Am 15.04.2023 traf sich eine Gruppe von etwa 50 „Reichsbürger*innen“ in Much, im Rhein-Sieg-Kreis im Süden Nordrhein-Westfalens, im Seminarzentrum „Raum für Zeit“. Der Betreiber von kündigte die Veranstaltung auf seiner Homepage an als: „Leucht-Turm Veranstaltung: alternative Sichtweisen, Denk- und Lebensmodelle wollen vier junge Leute präsentieren“ und verlinkt zur Anmeldung auf eine dem „Königreich Deutschland“ (KRD) zugehörige Webseite. An den unübersehbar großen KRD-Logos auf der Seite ist die Zugehörigkeit dieses Projektes – und damit auch der Veranstaltung in Much – zur Reichsbürgerszene eindeutig.
Bei der harmlos angekündigten Veranstaltung handelt es sich um den Versuch des KRD, ihre angekündigte Aufbaukampagne nun im Süden NRWs in Gang zu setzen. Auf der Internetseite wird unter der Rubrik „Seminare“ auf den Inhalt der Veranstaltung „KRD-Info Seminar und Aufbau“ hingewiesen: „Es geht darum, wie Du für Dich und Deine Lieben eine freie Zukunft mit lebenswerten Perspektiven aufbauen kannst, in der sich alle frei entwickeln, in ihre volle Schöpferkraft und in ihre persönliche Entfaltung gelangen können“.
Peter Fitzek, der selbsternannte „König von Deutschland“, plant den Aufbau sogenannter “Gemeinwohldörfer” mit eigenen Gesetzen und eigener Währung. Die der Polit-Sekte zugehörigen Unternehmen zahlen ihre Abgaben direkt an das KRD. Die Entscheidung, wer in den Dörfern dieses selbsternannten Königreiches leben darf und wie dort gelebt wird, trifft letztendlich und allein der in letzter Zeit immer offener antisemitisch auftretende „König“. Wie es sich für ein Königreich und eine Polit-Sekte gehört, ist der gesamte Aufbau der Organisation streng hierarchisch und demokratiefeindlich.
Die Gefährlichkeit dieser Reichsbürgergruppierung zeigte zuletzt Tobias Ginsburg, der für sein Buch “Die Reise ins Reich”, acht Monate verdeckt, unter Reichsbürgern recherchiert hat. Er bezeichnet das KRD als „Einstieg in den Kaninchenbau“: „Rechtsesoterische Gurus wie Fitzek wirken zunächst harmlos, locken nicht nur mit ihren Schreckensszenarien, sondern eben auch mit hippiesken Aussteigerfantasien und einem Versprechen von Freiheit und autarkem Leben.“ Dahinter verbergen sich laut Ginsburg jedoch die verbindenden Elemente rechter Subkulturen: angebliche Souveränität, die Sehnsucht nach dem Reich und dem wahren Deutschland.
Als „Leuchtturm“ bezeichnet sich eine KRD-Gruppe um Kevin Mender, „Absolvent der Königsklassse“ (des KRD), die sich in Düsseldorf angesiedelt hat. Dort betreibt Mender die Kampfsportschule „Campus-Concept“, bei der es sich laut Impressum und Hinweisen in ihren Fenstern um ein Unternehmen „im Königreich Deutschland“ handelt. „Campus-Concept“ und ihre Verbindung zum KRD wird im Verfassungsschutzbericht NRW 2022 erwähnt, als Versuch des “Königreich Deutschlans” “unternehmerisch tätig zu sein und sich dabei außerhalb der Rechtsordnung zu stellen”. Mender sorgt mit bundesweit organisierten Veranstaltungen für die Expansion des „Königreichs“.
Auch die jüngste Veranstaltung in Much gehört zu den Vernetzungs- und Aufbauaktivitäten, die von Düsseldorf ausgehen. Da zahlreiche Autos aus dem Rhein-Sieg-Kreis vor Ort waren, wurde dieses Ziel offenbar erreicht. Gleichzeitig wurde mit der Seminargebühr von 43 Euro ein guter Umsatz mit der Veranstaltung erzielt – „König“ Peter Fitzek kann sich freuen. Aber nicht nur er: Wie auch in Sekten üblich, sollen die Seminarleiter*innen für neu angeworbene KRD-Mitglieder Prämien erhalten. Informationen zu den Düsseldorfer KRD-Strukturen um Kevin Mender hat das terz-Mazagin hier zusammengetragen:
Zu den Referenten, die in Much über ihre “alternativen” Sichtweisen berichteten und von denen einige sichtbar auffällige KRD-Wappen auf ihrer Kleidung trugen, gehört auch Holger Wiese, der mit Kevin Mender auch über den Kampfsport eng verbunden ist. In den Räumen in denen jetzt “Campus-Concept” sein Training anbietet, war vorher seine „Kung Fu-Campus“-Schule untergebracht.
Für die Veranstaltungsplanung war Britta Vogelberg zuständig, die 2021 in Bremen zur Vorsitzenden der Pandemieleugner*innen-Partei „die Basis“ gewählt wurde. Britta Vogelberg, Kevin Mender und Holger Wiese werden auch auf der Seite des KRD als Vortragsredner geführt.
Zu den weiteren Personen, die auf der Website von „Leuchtturm“ vorgestellt werden und die in Much anwesend waren, gehörten „Klaus“ (Nachname nicht bekannt), der auf der Seite als „Macher in Bild und Ton“ vorgestellt wird und der die Veranstaltung filmte, außerdem „Marek“ als Ansprechpartner im Bereich „Deutsche Heilfürsorge“ und „Dori“ als Ansprechpartner im Bereich „Betriebsgründung im KRD-Rechterahmen“.
Im „Großraum Bergisch Gladbach“ wird aktuell für den 20. Mai ein weiteres Aufbauseminar angekündigt, das vermutlich in den gleichen Räumlichkeiten stattfinden soll. Da aber dem KRD-Leuchtturm-Projekt nach Veröffentlichungen bereits Räumlichkeiten in Bottrop gekündigt wurden, bleibt zu hoffen, dass es keine weiteren Treffen in Much geben wird und somit der Rhein-Sieg-Kreis – ebenso wie der direkt an Much angrenzende Oberbergische Kreis –nicht zum Ausgangspunkt der Planung eines KRD-Gemeinwohldorfes werden.