Die Fragen beantwortet Kai Partenheimer, Leiter des Netzwerks für Demokratie und Courage in Rheinland-Pfalz.
Wie sieht Rechtsextremismus in Rheinland-Pfalz derzeit aus?
Im Vorfeld der Kommunalwahlen sind die NPD und die Republikaner sehr aktiv. In Hassloch, Bad Dürkheim und Grünstadt hat die NPD an alle Haushalte Wahlkampfbroschüren verteilt. Es wurden mehrere Versuche gestartet, Aufmärsche anzumelden, die gescheitert sind. Zudem gab es im Mai 2009 drei Wahlveranstaltungen der NPD in Bad Dürkheim, Bad Marienberg und in Pirmasens, wo der rechte Liedermacher Frank Rennicke auftrat, der in seinen Liedern Rassismus, Geschichtsrevisionismus und Ausländerhass propagiert.
An vielen Orten sind die Plakate der Parteien zu sehen. Ein besonders diskriminierendes, fremdenfeindliches Motiv durfte die NPD im Westerwald aber nicht aushängen: Unter der Überschrift ?Guten Heimflug? zeigt es ein türkisch aussehendes Ehepaar und einen Schwarzen hintereinander auf einem fliegenden Teppich sitzend. Diese Plakate wurden beschlagnahmt und ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet.
Die Wahlpropaganda der NPD war zum Teil mit Gewalt verbunden. In Trier gab es Vorfälle, wo Menschen, die NPD Wahlplakate abhängen wollten, verprügelt wurden. Mehrere Personen, die im antifaschistischen Bereich aktiv sind, wurden beobachtet und mit Flugblättern, die vor ihrer Haustüre lagen, bedroht. Eine Kandidatin der ?Linken? wurde in Flugblättern sexistisch beleidigt und mit Vergewaltigung und Mord bedroht.
Welches sind die wichtigsten Organisationen?
Die NPD ist die umtriebigste Partei, daneben gibt es noch die (bei Kommunalwahlen durchaus erfolgreichen) Republikaner, die ein eher rechtskonservativ-bürgerliches Spektrum ansprechen wollen. Vom Naziaufmarsch der NPD am 1. Mai 2009 in Mainz haben die REPs sich halbherzig distanziert, aber nicht ohne dabei gegen sogenannte ?Linksextremisten? zu hetzen.
Darüber hinaus existieren in Rheinland-Pfalz zahlreiche Kameradschaftsstrukturen, teils mit langer Tradition. Ihre Aktivitäten werden von drei Aktionsbüros koordiniert. Das Aktionsbüro Rhein-Neckar in Mannheim ist am aktivsten, des Weiteren gibt es Büros für die Regionen Rhein-Main-Nahe und Mittelrhein, dass von Köln/Bonn aus das nördliche Rheinland-Pfalz abdeckt. Insgesamt sind die Kameradschaften also sehr gut vernetzt und im Gegensatz zur NPD nicht an den rheinland-pfälzischen Landesgrenzen orientiert.
Die älteste Kameradschaft ist der ?Nationale Widerstand Zweibrücken?, der sich 1990 gründete. Zuletzt hat sie am 14. Mai 2009 einen ?Trauermarsch? zur Bombardierung Zweibrückens veranstaltet.
Die Kameradschaft ?Widerstand Westerwald? ist mittlerweile verboten, ihr Umfeld war zeitweise lahmgelegt, da die führenden Köpfe als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung verurteilt wurden. Mittlerweile sind diese aber aus der Haft entlassen und wieder dabei, neue Strukturen aufzubauen. Sie haben gute Kontakte zum NPD-Kreisverband Westerwald, als dessen militanter Arm sie sich verstehen. Zum Teil haben sich die Ex-Kameradschaftler den als besonders gewaltbereit geltenden autonomen Nationalisten zugeordnet.
Kameradschaften sind zum einen lokal sehr aktiv durch Infostände, Demonstrationen und/ oder die Beobachtung und Diffamierung von AntfaschistInnen, sie nehmen aber auch an zahlreichen überregionalen Veranstaltungen (z.B. Gedenkmarsch in Dresden) teil.
