Hinweis: Der Text enthält antisemitische und rassistische Inhalte.
Bis heute ist die 1992 gegründete Rechtsrock-Band „Landser“ (Berlin/Brandenburg) in der Musikszene der extremen Rechten eine Kultband – obwohl sie bereits vor fast 20 Jahren verboten wurde. Am 22. Dezember 2003 verurteilte das Berliner Kammergericht die vier Bandmitglieder wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) sowie Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen (§ 86), Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole (§ 90a), Volksverhetzung (§ 130), Billigung von Straftaten (§ 140) und Beschimpfung von Bekenntnissen (§ 166). Im Revisionsurteil vom 10. März 2005 entfiel die Verurteilung wegen Öffentlicher Aufforderung zu Straftaten (§ 111). „Landser“ war die erste Rechtsrock-Band, die in der Geschichte der bundesdeutschen Justiz als kriminelle Vereinigung verboten wurde. Nach Einschätzung des Richters war der Sänger und Gitarrist Michael „Lunikoff“ Regener (*1965), der sämtliche Liedtexte für „Landser“ schrieb, das „Herz“ der Band. Deshalb verurteilte ihn das Gericht als „Rädelsführer“ (§ 129 Abs. 4 StGB) der Vereinigung. Regener erhielt eine Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten.
Konspiration & Radikalität
Der ungebrochene Kultstatus der Rechtsrock-Band hat abseits des staatlichen Verbots im Wesentlichen zwei Gründe: (1) Konspiration und (2) Radikalität. (1): Am 12. September 1992 fand vor ca. 60 Teilnehmenden in Hennigsdorf (Brandenburg) der erste und einzige Auftritt der Band statt. Nachdem Regener im November des Jahres den Gesang übernommen hatte und die erste Kassette „Das Reich kommt wieder“ veröffentlicht wurde, entschieden sich die Mitglieder, in den Untergrund zu gehen. Die Generalbundesanwaltschaft (GBA) schrieb in ihrer Anklageschrift: „Mit der bewussten Entscheidung für die Illegalität war die Konsequenz verbunden, dass die Band auf öffentliche Auftritte – insbesondere Live-Konzerte – verzichten musste.“ Laut GBA pflegten die Musiker „eine auf Heimlichkeit und Konspiration aufbauende Organisationsstruktur“, um sich vor strafrechtlichen Konsequenzen für die Verbreitung der volksverhetzenden Tonträger zu schützen. So ließ die Band die vier Studioalben „Republik der Strolche“ (1995, Schweden), „Deutsche Wut – Rock gegen Oben“ (1998, USA), „Ran an den Feind“ (2000, Großbritannien) und „Best of Landser“ (2001, USA) im Ausland produzieren und über Nachbarstaaten wie die Niederlande nach Deutschland einführen, um die CDs in der Bundesrepublik kommerziell vertreiben zu können.
„Herzlich willkommen in der braunen Musik-Fraktion“
(2): Die „Aura des Geheimnisvollen“ war erforderlich, weil die Liedtexte der Rechtsrock-Band äußerst menschenverachtend sind. In den Liedern hetzte sie unverblümt gegen Geflüchtete („Fidschi, Fidschi, gute Reise“), Jüdinnen und Juden („Wir wollen euren Jesus nicht, das alte Judenschwein“), Linke („Ich hasse Kommunisten“), Rom*nija („Z*pack, jagt sie alle weg“) und Schwarze („Afrika für Affen, Europa für Weiße“) – und diese Hetze mündete an zahlreichen Stellen in offene Mordaufrufe. Die ermittelnden Behörden und das Berliner Kammergericht waren sich einig, dass das Anheizen und Anstacheln eine zentrale Motivation der Band war. Das wird im Lied „Landser“ des ersten Albums deutlich: „Wir wecken die Kräfte, die in euch wohnen | Wir schüren den Hass und die Emotionen | In unseren Adern kocht Wikingerblut | In unseren Texten steckt nordische Wut“. Dass die Band in ihrer Musik lediglich ein Instrument sieht, um rechten Terror zu propagieren, verdeutlicht das Lied „Rock gegen ZOG“ des dritten Albums: „Herzlich willkommen in meiner braunen Musik-Fraktion | Wir bringen mal wieder geistigen Sprengstoff zur Explosion | Bis an die Zähne bewaffnet mit Schlagzeug und E-Gitarren | Wir sind die Bombe in diesem Käfig voller Narren“. Das Lied endet mit einer Drohung: „Nichts kann uns stoppen und nichts unsere Wut abkühlen | Noch bleibt es beim Hören, doch bald da werden sie fühlen“.
