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Rechtsextremismus Neonazis und misogyne Gewalt

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Mit abgeklebten Mündern und Schildern finden sich am 04.11.2016 Mitglieder einer Gruppe von Amnesty International im Zentrum von Chemnitz (Sachsen) zu einem Flashmob zusammen. Mit den Aktionen in Chemnitz und Leipzig wollen die Gruppen gegen das Behördenversagen im Fall der rechten Terrorzelle NSU aufmerksam machen. Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/ZB +++(c) ZB-FUNKREGIO OST - Honorarfrei nur für Bezieher des ZB-Regiodienstes+++

Sexuelle Gewalt wird in der radikalen und extremen Rechten eigentlich nur dann ein Problem, wenn sie von marginalisierten Menschen ausgeht – von migrantisierten oder homosexuellen Männern zum Beispiel. Jeder dieser Fälle wird auf rechten Blogs und Facebook-Gruppen zur reaktionären Stimmungsmache genutzt, um die eigene Menschenfeindlichkeit salonfähiger zu machen. Die IB-Nahe Frauengruppe „Lukreta“ hat die Ethnisierung sexueller Gewalt sogar zu einem ihrer zentralen Programmpunkte gemacht. Wenn jedoch Männer aus der radikalen Rechten Übergriffe begehen – zum Beispiel der AfD-Politiker Sören Stefanowicz aus Sachsen-Anhalt, der ungefragt Nacktbilder an wesentlich jüngere Frauen verschickte, der bayerische Neonazi, der 2014 wegen Vergewaltigung und Mord an einem gerade erst 12 Jahre alten Mädchen verurteilt wurde, der 21 Jahre alte Neonazi, der im Hunsrück eine 14-Jährige vergewaltigt und gewürgt hatte, oder der einschlägig bekannte Rechtsextreme Bernd T., der unter anderem wegen der Vergewaltigung einer 17-Jährigen verurteilt wurde – folgt entweder ohrenbetäubendes Schweigen oder die Schuld für die Tat wird auf die Betroffene verlagert.

„Die hat es ja verdient“ – Sexuelle Gewalt gegen politische Gegnerinnen und „sexuell deviante“ Frauen

Denn: sexuelle Gewalt ist in der faschistischen und Neonazi-Szene ein wiederkehrendes Phänomen. Antifeminismus, die Ablehnung weiblicher sexueller Selbstbestimmung und Misogynie gehören selbstverständlich zu rechten Ideologien. Frauen werden hier weniger als eigenständige Subjekte gesehen, sondern als Projektionsfläche für faschistische „Männerfantasien“. Wie schon Klaus Theweleit in der gleichnamigen Dissertation herausgearbeitet hat, basiert das rechte Frauenbild stark auf einer „Heilige-Hure-Dichotomie“. Die ideale, faschistische Frau ist in der Regel rein, unberührt, und ihre Primäraufgabe ist die liebevolle Aufopferung für Ehemann, Kinder und Vaterland. Politische Gegnerinnen, vor allem Kommunistinnen, werden in den von Theweleit beschriebenen Texten hingegen als sexuell deviant dargestellt, was misogyne Dehumanisierung und somit auch sexuelle Abwertung und Gewalt rechtfertigen soll.
Misogynie ist, so die Philosophin Kate Manne, ein Strafmechanismus des Patriarchats, um Frauen und weiblich gelesene Menschen dafür zu sanktionieren, sich patriarchalen Anforderungen an Weiblichkeit zu verweigern – häufig handelt es sich hierbei um Feministinnen oder anderweitig linkspolitische Aktivistinnen. Rechten Männern – und Frauen – scheint es legitim, diese Frauen durch die Androhung sexueller Gewalt wieder „an ihren Platz“ zu verweisen. Linke Frauen erhalten regelmäßig Vergewaltigungsdrohungen von Rechtsaußen, oder, werden wie im Falle von Patricia W. Opfer von Vergewaltigung und Femizid. Nur ein Blick in Postings rechter Chatgruppen oder die Kommentarspalten unter rechten Artikeln oder Videos, in denen gegen Antifaschistinnen gehetzt wird, offenbart die abgrundtiefe Misogynie der Mitglieder: sexistische Bewertungen von Körpern oder klassisch misogyne Aussagen der Feministin, „der man es nur mal richtig besorgen muss“ gehören hier zum Standardrepertoire.

