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Rechtsextremismus im Internet Soziale Netzwerke beliebt – und es gibt sogar 93 Nazi-eigene

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Die Zahlen, die Stefan Glaser von Jugendschutz.net auf der Pressekonferenz in Berlin präsentiert, sprechen eine deutliche Sprache: Die Zahl beobachteter rechtsextremer Websites ist um rund 10 Prozent gestiegen – von 1.707 im Jahr 2009 auf 1.872 im Jahr 2010 (bis August). Die Zahl rechtsextremer Postings in Sozialen Netzwerken – Diskussionsbeiträge und Twitter-Accounts, Videos und Musikdateien, Gruppengründungen und Profile entwickelte sich im vergangenen Jahr ungleich rasanter: von 2.000 beobachteten Postings 2009 stieg die Anzahl auf über 6.000 schon im August 2010. Und dies sind nur die Beiträge, die Jugendschutz.net im Monitoring beobachtet hat. Die wirkliche Zahl liegt bei weitem höher. „Je länger man in sozialen Netzwerken recherchiert, desto mehr findet man“, sagt Projektleiter Stefan Glaser, „das hört gar nicht mehr auf.“

Internet als bestes Propagandamedium

Jugendschutz.net ist ein Projekt der Bundeszentrale für politische Bildung und der länderübergreifenden Kommission für Jugendmedienschutz, das Jugendschutzverstöße im Internet beobachtet, Verstöße verfolgt und die Löschung der jugendgefährdenden Inhalte vorantreibt. Im Jahr 2000 begann das Monitoring von Jugendschutz.net im Bereich Rechtsextremismus im Internet. Heute, sagt Glaser, sei das Netz das Propagandamedium schlechthin für die rechtsextreme Szene, um sich zu vernetzen und Jugendliche anzusprechen. Materialien werden verbereitet, für Events und Aktionen mobilisiert – oft über alle Kanäle, die das Internet bietet. Rechtsextreme CDs etwa gibt es nicht länger nur auf der Website des rechtsextremen Versandhandels, sondern auch als einzelne Songs bei auf dem Videokanal Youtube oder der Musikcommunity MySpace. Von dort werden die eingestellten Inhalte in Soziale Netzwerke wie Facebook oder Schueler.cc weiterverbreitet – und erreichen so viel leichter Jugendliche außerhalb der Szene als auf jedem anderen Weg.

Rechtsextreme Infrastruktur wächst

Andererseits interessant: Weil sich immer mehr Provider gegen Rechtsextremismus positionieren – eben auch durch die Arbeit von Jugendschutz.net und Partnerorganisationen im aller Welt – baut die rechtsextreme Szene auch ihre eigene Internet-Infrastruktur aus, um sich zu vernetzen. So zählte Jugendschutz.net etwa 2010
– 107 Blogs beim rechtsextremen Szeneanbieter logr
– 13 Neonazi-Provider, bei denen 248 Neonazi-Seiten liegen (2009: 181)
– 18 rechtsextreme Online-Radios
– 93 rechtsextreme Communities (2009: 37)

Viele Inhalte verbreiten zwar Aufrufe zu Hass und Gewalt, sind aber gesetzlich nicht angreifbar

Zwei Drittel der Websites mit neonazistischen Inhalten wurden übrigens aus der organisierten rechtsextremen Szene ins Internet gestellt, ein Drittel von Privatpersonen. 67 Prozent der beobachteten Angebote liegen auf deutschen Servern, und das können sie strafrechtlich auch: nur bei etwa einem Fünftel der beobachteten Websites sind die Inhalte strafrechtlich anfechtbar. Gerade diese Inhalte liegen dann gern auf ausländischen Servern, etwa in den USA. Auch angesichts der Tatsache, dass etwa 81 Prozent der Inhalte, um die Jugendschutz.net sich kümmert, gelöscht werden, die Zahl der rechtsextremen Websites aber unvermindert hoch ist, zeigen, dass repressive Maßnahmen im Internet nicht das erfolgsversprechende Allheilmittel sind.

Jugendliche im Visier

Hauptzielgruppe der beobachteten rechtsextremen Websites sind nach wie vor Jugendliche, was sich im Einsatz entsprechender bunter Gestaltung, Videos und Weblogs, aber auch an Lifestyleangeboten wie Sprühschablonen und Themen wie Kinderarmut oder Kindesmissbrauch manifestiert. Zum Teil wenden sich Angebote sogar explizit an Kinder: So gab es ein rechtsextremes CD-Projekt „für Kinder von 3 bis 8 Jahren“, dass bekannte Kinderlieder mit antisemitischen und rassistischen Texten vertonte, die zu Mord und Gewalt aufrufen – natürlich waren die Songs auch auf Youtube, aber auch im Netzwerk schueler.cc zu finden.

Allerdings fehlen nach wie vor Erkenntnisse, ob es dank dieser Gestaltung auch gelingt, außenstehende Jugendliche anzusprechen oder lediglich, Jugendliche in der Szene in ihren Einstellungen zu festigen. 44 Websites mobilisierten 2009 zu Events und Kampagnen der Szene. 336 Websites kamen 2009 aus dem Kameradschaftsspektrum (2008: 321), davno sind 92 (im Vorjahr 100) „Autonomen Nationalisten“ zuzurechnen.

Auch beim Handel mit rechtsextremen Produkten spielt das leicht zugängliche Internet als Vertriebsweg weiter eine wichtige Rolle. 2009 brachten 177 rechtsextreme Verkaufsplattformen Neonazi-Zubehör an Mann und Frau (2008: 170). Strafbare, offen volksverhetzende Schriften oder nationalsozialistische Devotionalien bieten vor allem Versände auf ausländischen Servern.

Was tun?

Im Endeffekt müssen alle zusammenarbeiten, um Rechtsextremismus im Internet einzudämmen, sagt Thomas Krüger, Leiter der Bundeszentrale für politische Bildung auf der Pressekonferenz in Berlin: Userinnen und User, Beratungs- und Informationsangebote, Internetwirtschaft und Strafverfolgung. Jugendschutz.net arbeitet mit der Polizei zusammen, um Täter zur Verantwortung zu ziehen, bewegt Communities und Provider zur Löschung rechtsextremer Inhalte und versucht, Schülerinnen und Schüler mit medienpädagogischer Arbeit für die Gefahren rechtsextremer Einstellungen im Internet zu sensibilisieren. Aber letztendlich, sagen Glaser und Krüger, geht es nicht ohne Netzaktivisten, die sich für Demokratie in ihrem Medium einsetzen.

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Mehr im Internet:

Info-Website von Jugendschutz.net:
| www.hass-im-netz.info
| Die Ergebnisse des Monitorings 2009 als PDF

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