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Rezension „Prepper. Bereit für den Untergang“

Hefe und Klopapier – das haben viele Menschen in der ersten Phase der Covid-19-Pandemie gebunkert und gehortet. Die Tatsache, dass Menschen in Supermärkten handgreiflich geworden sind, weil sie lediglich eine Packung Klopapier pro Haushalt einkaufen durften, zeigt das Ausmaß irrationaler Existenzängste in unserer Gesellschaft. Längst rechnet ein Teil der Gesellschaft mit Chaos – und bereitet sich vor. Wer sind diese Prepper:innen? Das neue Buch „Prepper. Bereit für den Untergang“ der Journalistin Gabriela Keller gibt Antworten.

 

Wer das Wort „Prepper“ hört, denkt unweigerlich an die rechtsterroristische Gruppierung „Nordkreuz“. Das Wort ist, nachdem die Aktivitäten der Gruppierung im Sommer 2017 ans Tageslicht kamen, mit der extremen Rechten verwachsen. Die Mitglieder sehnten den Tag X, den Tag des gewaltsamen Systemumsturzes, herbei. Sie horteten – neben Lebensmitteln – Waffen, sie erstellten Todeslisten und kauften Leichensäcke. Insofern hat „Nordkreuz“ das Bild der Prepper:innen in der Öffentlichkeit nachhaltig verändert. Die – ebenso – rechtsterroristische „Gruppe S.“ ist ein aktuelles Beispiel gewaltbereiter Prepper:innen. Sie planten gezielte Anschläge, um den Systemumsturz zu beschleunigen („Akzeleration“).

Die Journalistin Gabriela Keller mahnt: Wer das Milieu der Prepper:innen ausschließlich mit Rechtsterrorist:innen verbindet, liegt falsch. Im Buch schreibt sie: „Längst und nicht erst seit der Corona-Krise zieht sich die Bewegung bis in die Mitte der Gesellschaft.“ Das Thema sei „extrem vielschichtig und schwer zu greifen“. Deshalb sei es schwer, generelle Aussagen über Prepper:innen zu treffen. Grundsätzlich leitet sich der Begriff „Prepper“ aus dem Englischen ab: (to) prepare = sich vorbereiten. Er „bezeichnet Menschen, die sich vorbereiten auf den Tag, an dem nichts mehr so ist wie vorher“. Der Grund, warum Menschen preppen, liegt laut Keller in deren Biographie: Die meisten Prepper:innen hatten ein Schlüsselerlebnis, das sie zum Preppen veranlasst hat. Das kann durchaus eine banale Erfahrung gewesen sein. Am Ende dieser Erfahrung steht ein erschüttertes Sicherheitsgefühl und der Wunsch nach einem autarken Leben.

Keller gelingt eine differenzierte Betrachtung der Thematik – ohne die Bestrebungen der extrem rechten Prepper:innen zu relativieren und zu verharmlosen. Es gibt Einzelpersonen und Kleingruppen, lokale und regionale Stammtische, unzählige Facebook-Gruppen und Telegram-Kanäle. Prepper:innen sind keine homogene Gruppierung. Stattdessen handelt es sich um ein „Set von Praktiken“. Im Buch erzählt sie von ihren Begegnungen in der Szene. Sie nahm an Prepper- und Survival-Kursen teil und recherchierte über Monate hinweg in geschlossenen und offenen Facebook- und Telegram-Kanälen, um sich ein Bild von den Typen des Preppens zu machen. Die Eindrücke und Erkenntnisse, die Keller in den Chats und Workshops gewinnen konnte, sind in das Buch eingeflossen. Die eindrücklichen Schilderungen offenbaren auch die Skurrilitäten der „Bewegung“.

Keller beleuchtet die amerikanischen Ursprünge der privaten Krisenvorsorge und erklärt die wichtigsten Begriffe zum Verständnis des Milieus. Beispielsweise unterscheidet sie zwischen Prepper:innen und Survivalist:innen, „Bug-in-Preppern“ und „Bug-out-Preppern“. Zudem lässt die Journalistin die aktuellen Erkenntnisse aus der Forschung in das Buch einfließen: Die Mitglieder der Szene sind in der Regel männlich und zwischen Anfang, Mitte 20 und 50 Jahre alt. Sie stammen aus der oberen Mittelschicht und haben einen naturwissenschaftlichen, sicherheitspolitischen oder wirtschaftlichen Hintergrund. Die Erkenntnisse, die Keller im Laufe ihrer Recherchen gesammelt hat, stimmen mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen überein: Die meisten Prepper:innen, die Keller kennengelernt hat, waren „normale Durchschnittsdeutsche mit normalem Durchschnittsleben“. Sie haben ein Einfamilienhaus, einen Beruf, Kinder. Sie haben Geld – und Angst, das Geld zu verlieren.

Im abschließenden Kapitel des Buches widmet sich die Autorin den Menschen mit realen Existenzängsten: Menschen in Armut, in tatsächlichen Krisen. Menschen, die am Monatsende kein Geld haben, aber dennoch versuchen, sich Vorratslager einzurichten, um ausfallende Einnahmen über einen bestimmten Zeitraum hinweg kompensieren zu können. Das Abschlusskapitel führt den Leser:innen die realen Herausforderungen vor Augen. Im Hier und Jetzt.

Das Buch „Prepper. Bereit für den Untergang“ von Gabriela Keller ist Anfang 2021 im Verlag Das Neue Berlin erschienen und kostet 18 Euro. www.eulenspiegel.com/verlage/das-neue-berlin/titel/bereit-fuer-den-untergang-prepper.html

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