Möge Odin ihm einen Platz am Tisch der bereits gegangenen Kameraden geben!“

Auch zahlreiche Verschwörungstheorien zum Tod(mit Tamiflu vergiftet, „vermöllemannt“ (Möllemann, Haider, Leichsenring seien vom „Geheimdienst“ ermordet worden“), „System“ schaltet Geräte ab, Mossad) werden dort verbreitet, aber auch widersprochen.

Der NPD-Parteivorsitzende Udo Voigt nennt Rieger auf der parteieigenen Website wenig inspiriert als „ein Fels in der Brandung unserer stürmischen Zeit“ und „einen politischen Kopf und einen Kameraden“. Neonazi-Führer Christian Worch findet das pathetische Bild „Ein Riese ist gefallen“.

Jürgen Rieger dürfte in seinen vielfachen Funktionen für die NPD und die Neonazi-Szene schwer zu ersetzen sein. Spannend wird zweifellos – für Nazis wie demokratische Gesellschaft – was mit Riegers Erbe geschieht. Rieger hatte eine Lebensgefährtin und vier Kinder. Diese teilen seine politische Einstellung offenbar nicht. Thomas Wulff formuliert es auf der NPD-Webseite so: „die, wenn auch politisch gänzlich unabhängig von ihrem Vater, diesen niemals verraten haben.“ Auch der Verfassungsschutz bestätigte dies der Süddeutschen Zeitung. Die Sprecherin des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Marion Brandenburger, schätzt darüber hinaus ein : „Einen eindeutigen Nachfolger mit ähnlichen finanziellen Möglichkeiten sehen wir nicht.“

Auf Jürgen Riegers Internetseite schreibt die Familie: „Bezeichnend für ihn war seine leidenschatliche Liebe zu Deutschland.“ Dass sie jetzt noch andere Sorgen hat als andere Familien nach dem Tod des Vaters zeigt ein Interview, dass Riegers ältester Sohn der Nachrichtenagentur dpa gab. Da die Familie nicht wolle, dass sein Grab eine Pilgerstätte der rechtsextremen Szene werde, werde nun an eine Feuer- oder Seebestattung gedacht.

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