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Rechtsextremismus im Saarland

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Die Fragen beantwortete Ullrich Clemens vom BIFOR – Bildungs- und Forschungsnetzwerk Saar-Lor-Lux.

Wie sieht Rechtsextremismus im Saarland derzeit aus?

In den letzten zwei Jahren gab es in der rechtsextremen Szene im Saarland große Veränderungen. Die freie Kameradschaftsszene, die im Saarland jahrelang bestimmend war, hat stark an Bedeutung verloren. Das liegt vor allem an einem Generationenbruch: Einige führende Kader haben sich aus der Szene zurückgezogen und treten jetzt nicht mehr öffentlich in Erscheinung. Die Lücke, die sie hinterlassen haben, konnte noch nicht durch jüngere Aktivisten gefüllt werden.

Enge Verbindungen gibt es zwischen der rechtsextremen Szene im Saarland und in Rheinland-Pfalz, die sich in gemeinsamen Veranstaltungen und Konzerten niederschlägt.

Welche sind die wichtigsten Organisationen?

Da es aktuell keine bedeutende Kameradschaft mehr im Saarland gibt, hat die NPD, die jahrelang im Saarland eher sekundär war, an Bedeutung gewonnen, einfach, weil sie jetzt die einzige nach außen sichtbare Vertretung der rechtsextremen Szene ist. Allerdings war sie bisher mit der deutschlandweit gefahrenen Doppelstrategie ? einerseits die militante rechte Szene einbinden, andererseits nach außen bürgerlich auftreten ? im Saarland nicht sehr erfolgreich. Die NPD besteht im Saarland nur aus einer kleinen Gruppe von Menschen rund um den Vorsitzenden Frank Franz. Sie hat im Vergleich zu anderen Bundesländern weniger aktive Unterstützung aus der Neonazi-Szene. Sie kann damit nicht so flächendeckend aktiv sein, wie sie es in früheren Jahren noch war.

Welche aktuellen Trends und Strategien beobachten Sie?

Obwohl die Bundes-NPD ja selbst betont hat, 2009 einen Focus auf das Saarland legen zu wollen, passiert hier im Wahlkampf nicht besonders viel. NPD-Generalsekretär Peter Marx kam ein paar Mal vorbei, aber der Wahlkampf erfolgt sehr punktuell in den Städten und Regionen, wo die NPD ihre Hochburgen hat ? vor allem in Völklingen und Teilen von Saarbrücken. Aber selbst da kann sie nur wenige Menschen rekrutieren ? für Saalveranstaltungen müssen schon immer Kader und Anhänger und Anhängerinnen aus Rheinland-Pfalz dazukommen, um die Reihen zu füllen. Den Wahlkampf führt die NPD neben ihren bekannten rassistischen ?Heimreise?-Plakaten mit lokalpolitischen Themen. So brandmarkt sie etwa eine geplante Meeresfischzuchtanlage in Völklingen als Steuerverschwendung.

Gibt es „lokale Spezialitäten“ der rechtextremen Szene im Saarland?

Interessant ist in Saarbrücken das Verhältnis der Rechtsextremen zur Partei „Die Linke“, die hier mit Oscar Lafontaine sehr stark ist. Wenn der für die gleichen Aussagen Applaus kriegt, für die die Rechtsextremen gerügt werden, sind die NPDler gern beleidigt und verkünden, Lafontaine sei die Mogelpackung und die NPD das Original. Tatsächlich buhlen beide Parteien im Saarland um die gleichen Wählerschichten. Die NPD geht das offensiv an, besucht etwa Veranstaltungen der Linken in Völklingen und Saarbrücken, um dort mit den Menschen in Kontakt zu kommen und ihre Flyer zu verteilen. Bedauerlicherweise nutzt die Linke im Saarland das nicht, um Stellung gegen Rechtsextremismus zu beziehen. Sie äußert sich vielmehr so wenig wie möglich, hat das Thema politisch total fallen gelassen ? natürlich auch, weil sie über die Parallelen der Argumentation nur ungern sprechen. So bewirbt sich jetzt etwa Klaus-Eckhard Walker als parteiloser Kandidat für die Die Linke um den Posten des Direktors im Regionalverband Saarbrücken, der 2003 als Bürgermeister von Rastatt mit
rassistischen Entgleisungen gegen Asylsuchende deutschlandweit bekannt wurde. Auf der anderen Seite wurde etwa das Büro der Linken in Holzweiler vermutlich von Neonazis verwüstet ? es ist keine Zusammenarbeit, sondern Gegnerschaft.

Welche Chancen räumen Sie der NPD/ rechtsextremen Gruppierungen bei
den kommenden Kommunalwahlen ein?

Das ist schwierig einzuschätzen. In Völklingen hat die NPD bei der letzten Kommunalwahl 10 Prozent der Stimmen bekommen, das könnte sie wieder schaffen. In Saarbrücken gehen die Stimmen vermutlich mehr an die Linke.

Grundsätzlich ist das Wählerpotenzial für Parteien, die sich auf die ?soziale Frage? konzentrieren, relativ hoch. Das Saarland pflegt da seine Arbeitertradition und eine Glorifizierung von Leistung, ist aber als Industriestandort auch von vielen Umbrüchen betroffen gewesen in den letzten Jahren. Die Frage ist also, wer die Stimmen mobilisieren kann. Da hat die Linke bessere Chancen, denn der NPD-Wahlkampf war nicht so stark.

Wie gefährlich ist Rechtsextremismus im Saarland?

Auf den Dörfern und in ländlichem Gebiet gibt es weiterhin viele rechte Cliquen, die lokale Hegemonie anstreben, auch mit Gewalt. Auf Volksfesten stehen die Menschen kommentarlos neben Nazigruppen von fünfzig bis hundert Personen am Bierstand ? da ist eine erschreckende Normalität entstanden. Wenn es dunkel wird und die Polizei das Fest verlässt, kommt es dann zu Gewalttaten.

Im Saarland gibt es wenig Proteste gegen Nazi-Aktivitäten, wenig öffentliche Diskussion, wenig bürgerliches Engagement gegen Nazi-Aktivitäten. In unserem Nachbarland Rheinland-Pfalz etwa ist das viel ausgeprägter. Am 1. Mai protestierten in Mainz 2.000 Menschen gegen eine rechtsextreme Demonstration ? in Völklingen gab es eine rechte Saalveranstaltung, da waren es gerade mal 80 Gegendemonstranten. Zivilgesellschaftliche Organisationen haben es entsprechend schwer, Gehör und Unterstützung zu finden.

Interview: Simone Rafael

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Vernetzung und Beratung für Initiativen im Saarland:

BIFOR – Bildungs- und Forschungsnetzwerk Saar-Lor-Lux

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