Obwohl viele Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft mit Flüchtlingen zu tun haben, entsteht oft kein Austausch auf Augenhöhe. Selbst nach Jahren in Deutschland haben viele geflüchtete Menschen das Gefühl, nicht als gleichwertige Bürger_innen anerkannt zu werden. Viele fühlen sichnicht berechtigt, Kritik an rassistischen Verhaltensweisen zu üben, Veränderung zu fordern.
? Die individuelle Situation des geflüchteten Menschen muss berücksichtigt, Bevormundung vermieden werden. Geflüchtete dürfen nicht nur als Opfer wahrgenommen werden. Flucht und Asylantrag bestimmen nicht die Identität eines Menschen. Je nach Alter, Geschlecht undsexueller Orientierung, Herkunft und Erfahrung haben die Menschen, die nach Deutschland kommen, unterschiedliche Probleme, Bedürfnisse und Einstellungen.
? Interkulturelle Seminare und rassismuskritische Fortbildungen sensibilisieren für Diskriminierung und vorurteilsgeprägte Haltungen.
? Jeder kann sich selbst fragen: Sieht man Asylsuchende als gleichberechtigte Partner_innen an? Fragt man die Menschen, was sie brauchen? Welche Erwartungen hat man ihnen gegenüber? Kann für die Perspektive geflüchteter Menschen Verständnis aufgebracht werden?
? Vorträge zu Fluchtursachen und den Folgen der Globalisierung organisieren zum Beispiel Zentralen für politische Bildung. Sie vermitteln Grundlagenwissen zum Thema Flucht und Migration. In Baden-Württemberg wurden bei Veranstaltungen zu neuen Unterkünften zum Beispieldie Waffenexporte der heimischen Firmen zum Thema gemacht.
? Flüchtlinge haben meist klare Vorstellungen von ihrem Leben und ihren Bedürfnissen. Sie wissen, welche Unterstützung sie brauchen. Falls Selbsthilfegruppen von Geflüchteten bereits existieren, muss mit ihnen zusammengearbeitet werden.
In Bayern haben die Bewohner_innen einer Unterkunft acht Sprecher_innen gewählt, die gegenüber der Verwaltung und Ehrenamtlichen ihre Interessen vertreten. Je drei der Sprecher_innen nehmen an Treffen interdisziplinärer Arbeitskreise teil und vertreten die Position der Asylsuchenden. In einer anderen bayerischen Unterkunft setzen sich die Mitarbeiter_innen regelmäßig mit Kleingruppen von Asylsuchenden zusammen, um Probleme und Bedarfe zu eruieren.
Um Menschen bei uns willkommen zu heißen, reicht es auf Dauer nicht, nur in Form von Kleiderspenden oder Deutschkursen humanitäre Hilfe zu leisten. Engagement für Flüchtlinge kann langfristig nicht unpolitisch sein. Asylsuchende dürfen sich weder frei bewegen noch niederlassen, ihren Beruf nicht frei bestimmen, nicht wählen gehen. Demonstrationen und Informationsveranstaltungen sind ein Mittel, um auf strukturelle Benachteiligung hinzuweisen. Bei öffentlichen Auftritten sowie im Gespräch, vor allem mit Politiker_innen, sollten Multiplikator_innen auf die Einschränkung der Grund- und Menschenrechte für Asylsuchende hinweisen sowie für eine Änderung der Situation eintreten.
Perspektivwechsel
Fortbildungen bietet zum Beispiel das Interkulturelle Bildungsnetzwerk Baden-Württemberg:http://www.bildungsnetzwerke-bw.deMaterialien des Netzwerkes rassismuskritische Migrationspädagogik:www.rassismuskritik-bw.deAmadeu Antonio Stiftung: »Hier zu leben, hat mich sehr wachsen lassen – Lebenssituationen von einheimischen und geflüchteten Muslim_innen aus Mecklenburg-Vorpommern«:http://bit.ly/1Rk5AYn
Weiterführende Literatur:
Hassan Ali Djan (2015): Afghanistan. München. Ich. Meine Flucht in eine bessere Welt. HerderJakob, Christian (2016): Die Bleibenden. Wie Flüchtlinge Deutschland seit 20 Jahren verändern. Ch Links Verlag
Dieser Text ist ein Auszug aus der Handreichung „Rechtsextremen Mobilisierungen entgegen treten – Willkommenskultur etablieren“ der Amadeu Antonio Stiftung, die im April 2016 erschien.
Hier zum Download:
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/dokumentation-fachtagungen.pdf
Chronik der Gewalt gegen Geflüchtete bei „Mut gegen rechte Gewalt“:
https://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/service/chronik-vorfaelle
Mehr auf netz-gegen-nazis.de:
WillkommenskulturFlüchtlinge Artikel aus dieser Broschüre auf netz-gegen-nazis.de:Handlungsstrategien gegen Rassismus im Umgang mit GeflüchtetenZusammenarbeit mit Unterkunftsverwaltung, Sicherheitspersonal und EhrenamtlichenKommunikationsstrategien mit Anwohner_innen: »Bürgerversammlungen«Einbeziehung der FlüchtlingsperspektiveSicherheitskonzepte – Schutz von Asylsuchenden und Ehrenamtlichen