Auch Sexarbeiterinnen sind aufgrund ihrer vermeintlich devianten Sexualität, als auch ihrer leider häufig prekären sozialen Situation, regelmäßig Opfer patriarchal-faschistischer Gewalt. Die in der Broschüre „Alles Einzelfälle? Misogyne und sexistisch motivierte Gewalt von rechts“ der Amadeu-Antonio-Stiftung dokumentierten Fälle von rechter Gewalt gegen Sexabeiterinnen zeigen auf, mit welcher Kälte und Grausamkeit Rechtsextreme hier vorgehen. Auch wird, wenn politische Gegnerinnen Sexarbeit leisten, z.B. auf der Plattform „OnlyFans”, dies regelmäßig genutzt, um ihren Aktivismus zu delegitimieren. Beispiele hierfür sind die Aussteigerin Lisa L. oder die Aktivistin Emely S., die ein Neonazi-Treffen gefilmt hat und der nun vorgeworfen wird, sie hätte dies getan, um Werbung für ihren Content zu machen.

Quelle: Twitter

Es ist auch bezeichnend, dass gerade Neonazi-Kameradschaften regelmäßig Verbindungen ins organisierte Verbrechen haben und dort Zuhälterei betreiben, also Frauen gezielt sexuell ausbeuten. Beispiele hierfür sind die „Turonen“ oder die österreichische Gruppe „Objekt 21“. Frauenhass ist jedoch nicht nur Sache von Rechtsextremen – sondern in einer patriarchal strukturierten Gesellschaft bitterer Alltag.

Szeneinterne Gewalt gegen Frauen

Rechte Männer suggerieren ihren Partnerinnen, dass das Zurschaustellen „richtiger“ Weiblichkeit sie vor sexueller Gewalt verschonen würde. Diese kommt ja ohnehin nur von „fremden“ Männern, vor denen der faschistische Alpha-Mann Schutz verspricht. Die Ethnisierung sexueller Gewalt  verschleiert, dass diese primär im familiären Umfeld erfolgt, das im Rahmen der faschistischen Ideologie jedoch als heiliger Schutzraum gegen die bedrohliche Moderne inszeniert wird.  Wie die Sozialpädagoginnen Esther Lehnert und Heike Radvan jedoch in ihrem Ratgeber zum sozialpädagogischen Umgang mit rechtsextremen Frauen beschreiben, existiert in der radikalen und extremen Rechten „Veralltäglichung von Gewalt”. Dies ist innerhalb einer Szene, in der weibliche (und queere) Autonomiebestrebungen radikal bekämpft werden, wenig verwunderlich. Die Diskussion über häusliche Gewalt generell ist schwierig, da Betroffene häufig von Polizei und Justiz im Stich gelassen oder von den Tätern als Lügnerinnen bezeichnet werden. Viele Opfer von Gewalt verzichten deshalb aus Angst vor Stigmatisierung darauf, den Täter anzuzeigen oder das erfahrene Leid gar öffentlich zu thematisieren. Innerhalb der radikalen und extremen Rechten dürfte die Dunkelziffer von Opfern häuslicher Gewalt noch größer sein.

Wie die Autorinnen Katrin Degen und Agnes Betzler in dem Werk „Täterin sein und Opfer werden? Extrem rechte Frauen und häusliche Gewalt” herausarbeiten, ist geschlechtsspezifische Gewalt jedoch auch szeneintern virulent. Aus Identifikation mit der Szene und deren Ideologie rechtfertigen Betroffene jedoch häufig die ihnen zugefügte Gewalt, oder verzichten darauf, sie öffentlich zu machen, um dem „Ansehen” ihrer Partner oder der Szene nicht zu schaden. Die wenigen Frauen, die den Mut haben, entsprechende Strukturen zu verlassen, berichten von einer permanenten Atmosphäre von Bedrohung und Gewalt, die bereits von klein auf beginnt. Ricarda W. ist bis heute aktive rechtsextreme Politikerin aus dem Umfeld der NPD. Nach der Trennung 2012 von ihrem Expartner, dem Neonazi Dieter P., hatte sie ihre Erfahrungen mit häuslicher Gewalt in einem Facebook-Post thematisiert. Dieter P. hatte ihr unter anderem die Nase gebrochen oder sie während ihrer Schwangerchaft in den Bauch getreten. Ricarda P. gab an, dass sie Anzeigen gegen ihren damaligen Mann zurückgezogen hatte, um die Ehe nicht zu gefährden. Sie ist immer noch Teil der extremen Rechten.