„Ran an den Feind“ in Tat & Wort
In Anbetracht der Gewaltpropaganda stellte die GBA fest, dass das Auslösen gewaltsamer Handlungen durch die Musik eine „gewünschte Folge“ gewesen sei. Die Lieder der Rechtsrock-Band seien ein „Motivationsfaktor“ und „Wegbereiter“ für rassistische Gewaltexzesse gewesen. Es gab Ende der 1990er Jahre eine Reihe an brutalen Straftaten, in denen die Musik eine wesentliche Rolle spielte. Beispielsweise hatten sich Neonazis, die sich in der Nacht des 13. Februar 1999 in Guben (Brandenburg) mit ihren Autos auf die Suche nach Migrant*innen begaben und einen Algerier zu Tode hetzten, durch das lautstarke Abspielen der CD „Ran an den Feind“ aufgeputscht. Wenige Monate später überfiel eine Gruppe Neonazis in der Nacht des 24. August 1999 zwei junge Vietnamesen in Eggesin (Mecklenburg-Vorpommern). Während die Täter mit Springerstiefeln auf die Köpfe der beiden eintraten, sangen sie das Lied „Xenophobia“ mit der Zeile: „Fidschi, Fidschi, gute Reise“. Das Berliner Gericht urteilte im „Landser“-Prozess: Zwar waren die Bandmitglieder nicht unmittelbar an den Taten beteiligt, aber „frei von Verantwortung sind die Angeklagten dennoch nicht, wenn andere umgesetzt haben, was sie in ihren Texten gefordert und verherrlicht haben“.
„Landser“ & das „Blood & Honour“-Netzwerk
Die vier Mitglieder der Rechtsrock-Band „Landser“, die sich in der extrem rechten Vereinigung „Vandalen – Ariogermanische Kampfgemeinschaft“ sammelten, waren in das internationale Netzwerk von „Blood & Honour“ (B&H) eingebettet. Die umfassenden Ermittlungen der GBA belegten, dass der Schlagzeuger bis zum Verbot der deutschen B&H-Division im Herbst 2000 ein aktives Mitglied war. Zudem bewies die GBA die Einbindung des B&H-Netzwerks in die Produktion und den Vertrieb der „Landser“-Tonträger. So stellte ein Mitglied des Netzwerks sein Tonstudio in Schweden für das Einspielen der ersten CD zur Verfügung. Der Chef der sächsischen B&H-Sektion, der sich – als V-Mann – über Jahre hinweg im Umfeld des NSU bewegte, ermöglichte die Herstellung und den Vertrieb der dritten CD. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass sich – obwohl B&H eine elementare Rolle für „Landser“ spielte und der Sänger ausführliche Interviews im britischen und deutschen B&H-Magazin gab – die Rechtsrock-Band in ihren Liedtexten nicht auf das internationale Netzwerk und dessen paramilitärischen Arm „Combat 18“ bezog. Das war Ende der 1990er Jahre in ähnlich radikalen Bands wie „Hate Society“ und „Weisse Wölfe“ durchaus üblich.
