Querfront, der Begriff ist en vogue. Er stammt aus der Weimarer Republik, damals bezeichnete er vor allem eine Strategie Kurt von Schleichers und der Reichswehrführung. Der Plan war es eine Massenbasis aus Gewerkschaften und Teilen der NSDAP herzustellen. Ein autoritäres Präsidialsystem sollte so aufgebaut und gestützt werden.
In der Nachkriegszeit trat der Querfront-Gedanke in den Hintergrund. Erst mit dem Aufstieg der Neuen Rechten erhielt er erneut Einzug in den politischen Diskurs. Heutzutage wird der Begriff immer dann verwendet, wenn es eine Zusammenarbeit oder Vermischung linker und rechter Positionen gibt.
Auch das Onlinemagazin Rubikon News wird so tituliert, zum Beispiel von der Süddeutschen Zeitung. 2017 von eher linken Journalist:innen gegründet, will das im Stil eines Onlineblogs auftretende Magazin berichten, „was in den Massenmedien nicht zu finden ist.“ Eine Mitinitiatorin war Gaby Weber, die 1978 bereits die taz mitgründete. Der Name bezieht sich, wie Weber 2017 in einem Interview bekannt gab, auf den römischen Bürgerkrieg: Caesar überquerte mit seinen Truppen den Rubikon, damit erklärte er dem Senat den Krieg. „Weil es für ihn kein Zurück mehr gab, sagte er „alea iacta est“, die Würfel sind gefallen. Das ist bei uns auch so. Wir wollen keine Denkverbote.“ Nur drei Wochen später gab es für Weber allerdings ein Zurück. Auf ihrer Website erklärte sie, dass sie der Seite den Rücken gekehrt habe.
In ihrem Statement kritisierte sie unter anderem die fehlende Trennung zwischen Geschäftsführung und Redaktion. Da alle Entscheidungen über Jens Wernicke laufen, der vorher bei den Nachdenkseiten arbeitete, fehle die Transparenz. Auch die mangelnde Qualität einiger Artikel war ihr ein Dorn im Auge. Manche seien gar „peinlich“, ein „Jubelartikel“ über den Antisemiten Xavier Naidoo störte sie besonders: „Rubikon feiert Naidoo als genialen „Vertreter der Entrechteten“ und als Tabubrecher und verschweigt dessen rassistische Sprüche“, schrieb sie.
Ein Querfront-Magazin
„Zu den auffälligsten Merkmalen der heutigen wie auch historischen Querfront zählt eine geopolitische Orientierung nach Osten“, schreibt der Historiker Volker Weiß in einem Sammelband für die Heinrich-Böll-Stiftung. Bei Rubikon News muss man nach dieser Ostorientierung nicht lange suchen. Übermedien fasst es treffend zusammen: „Gegen die USA, gegen Israel, für Russland, gegen Waffenexporte, gegen Angela Merkel“, das ist der Tenor vieler Beiträge. Dazu kommt, dass Autor:innen, die u.a. auch für den russischen Propagandasender RT Deutsch arbeiten, im Beirat der Seite sitzen. So veröffentlicht auch der RT Deutsch-Geschäftsführer Ivan Rodinov auf der Seite Artikel.
Autor:innen sind auf der Seite allerdings sehr viele aufgeführt, über 600 werden genannt. Diese bilden ein Potpourri aus bekannten Gesichtern und vollkommen unbekannten Schreiber:innen. Namen wie Sarah Wagenknecht, deren Sammlungsbewegung „Aufstehen“ auch schon eine Querfront vorgeworfen wurde, Noam Chomsky oder Christoph Butterwegge sind dort zu finden. Aber auch Texte der Aktivistin Naomi Klein, des ehemaligen CDU-Politikers Jürgen Todenhöfer und des Verschwörungsideologen Ken Jebsen kann man auf der Seite lesen. Auffallend bei der Liste: Über 80 Prozent der Autor:innen sind männlich.
Die für Querfront-Medien typischen verschwörungsideologischen Erzählungen kommen bei Rubikon News ebenfalls nicht zu kurz. Es kommen Autor:innen auf der Seite zu Wort, die in einem Artikel leugnen, dass AIDS durch das HI-Virus ausgelöst wird. Auch eine merkwürdig verständnisvolle Rezension von „Mein Kampf“ wurde auf der Seite veröffentlicht. Der Text handelt von der „erstaunlichen Aktualität der Gedanken des ‚größten Führers aller Zeiten‘“.
