Welche Narrative haben bei der Wahl von Donald Trump eine Rolle gespielt?
Es gehört zur amerikanischen Identität, dass wir eine Nation aus Immigrant*innen sind. Deshalb war Immigration nie ein gewichtiges Thema in den USA, nicht einmal in rechtsextremen Gruppen, die in den vergangenen Jahrzehnten eher damit beschäftigt waren, die rassistische Geschichte der USA und die Sklaverei als etwas „Naturgegebenes“ umzudeuten, sich für die „weiße Ethnie“ einzusetzen – das waren die Themen der „New Right“. Sie entwickelte sich dann zur „Religious Right“ und vertrat einen religiös begründeten, evangelikalischen Rechtsextremismus gegen jede Art von Menschenrechte und Gleichwertigkeit, der sich etwa gegen Frauenrechte richtete, gegen Abtreibungen und Rassismus gegen Schwarze Amerikaner*innen propagierte – und ab 9/11 Muslimfeindlichkeit. Diese Strömung hat starken Einfluss auf die republikanische Partei genommen, die die Ressentiments mit einer wirtschaftsliberalen Einstellung verband. Rassismus, Sexismus oder Beschneidung von Freiheitsrechten für Minderheiten wurden allerdings vor allem codiert geäußert, nicht offen.
Donald Trump kommt aus diesen Bewegungen, er hat die Ressentiments gesammelt und die Codierung weggelassen: Er hat alle Vorurteile einfach offen ausgesprochen. Und er war der erste, der „Angst vor Einwanderung“ zu seinem Thema machte. Das ist ein klarer Einfluss von europäischen rechtsextremen Narrativen, die etwa über die „Alt-Right“-Bewegung in die USA kamen, die von Anfang an eng mit den „Identitären“ Bewegungen in Europa verbunden war.
Welche Rolle spielten die Medien?
1995 wurde der TV-Sender „Fox News“ gegründet, und er war von Anfang an ein Silo für Desinformation, verbunden mit dem Narrativ: Nur wir präsentieren die Wahrheit, die anderen Medien lügen. Und die Rechte in den USA hatte einen medialen Ort, an dem all ihre Vermutungen und Vorurteile bestätigt wurden.
Und dann war da Stephen Bannon, der seine ersten Erfahrungen als Investmentbanker und in Fernsehproduktionen gesammelt hat, um sich dann Filmproduktionen für die rechtsgerichtete Organisation „Citizens united“ zu widmen, die das Ziel hatten, die politische Kultur im Land zu verändern. Bannon kommt aus der weißen Arbeiterklasse, und deren Ängste vor Veränderungen aller Art hat er visualisiert und befeuert. Auch für die „Tea Party“-Bewegung hat er Filme gedreht. Und er hatte sehr viel Geld dafür, weil es in den USA rechtsgerichtete Milliardäre gibt, die solche medialen Überwältigungskampagnen gern finanzieren. In seinem Film „Der Kampf um Amerika“ explodierten ständig Dinge, und der Kampf um Amerika ist der Kampf gegen Obama und alles, wofür er eintritt. Die wiederkehrende Frage – bebildert mit Explosionen oder Geld, dass im Klo heruntergespült wird: „Was tut er mit dieser großartigen Nation?“ Es ist ein Kampf der Kulturen, der propagiert wird. Dann hat Bannon Andrew Breitbart getroffen und nach dessen Tod die Leitung von „Breitbart News“ übernommen – und das Informationsportal in eine Hardcore-rechtsextreme Website gewandelt, einen Kulminationspunkt von „Neuem weißen Nationalismus“ und der „Alt-Right“-Bewegung. Auch in dieser Position hat er viel finanzielle Unterstützung erhalten und zog schließlich als Trumps Berater mit ins Weiße Haus ein. Nach seiner Verbannung von dort und nach der Verbannung von „Breitbart News“ sucht er sich nun mit „The Movement“ ein neues Betätigungsfeld in Europa. Und egal, wie wenig erfolgreich diese Einigungsbewegung für europäische Rechtspopulist*innen bisher aussieht: Sie wird nicht so wenig einflussreich sein, wie es progressive Europäer*innen vielleicht hoffen. Denn hinter Bannon steht Geld, viel Geld, eine ganze Infrastruktur.