Wo liegen die Schwerpunkt-Regionen von Rechtextremismus in Rheinland-Pfalz und gibt es lokale Spezialitäten der Szene?
Regionale Schwerpunkte der Neonazis sind traditionell die Westpfalz und die Südpfalz, beides strukturschwache ländliche Regionen. Aber auch in Kleinstädten in anderen Regionen versuchen Neonazis, Fuß zu fassen. Das zeigt das Beispiel von Alzey, einer Kleinstadt im Dreieck zwischen Mainz, Worms und Bingen. Seit dort im Herbst 2007 ein Tattoostudio eröffnet hat, das sich als Treffpunkt für Neonazis anbot, hat sich das Klima stark verändert. 40 bis 50 Bewohner von Alzey haben sich bei einer Internet-Community mit neonazistischem Profil angemeldet, überall in der Stadt gibt es Aufkleber und Sprühereien, es gab bereits gewalttätige Übergriffe. Auch im Kreis Alzey-Worms tritt die NPD zu den Kommunalwahlen an.
Welche aktuellen Trends und Strategien beobachten Sie?
Die Anzahl der Rechtsextremen in Rheinland-Pfalz ist laut dem neuesten Verfassungsschutzbericht 2008 mit 1000 Personen relativ konstant geblieben, die Anzahl der Neonazis hat sich allerdings im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Unser subjektives Gefühl aus Gesprächen mit jungen Menschen vor Ort ist, dass die neonazistische Szene sehr gut vernetzt und organisiert ist und zunehmend mit Gewalt gegen (politische) GegnerInnen vorgeht.
Die seit Jahren stattfindenden Versuche der NPD, Schulungszentren in Rheinland-Pfalz zu eröffnen, sind vorerst gescheitert. Zuletzt wurde es ihnen aus baulichen Gründen untersagt, eine alte Diskothek in Dahn (Südwestpfalz) anzumieten. Treffpunkte in Kneipen gibt es allerdings zu Genüge.
Ein neuer Trend ist, dass die „Autonomen Nationalisten“ in Rheinland-Pfalz so wie auch in anderen Bundesländern im Aufschwung sind. Es gibt engen Kontakt zur Szene der „Autonomen Nationalisten“ in Nordrhein-Westfalen, speziell den „Freien Nationalisten Siegerland“.
Was die subkulturelle rechte Szene betrifft, so gibt es zwar nur wenige bekannt gewordene rechtsextreme Konzerte in Rheinland-Pfalz. In der Region Ludwigshafen/ Mannheim fanden aber regelmäßig Konzerte statt, deshalb vermuten wir, dass die Organisation und Geheimhaltung solcher Aktivitäten einfach professioneller geworden ist. Zudem betreiben diverse Naziläden in Rheinland-Pfalz ihre Geschäfte, darunter zwei in Ludwigshafen. Die Kampagne ?Ladenschluss? hat es geschafft, dass einer dieser Ludwigshafener Läden aufgrund der Proteste schließen musste.
Welche Chancen räumen Sie den rechtsextremen Parteien und Wählergemeinschaften bei den kommenden Kommunalwahlen ein?
Die REPs sind derzeit in drei Kommunalparlamenten in Mainz, Ludwigshafen und Pirmasens vertreten. Bei den nächsten Wahlen könnten wohl wieder ein bis zwei Plätze für sie dabei sein. In Ludwigshafen treten sie gemeinsam mit der ?Deutschen Liste? an.
Die NPD hatte bisher keine Abgeordneten, doch mit dem Wegfall der Fünf-Prozent-Hürde könnte es ihnen diesmal gelingen, in ein Stadtparlament einzuziehen.
Zusätzlich gibt es noch lokale Wählergemeinschaften wie das ?Netzwerk Freie Patrioten für Natur, Umwelt und Region e.V.?, das mit nationalistischen, fremdenfeindlichen Parolen im Kreis Trier-Saarburg angetreten ist. Auf der Liste der freien Wählergemeinschaft Eich steht für die Ortsgemeinderatswahlen ein Kandidat, der zugleich für die NPD-Liste zum Kreistag antritt. Nachdem dies in den Medien Aufmerksamkeit erregt hat, distanzierte sich die Wählergemeinschaft Eich aber von diesem Kandidaten.
Interview: Regina Rahe
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