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re;publica 2019 Wie gehen wir um mit Desinformation?

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Journalist und Schriftsteller Michal Hvorecký berichtet über die Situation in der Slowakei. (Quelle: BTN/SR)

Im Panel „Kampf gegen Fake und Trolle. Wie sich Osteuropa gegen den Hass wehrt“ berichtet Journalist und Schriftsteller Michal Hvorecký über die Situation in der Slowakei. „Wer sich in der Slowakei kritisch mit Rechtsextremismus und Diskriminierung auseinandersetzt, muss viele Beschimpfungen über sich ergehen lassen. Das ist Alltag“, sagt Hvorecký. Trolle kommen zu seinen Lesungen, fotografieren Bilder, auf denen er möglichst mies aussieht, und verbreiten die „grässlichen Fotos“ mit erfundenen Zitaten. Für Demokratie und Minderheitenschutz engagierte Intellektuelle werden als Zensoren beschimpft oder beschuldigt, sie wünschten sich islamistischen Terror in der Slowakei, sie seien degeneriert oder von der jüdischen Weltverschwörung gesteuert. „Das ist unser Alltag, damit leben wir als kritische Schreiber“, sagt Hvorecký. Es bleibt allerdings nicht immer bei Worten. Der 28-jährige Journalist Jan Kuciak, der zu Verbindungen zwischen Politik und organisierter Kriminalität arbeitete, wurde 2018 zusammen mit seiner Verlobten Martina Kušnírová erschossen. Zuvor war er vom Unternehmer Marian Kocner bedroht worden, über den er recherchiert hatte. Kocner steht nun vor Gericht. Hvorecký sagt: Das wird ein sehr wichtiger Prozess. Kann das Vertrauen in Gericht und Staat wieder hergestellt werden?“

Im Präsidentschaftswahlkampf war vor allem die proeuropäische, prodemokratische, liberale Kandidatin Zuzanna Caputova dem Hass und den Lügen demokratiefeindlicher Trolle ausgesetzt. „Dass Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens angegriffen werden, ist in der Slowakei leider normal – ihre Reaktion aber nicht“, sagt Hvorecký. Caputova antwortete – ruhig und sachlich – auf allen Social Media-Kanälen auf alle Lügen, die über sie verbreitet wurden, klärte über alle erfundenen Zitate auf. „Natürlich wurde das gesellschaftlich diskutiert: Gibt sie den Hasserzählungen zu viel Aufmerksamkeit? Aber nein, es kam sehr gut an, das sie auch über die schwierigen Themen offen spricht und Stellung bezieht.“ Im März 2019 gewann sie die Präsidentschaftswahlen.

Trolling und Desinformation haben in der Slowakei übrigens keinen allzu negativen Klang. Eine Verschwörungswebsite namens „Hauptnachrichten“, die Lügen und erfundene Geschichten verbreitet, erreicht in der Slowakei mit ihren 5 Millionen Einwohnern ganze 1 Million Leser*innen im Monat. „Die Schreiber dieser Website, die oft gegen Migrant*innen und Flüchtlinge hetzt, haben enge Kontakte nach Moskau; da werden Inhalte vorgegeben“, sagt Hvorecký und zeigt Bilder, die das belegen. Trotzdem wirken die Desinformationen: Die rechtsextreme Partei „Unsere Slowakei“ ist besonders bei Menschen unter 24 Jahren beliebt. Als Gegenstrategie engagieren sich Aktivist*innen, damit die rechten Trollseiten – mit denen auch wegen der vielen Klicks, die sie generieren, viel Geld verdient werden kann – in der Aufklärungsarbeit bei Unternehmen: Sie sollen keine Werbung mehr auf demokratiefeindlichen Websites posten: „Und wir konnten schon dafür sorgen, dass tausende Anzeigen dort nicht mehr geschaltet wurden.“

Die Debatte: „The new abnormal: Hate, Fakes, Mobbing. Wie machen wir das Netz zu einem besseren Ort?“ geriet dagegen eher zu einem Beispiel, wie Mediendiskussionen zum Thema weniger konstruktiv laufen. Input gab die Journalistin Alexandra Borchardt vom Reuters Institute for the Study of Journalism aus Oxford, die Studienergebnisse ohne Quellenangaben vorstellte, die möglicherweise mehr aus dem amerikanischen Raum stammten und deshalb zu etwas anderen Ergebnissen kamen als thematisch ähnliche Studien in Deutschland. So kam sie etwa zu Aussagen wie: „Fake News“ (also Desinformation) seien gar kein großes Problem, denn nur wenige Leser*inne sähen sie und noch weniger teilten sie. Und die, die viele Falscherzählungen teilen, seien über sechzig Jahre alt, die jungen User*innen machten das nicht. Menschen glaubten recherchierten, sachlichen Journalismus viel mehr als Social Media Posts. Und die meisten User*innen, die über „Fake News“ sprächen, meinten damit schlechten Journalismus mit Clickbait und Fehlern, und den könne man ja verbessern. Das sind ohne Zweifel Dinge, die Journalist*innen gern hören. Als Gegenstrategien empfahl sie außerdem Regulierung und Medienbildung. Da das Problem damit kleingeredet war, fühlten sich auch andere Panelteilnehmer ermutigt, erwiesenermaßen wirkungslose Gegenstrategien zu propagieren („Einfach nicht beachten“) oder unwidersprochen zu sagen, es gäbe ja nur strafrechtlich relevante Hate Speech – dabei macht die nur einen kleinen Teil des Hasses in Sozialen Netzwerken aus. Einzig Teresa Bücker, Feministin und Redakteurin von „Edition F“, hatte offenkundig bereits Erfahrung mit dem Themenbereich und plädierte für gut moderierte Kommentarspalten, die zur ernsthaften und nicht einseitigen Kommunikation mit Leser*innen genutzt würden: um in den Dialog zu gehen, Feedback einzubinden und sich auszutauschen: „Denn wenn es dem Medium egal ist, was die Leser*innen machen, die Kommentarspalten ein Eigenleben führen, dann kommt es zu Wildwuchs.“