Sie meinen also, Bannon kann auf die EU-Wahlen Einfluss nehmen?
Er hat zumindest viele der führenden Rechtspopulist*innen in Europa getroffen, und selbst, falls die nicht offiziell mit ihm zusammenarbeiten: Er ist ein Meister im „Messaging“, er weiß, wie Botschaften bei seiner Kundschaft ankommen. Und er hat gute Kenntnisse darin, Daten zu nutzen und zu missbrauchen, um an sein Ziel zu kommen. Während der US-Wahlen hat er Daten von Wähler*innen verwendet, um sie gezielt mit Inhalten zu bespielen, etwa junge Erwachsene mit Sympathien für die rechtsgerichtete „Generation Opportunity“ oder rechtsoffene Menschen mit lateinamerikanischem Hintergrund.
Gab es gute Gegenstrategien auf der liberal-demokratischen Seite?
Das Problem ist, die Demokraten in den USA haben zum einen nicht so viel Geld wie die rechte Seite, und sie haben nicht die Vision, sie planen von Wahl zu Wahl. Das ist ein wichtiger Punkt: Der amerikanischen Rechten, gerade den Geldgebern, geht es um eine Veränderung der amerikanischen Gesellschaft, die sie jetzt anstoßen, aber die sie nicht einmal mehr in ihrer Lebenszeit erwarten. Sie planen sehr langfristig und strategisch.
Die progressiven Kräfte in den USA glauben immer noch an einen argumentativen Sieg durch Logik. Aber es geht nicht um Fakten, es geht nicht um Logik. Es geht nur um Emotionen. Das Gros der Menschen wählt keine politischen, ausgefeilten Strategien und Konzepte. Sie wählen, was sich für sie richtig anfühlt. Obama hat mit „Yes, we can“ übrigens genauso gewonnen: Er hat Herzen berührt, Menschen Mut gemacht, ihnen das Gefühl gegeben, dass ein guter Wandel möglich ist. Deshalb waren auch viele Menschen enttäuscht, als er nach der Wahl wie ein College-Professor gesprochen und wie ein Politiker gehandelt hat. Er wäre weiter auf der Straße gebraucht worden, um den Menschen zu sagen: „Ja, Dinge ändern sich. Aber das wird in Ordnung sein. Es wird funktionieren!“ Aber ich habe Hoffnung, wenn ich auf junge Politiker*innen blicke, auf die Millenial-Generation. Haben Sie von Alexandria Ocasio-Cortez gehört? Sie spricht eine neue Sprache, sie weiß, ihre Social Media-Kanäle zu verwenden, um ihre Botschaft rüberzubringen.
Was können Medien tun?
Medien müssen berichten, das ist ihr Job, aber sie sollten versuchen, die rechten Narrative dabei nicht zu verstärken. Die Rechtspopulist*innen wollen in die Presse, aber daraus den Schluss zu ziehen, dann schreiben wir nichts mehr über sie, ist genauso verkehrt. Wichtiger finde ich: Sich nicht mit rechtspopulistischen Positionen gemein machen. Nicht ihre Narrative, ihre Wortschöpfungen übernehmen. In den USA war die Reaktion vieler Sender auf Vorwürfe, sie würden nicht objektiv berichten: Wir geben allen Positionen gleich viel Sendezeit. Unabhängig davon, ob jemand für Millionen Menschen spricht, oder nur für wenige hundert. Das ist nicht verhältnismäßig. Journalist*innen dürfen sich aber auch nicht einschüchtern lassen. Trump hat bei seinen Veranstaltungen für die Presse immer einen Käfig aufgestellt. Wer sich als Journalist*in akkreditiert hatte, kam in den Käfig. Aus dem kam man dann während der Veranstaltung auch nicht heraus. Irgendwann in seiner Rede zeigte Trump immer auf den Käfig und sagte: „Seht sie euch an. Da sind sie, die lügenden Menschen von der Presse!“ Und der Saal tobte. Wirklich furchteinflößend. Ich habe mir dann einfach immer eine Eintrittskarte gekauft und mich nicht akkreditiert, damit ich frei herumlaufen, Stimmen einfangen und berichten konnte.