Weiter zum Inhalt

Rechtsradikale Landnahme Analyse des AfD-Wahlerfolgs zur Landtagswahl 2019 in den Thüringer Gemeinden

Eine am 12.11.2019 veröffentlichte Analyse des IDZ im Auftrag der Amadeu Antonio Stiftung zeigt, dass das viel zitierte wirtschaftliche „Abgehängtsein“ von Gemeinden und Regionen keinen Beitrag zur Erklärung des AfD-Wahlerfolgs bei der Landtagswahl in Thüringen am 27. Oktober liefert. Stattdessen profitiert die AfD besonders von Demokratieverdrossenheit und rassistischen bzw. fremdenfeindlichen Orientierungen. Die Autoren warnen vor einer Normalisierung rechtsradikaler Positionen.

 
Thüringen-Karte mit AfD-Stimmanteilen
Grafik aus der Publikation "Rechtsradikale Landnahme. Analyse des AfD-Wahlerfolgs zur Landtagswahl 2019 in den Thüringer Gemeinden" (Quelle: IDZ Jena )

 

Warum AfD? Demokratieverdrossenheit, Rassismus, Gewöhnung an Rechtsextremismus

Die Studie „Rechtsradikale Landnahme“ analysiert statistische Einflussfaktoren auf die vorläufigen Wahlergebnisse der AfD zur Landtagswahl 2019 in allen 664 Gemeinden des Freistaats Thüringen. Stärker als noch zur Bundestagswahl 2017 und Kreistagswahl 2019 deutet sich an, dass eine demokratieferne politische Kultur, die durch Demokratieverdrossenheit, rassistische bzw. fremdenfeindliche Orientierungen und die Gewöhnung an Rechtsextremismus geprägt ist, in den Thüringer Gemeinden ursächlich für den AfD-Erfolg ist.

Wo die AfD stark ist, kommen demokratische Parteien nicht mehr durch

Es zeigt sich, dass die AfD vor allen in Regionen mit hohen Nichtwähler*innenanteilen erfolgreich war sowie in solchen Regionen, die besonders stark vom demografischen Wandel betroffen sind. Dort, wo schon bei der Landtagswahl 2014 ein erhöhtes Klima von Demokratieverdrossenheit und rechtsextremer Normalisierung existierte, wurde langfristig die Saat bereitet, den nun die AfD ernten kann. Auch die räumliche Polarisierung der politischen Landschaft steigt messbar. Im Vergleich zur Kreistagswahl habe sich eine Tendenz deutlich verstärkt: Andere Parteien könnten in den AfD-Wählerhochburgen kaum noch gute Ergebnisse einfahren, sagt Christoph Richter, einer der Studienautoren. „Diese Entwicklung ist alarmierend und stellt eine dringliche Aufgabe für die demokratischen Parteien in den nächsten Jahren dar. Es besteht die Gefahr, dass sich langfristig geschlossene rechte Raumkulturen bilden und der Einfluss anderer politischer oder zivilgesellschaftlicher Akteure schwindet.“

Gestiegene Wahlbeteiligung nutzt der AfD

Weitere Ergebnisse der Studie:

IDZ-Direktor Dr. Matthias Quent fordert:

„Die größte Gefahr für die liberale Demokratie geht von der Normalisierung von Akteuren und Positionen der radikalen und populistischen Rechten aus. Überlegungen, die AfD in Thüringen zum Mehrheitsbeschaffer oder gar Koalitionspartner zu adeln, sind ein Rückschlag für die demokratische Mehrheit in Thüringen, die rechtsradikalen Positionen entschieden ablehnen. Langfristig angelegte Maßnahmen zur Sicherung und Stärkung der demokratischen Zivilgesellschaft vor Ort müssen jetzt oberste Priorität haben. Darüber hinaus bedarf es einer sozialverträglichen Gestaltung des demografischen und ökologischen Transformationsprozesses in Thüringen.“

Die Studie steht hier zum Download bereit:

Christoph Richter, Axel Salheiser & Matthias Quent:
Rechtsradikale Landnahme. Analyse des AfD-Wahlerfolgs zur Landtagswahl 2019 in den Thüringer Gemeinden.
Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft.
Jena, November 2019

Belltower.News macht gemeinnützigen Journalismus, denn wir klären auf und machen das Wissen von Expert*innen zu Antisemitismus, Rassismus und
Rechtsextremismus und allen anderen Themen der Amadeu Antonio Stiftung für alle zugänglich.
Unsere Reportagen, Recherchen und Hintergründe sind immer frei verfügbar und verschwinden nie hinter einer Paywall. Dafür brauchen wir aber auch deine Hilfe.
Bitte unterstütze unseren Journalismus, du hilfst damit der digitalen Zivilgesellschaft!

Weiterlesen

2014-12-22-Hessen

Hessen 2014 Mögliche rechtsextreme Morde im Wohnungslosenmilieu und durch Burschenschaftler

Hessen wurde im vergangenen Jahr gleichermaßen geprägt von zahlreichen neonazistischen Aktivitäten innerhalb des Parteienlagers, wie auch von rechtsextremen Gruppierungen aus…

Von
Pressestatement Jens Spahn

Nius Spahn, Gotthardt und Reichelt – Wer profitiert von wem?

Correctiv-Recherchen legen nahe: Frank Gotthardt profitierte von Spahns Politik – und finanzierte damit die rechtskonservative Plattform Nius.

Von
20130102_rueckblick_a

Von NSU bis NPD-Verbot, von Dresden bis Hoyerswerda Ein Rückblick auf 2012

Nach den Rückschauen aus den einzelnen Bundesländern werfen wir noch einmal einen Gesamtblick auf 2012: Was waren die Ereignisse, die im vergangenen Jahr im Bereich Rechtsextremismus in Erinnerung bleiben?
Von Alice Lanzke

Von

Schlagen Sie Wissenswertes in unserem Lexikon nach.