Wie recherchieren Journalist*innen ein geheimes rechtsextremes Netzwerk in Bundeswehr und Polizei? Darüber berichteten Christina Schmidt, Martin Kaul, Sebastian Erb und Alexander Nabert von der taz beim Panel „Die Akte Hannibal – ein Werkstattbericht“. Hinterher ist klar: Mit viel Zeit, viel Einsatz, mit Bedrohung, durch Treffen mit Informat*innen im realen Leben und im Internet. An einem komplexen Schaubild zum komplexen Thema berichten die Journalist*innen vom Prozess des Erkenntnisgewinns von den ersten Anzeichen einer „Prepper“-Gemeinschaft mit Polizei- und Bundeswehr-Mitgliedern über die rechtsextremen Chatgruppen und den Verein Uniter e.V. bis zur Planung von Terror-Aktivitäten wie bei Franco A. und „Nordkreuz“. Immer, wenn auch 2017 begonnenen Recherche in der taz berichtet wird, gibt es viele Klicks, aber wenig weitere mediale Resonanz: „Vielleicht war die Geschichte schon zu genau recherchiert“, sagt taz-Reporter Martin Kraul. Erst ein Fernsehbericht mit „Frontal 21“ erweckt längeres Interesse am Thema. In Landesparlamenten wurden schnell kleine Anfragen zum Vorgang gestellt, die in der Regal aber mit „keine Erkenntnisse“ beantwortet wurden. Dabei, so legen die Journalist*innen dar, gibt es weiterhin einiges zu klären, etwa die Nähe von Geheimdiensten wie dem Militärischen Abschirmdienst zur den Rechtsextremen, die sich auf „Tag X“ vorbereiten. Immerhin ist den Menschen um „Hannibal“ nur ein Trainingsgelände für militärische Übungen gesperrt, ein Polizist wurde versetzt, gegen einen anderen ermittelt die Bundespolizei, ein Sicherheitschef wurde wegen Uniter-Mitgliedschaft entlassen und selbst ein Pseudoritterorden hat sich von Uniter distanziert.

„Entlarven oder ignorieren – was müssen die Öffentlich-Rechtlichen gegen Fake News tun?“ war ebenfalls ein Diskussionspanel, das schnell bei der Frage landete: Wessen Aufgabe ist es denn nun, sich Desinformationen entgegenzustellen? Können Gebührenzahler*innen erwarten, dass ihr öffentlich-rechtlicher Rundfunk sich hier engagiert? Oder sollten die Sozialen Netzwerke selbst diesen Job übernehmen? Können sie es überhaupt?

Und auf welche Desinformationen sollenJournalist*innen reagieren? Ina Ruck ist ARD-Korrespondentin in Moskau und sagt: “In Russland kommen die Desinformationen von der Regierung: Lügen über die Ukraine, über Deutschland – wenn sie von oben kommen, müssen wir darauf reagieren!” Alles andere, findet sie, wird geadelt, wenn Journalist*innen es aufgreifen. Das sieht Anna-Mareike Krause, Head of Social Media beim rbb, anders: “Fake News bleiben ja nicht im Netz. Erst letzte Woche griffen in Brandenburg vermummte Anwohner eine Jugendherberge an, weil es eine Lüge gab über eine ermordete junge Frau und Geflüchtete in der Jugendherberge. Dabei gab es weder den Mord noch waren Geflüchtete dort untergebracht. Aber Fake News können gewalttätige Konsequenzen im realen Leben haben. Es ist unser Job, die Welt in richtig und falsch zu sortieren.”

Patrick Gensing vom ARD-Faktenfinder stimmt ihr zu: “Desinformationen haben keine positive Agenda – sie sollen nur Diskurse zerstören, Zweifel ohne Grund sähen, die Glaubwürdigkeit von Journalist*innen und Behördenvertreter*innen untergraben. Jede Sachebene wird zerstört, Debatten massiv verzerrt.” Aber Patrick Gensing sieht aber auch eine Mitschuld bei der aktuellen Online-Medien-Kultur: “Viele Medien funktionieren wir Durchlauferhitzer für Agenturmeldungen. Sie werden morgens ungeprüft veröffentlicht, mit irreführenden Überschriften, und im Laufe des Tages wird geprüft und oft festgestellt: Das stimmt so nicht. So können wir Onlinejournalismus nicht mehr so betreiben! Das zerstört auch Vertrauen in Journalismus. Wir müssen weg vom Rausch der Geschwindigkeit kommen und mehr checken, bevor wir veröffentlichen.”

 

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