Anders verhält es sich mit der Neonazi-Aussteigerin Tanja P., die seit ihrem 13. Lebensjahr in der rechtsextremen Szene involviert war. Auch sie beschreibt massive Gewalterfahrungen durch ihren damaligen Ehemann Markus P.: Schläge und Misshandlungen von Tanja P. und den gemeinsamen Kindern gehörten zum Alltag. Markus P. war bestens vernetzter Kader der „Nationalistischen Front” und der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei”. Nach dem Ausstieg wurde Tanja P. weiter von ihrem Ex-Mann und dessen Kameraden bedroht und als „Verräterschwein” tituliert. Es ist naheliegend, dass an Frauen wie P. ein Exempel statuiert werden soll, um andere rechte Frauen, die wegen erfahrener häuslicher und sexueller Gewalt ihren Szene-Bezug hinterfragen, vom Ausstieg abzuhalten.

Auch Lisa L., die früher zur Identitären Bewegung gehörte, dann rechtspopulistische und rassitstische Videos veröffentlichte und später die Szene verließ, hatte darüber berichtet, dass der Sexismus und die Frauenverachtung in der eigenen Community Gründe für ihren Ausstieg waren. Sie sieht sich bis heute regelmäßig ausgesprochen misogynen Anfeindungen ausgesetzt.

Mit Gewalt gegen Frauen geht auch regelmäßig Gewalt gegen Kinder einher. So beschreibt die Aussteigerin Heidi B. die Lager der rechtsextremen „Heimattreuen Deutschen Jugend” als Orte von Züchtigung, Angst und Unterdrückung (an dieser Stelle ließe sich auch die Frage stellen, welche Rolle Grooming innerhalb vor allem völkisch-rechtsextremer Communitys spielt). Dies impliziert auch sexuelle Gewalt gegen Kinder. Bei denjenigen, die besonders laut nach einer „Todesstrafe für Kinderschänder” schreien, findet sich bei Hausdurchsuchungen dafür erschreckend oft kinderpornographisches Material. Dies kann darin verortet sein, dass Kindern in extrem rechten Kontexten noch mehr als Frauen das Anrecht auf Autonomie und körperliche Selbstbestimmung abgesprochen wird. Außerdem ist das antifeministische Frauenbild von Rechtsaußen ausgesprochen anfällig für die Legitimation von sexueller Gewalt an gerade jungen Mädchen: diese seien noch „nicht durch den Feminismus verdorben” und deswegen „formbar”, und außerdem „fruchtbarer” als erwachsene Frauen. Aus derartigen Aussagen spricht vor allem eins: eine panische Angst vor weiblicher sexueller Selbstbestimmung.

Opfer patriarchaler Gewalt – und Täterin gegen andere

Der Umgang mit rechtsextremen Frauen, die von sexueller und häuslicher Gewalt betroffen sind, stellt eine große Herausforderung für Mitarbeiterinnen von Frauenhäusern dar. Lehnert und Radvan beschreiben in „Rechtsextreme Frauen” den Fall einer NPD-Aktivistin, die nach ihrer Flucht ins Frauenhaus weiterhin in der rechten Szene aktiv war, und regelmäßig entsprechendes Material in den Räumlichkeiten des Frauenhauses ausgelegt hat. Als Rassistin, Queerfeindin und Antisemitin stellte sie automatisch eine Gefahr gegen jene Frauen dar, die ins faschistische Feindbild fallen. Denn auch wenn rechtsradikale und -extreme Frauen regelmäßig Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt werden, sind sie weiterhin Menschenfeindinnen und Täterinnen – und vertreten auch immer Antifeminismus und Misogynie gegen andere Frauen und trans Personen. Nichtsdestotrotz ist der sexistische Angriff gegen rechte Frauen emanzipatorisch denkenden Menschen unwürdig. Es gibt genug Gründe und Wege, Faschistinnen entgegenzutreten – da muss niemand auf Sexismus zurückgreifen.

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