„Der Deutsche Sturm bricht los“
Noch während des Prozesses gegen die Rechtsrock-Band gründete Sänger Michael „Lunikoff“ Regener die Nachfolgeband „Die Lunikoff Verschwörung“. Das Lied „Der Deutsche Sturm“ des Albums „Niemals auf Knien“ (2005) offenbart, dass sich die Motivation des Musikmachens nicht ansatzweise gewandelt hat. Das Schüren von Hass und das Propagieren rechter Gewalt ist eine wesentliche Konstante zwischen „Landser“ und „Die Lunikoff Verschwörung“. Es heißt: „Wir lieben unser Land, aber wir hassen diesen Staat | Ihr werdet sie noch aufgehen sehn, unsre Saat | Und dann gibt es keine Gnade, unser Hass ist viel zu groß | Eure Dämme werden brechen und der Deutsche Sturm bricht los“. Die Zeilen sind eine Anspielung auf die Berliner Sportpalastrede des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels vom 18. Februar 1943 („Wollt ihr den totalen Krieg?“). Die Rede endete mit den Worten: „Nun, Volk, steh auf, und Sturm, brich los!“ Regener wechselte mit der Rechtsrock-Band „Die Lunikoff Verschwörung“ seine Strategie: Die Band lässt ihre Alben anwaltlich prüfen, um Straftaten zu vermeiden. Schließlich würden offene Gewaltaufrufe wohl eine erneute Haftstrafe für den Musiker bedeuten. Im Beiheft des Albums „HEILfroh“ (2008) schrieb Regener über seinen Gefängnisaufenthalt: „Die meiste Zeit meines idyllischen Kuraufenthaltes habe ich natürlich zum Reimen neuer Frechheiten genutzt, aber auch diesmal wieder so, dass ihre Gummiparagraphen nicht greifen. Alles von Rechtsanwälten geprüft!“
Bundesweit unterwegs: „Lunikoff“ & „Die Lunikoff Verschwörung“
Obwohl „Die Lunikoff Verschwörung“ oftmals auf offene Hetze und Mordaufrufe verzichtet, wird die ideologische Kontinuität zwischen „Landser“ und der Nachfolgeband an unzähligen Stellen deutlich. Das zeigt sich beispielhaft an der Glorifizierung des rassistischen Ku-Klux-Klan (KKK): „Landser“ beschwörte den KKK bereits auf der Demokassette („Aber nicht mehr lange, dann seid ihr dran | Dann gibt’s auch hier den Ku-Klux-Klan“). Wenig später erschien der „Klan Song“ („Lasst uns tot oder die ersten eines weißen Südens sein“). Ebendieser „Klan Song“ lässt sich auf der 2018 veröffentlichten Live-CD der „Lunikoff Verschwörung“ wiederfinden. 2019 widmete „Lunikoff“ („Old Lu & die Mississippi Lynchkapelle“) dem KKK gar eine eigene EP. Das Cover zeigt das KKK-Logo, eine Südstaaten-Flagge und einen Galgenstrick. In der Neonazi-Szene ist Regener bis heute ein Star: In den vergangenen fünf Jahren spielte „Die Lunikoff Verschwörung“ auf den Bühnen von über 20 Rechtsrock-Events. Neben Auftritten in Ländern wie Estland und Ukraine war die Band der Headliner der extrem rechten Festivals „Rock gegen Überfremdung“ (Thüringen, 2016/17) und „Schild & Schwert“ (Sachsen, 2018/19). Mehr noch: Regener hatte in diesem Zeitraum über 60 Auftritte als extrem rechter Liedermacher. Die Masse an Balladenabenden und Konzerten zeigt, dass sich die anwaltliche Prüfung des Hasses erschreckenderweise bewährt – sodass ein Musiker, der einst zum Rechtsterror aufrief, vollkommen unbeschwert die Bühne betreten kann.
Mehr im Internet:
Die ARD-Dokumentation „Rechts. Rock. Rattenfänger“ zeigt einen Auftritt der Rechtsrock-Band „Die Lunikoff Verschwörung“ um Sänger Michael „Lunikoff“ Regener im ostsächsischen Ostritz. Die Polizei holte den vermummten Gitarristen aufgrund des Vermummungsverbots von der Bühne.