Wie die Bundesanwaltschaft am Montagmorgen mitteilte, hat sie in Sachsen und Bayern sechs Männer festnehmen lassen. Außerdem wurden mehrere Wohnungen und Räume in Sachsen durchsucht. Gemeinsam mit einem siebten Mann, Christian K., der Führungsfigur der Gruppe, sollen sie unter dem Decknamen „Revolution Chemnitz“ eine Terrorvereinigung gebildet haben.
Die vermeintlichen Rechtsterroristen sollen bereits bei einem „Probelauf“ am Rande einer „Pro Chemnitz“-Demonstration am 14.09.2018 Migrant*innen angegangen haben. Bewaffnet mit Glasflaschen, Quarzhandschuhen und einem Elektroimpulsgerät sollen sie gemeinsam mit weiteren gewaltbereiten Neonazis auf der Schlossteichinsel in Chemnitz mehrere Migranten angegriffen und verletzt haben. Ein Opfer, ein Iraker, wurde durch den Wurf einer Glasflasche am Hinterkopf verletzt. Weil die mutmaßlichen Täter auch Ausweise kontrollierten haben sollen, wurden sie von der Polizei als „Bürgerwehr“ bezeichnet. Der Rädelsführer Christian K. sitzt seit dem Angriff in Untersuchungshaft.
Bei einem “Probelauf” wurden Migrant*innen angegriffen. Der große Coup sollte am 3. Oktober folgen
“Der Übergriff sollte den Ermittlungen zufolge ein ‘Probelauf’ für ein von den Beschuldigten für den 3. Oktober 2018 geplantes, in seinen Einzelheiten aber noch nicht näher aufgeklärtes Geschehen sein“, gab die Bundesanwaltschaft am Montag bekannt. Sie sollen Angriffe auf Migrant*innen und Andersdenkende beabsichtigt haben und sich offenbar zu diesem Zweck um halbautomatische Schusswaffen bemüht haben. Doch die Ermittler gehen davon aus, dass es der Gruppe um mehr ging. Ziel der Gruppe sei die Beseitigung des demokratischen Rechtsstaats gewesen. Laut Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ gehen die Fahnder*innen davon aus, dass gewaltsame Attacken auf Politiker*innen, Journalist*innen und andere Menschen folgen sollten, die in der Öffentlichkeit für den freiheitlichen Rechtsstaat stehen.
Mindestens einer der Beschuldigten wurde nicht erst in jüngster Zeit radikalisiert: Tom W., einer der Beschuldigten, stand bereits vor zehn Jahren vor Gericht. Er war einer der Köpfe der 2007 verbotenen rechtsextremen Kameradschaft „Sturm 34“. Polizeiangaben zufolge gehen allein in den ersten vier Monaten des Jahres 2007 rund 70 Straftaten auf das Konto von „Sturm 34“, darunter Körperverletzungen, Bedrohungen und Volksverhetzung. Tom W. war schon vor über zehn Jahren in einer Art Bürgerwehr, der „Streifen für ein ausländerfeindliches Mittweida“, aktiv.
„Revolution-Chemnitz ANW“-Gruppe auf Facebook
Auf Facebook gibt es zwei Seiten, die sich „Revolution Chemnitz“ nennen. Wobei die eine Gruppe bis 2013 bespielt wurde, und danach gingen die Aktivitäten auf der Seite „Revolution-Chemnitz ANW“ weiter. So beobachtet es Miro Dittrich, Monitoring-Experte der Amadeu Antonio Stiftung. „Zwar wissen wir zum jetzigen Stand nicht, ob die mutmaßlichen Rechtsterroristen in dieser Gruppe aktiv waren, klar ist jedoch, dass hier eindeutig nationalsozialistische Ideologie verbreitet wird und dass sich die Mitglieder eine gewaltsame Revolution herbeisehnen“, so Dittrich. Allerdings spricht die Bundesanwaltschaft davon, dass sich die Beschuldigten spätestens am 11. September zur Gruppierung „Revolution Chemnitz“ zusammengeschlossen haben.
Im Rahmen der Ereignisse in Chemnitz wurde öffentlich lange Zeit eine irreführende Debatte darum geführt, ob es sich um „Hetzjagden“ auf Migranten gehandelt hat. Das eigentliche Problem, dass ein rechtsextremer Mob menschenverachtende Parolen skandierend durch die Innenstadt zog, wurde dadurch verdrängt. Wenig überraschend, aber dennoch erschreckend ist es, dass sich zu diesem braunen Mob nun offenbar eine rechtsextreme Terrorzelle gehört. Bei Mobilisierungen für rechtsextreme Kundgebungen mit solcher Dynamik wie in Chemnitz besteht immer die Gefahr, dass sich in ihrem Dunstkreis rechtsextreme Terrorzellen bilden. Auch da solche Demonstrationen der Vernetzung der rechtsextremen Szenen dienen.
Den mutmaßlichen Rechtsterroristen von “Revolution Chemnitz” ging es, anders als den Rechtsterrorist*innen des “Nationalsozialistischen Untergrundes” (NSU), um mehr als um die Vertreibung von Migrant*innen, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“. Die mutmaßlichen Terroristen hätten die Gesetze des Rechtsstaats außer Kraft setzen wollen. Sie wollten nicht nur Angst und Schrecken verbreiten wie der NSU, sie wollten die Gesellschaft in Gänze umkrempeln. In der internen Kommunikation der Gruppe, über die die Süddeutsche Zeitung berichtet, fiel dabei die Aussage, dass der NSU nur eine “Stümpertruppe” gewesen sei.