Zu der antiamerikanistischen Einstellung der Seite dürfen natürlich Verschwörungserzählungen rund um die Anschläge vom 9. September 2001 nicht fehlen. Aber auch hinter islamistischen Terroranschlägen der letzten Jahre werden mögliche Inszenierungen vermutet. Texte des Verschwörungsfreundes Daniele Ganser, der als Freund der Seite aufgeführt wird, lassen sich zu „9/11“ finden. So schreibt er zum Beispiel in einem Artikel, die „Mainstream-Medien verschweigen mehrheitlich nicht nur die wissenschaftliche Widerlegung des 9/11-Narrativs, sondern greifen auch jeden an, der diese zum Thema macht.“ Jens Wernicke, einer der Mitbegründer von Rubikon News, war früher Mitarbeiter des Schweizer Historikers Ganser.
Wernicke, der derzeit als stellvertretender Chefredakteur angegeben wird, wanderte letztes Jahr nach Lateinamerika aus, wie er in einem Artikel bekannt gab. Der angebliche Grund: „Den Fortbestand mindestens eines kritischen Mediums im deutschen Sprachraum absolut sicherzustellen.“ Als Teil des „Abwehrplan gegen die faschistische Gefahr“ wurde dazu im letzten Jahr ebenfalls eine Firma gegründet. Die „Libertas Publishing LLC“ hat ihren Sitz in Florida. Dabei soll das einzige Firma, in der Wernicke laut eigener Aussage nicht wirtschaftlich beteiligt ist, die Gründung einer privatrechtlichen Stiftung in Lateinamerika sein. Diese soll unabhängigen Journalismus unterstützen. Angeblich ist diese dabei so gut abgesichert, dass die Mittel der Stiftung „durch keinen Staat der Welt mehr eingefroren oder beschlagnahmt werden“ können.
Rubikon als Stichwortgeber während der Pandemie
Während der Pandemie entwickelte sich Rubikon News zu einer wichtigen Quelle für verschwörungsideologische Querdenker:innen und Pandemieleugner:innen.
So wurden vom Organisator der „Hygiene-Demos“ am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin, Anselm Lenz, seit dem Beginn der Pandemie bereits zehn Artikel auf Rubikon News veröffentlicht. In diesen schreibt er, dass es Zeit werde, Bürgerrechte „gegen den sich ausbreitenden neuen Totalitarismus zu verteidigen“ oder dass die „Architekten des neuen Gesundheitstotalitarismus“ auf „die Unterwerfung des ganzen Planeten“ abzielen.
Wernicke schlägt in eine ähnliche Kerbe. Im April 2020 sprieb er von „relativen Gefahrlosigkeit des Erregers“. Daher reichte der Rubikon-Herausgeber gegen die rheinland-pfälzische Notstandsverordnung im Jahr 2020 Klage ein. Bis heute zieht sich das populistische Narrativ, dass Covid-19 von einer Elite verwendet werde, um die Bürger:innen zu entmündigen, auf der Seite durch. Am 20. Januar 2022 erschien zum Beispiel ein Artikel unter der Rubrik „Fassadendemokratie & Tiefer Staat“. Der Autor schreibt in „Der erwachende Faschismus“ davon, dass die Pandemie eigentlich „eine Strategie der einflussreichsten Kapitalisten zur technokratisch-autoritären Umgestaltung unserer Gesellschaft“ sei.
Antikapitalismus als vereinendes Element
Ihr Hass gegenüber einer meist nicht näher definierten Elite lässt sich bei Rubikon News als eins der zentralen Elemente ausmachen, dass die linke und rechte Positionen vereint. Der Historiker Volker Weiß erkennt das auch in der historischen Form der Querfront: „Insgesamt diente die Querfront-Idee eher dazu, antikapitalistische Bedürfnisse zu bedienen“, schreibt er in seinem Text. Auch bei Telegram, den bei Verschwörungsideolog:innen und Rechtsextremen beliebten Messenger-Dienst, erkennt Rubikon News ein elitistisches Problem: „Die Gebrüder Durov, Gründer des Messengers Telegram, werden von der westlichen Hochfinanz hofiert.“ In diesen Tenor passen viele Texte von Rubikon, die Angst vor der „bösen Elite“ wird geschürt und in populistischer Manier stellt man sich als Vertreter der “guten, normalen” Bürger:innen da.
Überall finden sich in dem Online-Magazin Verweise auf Eliten, Kapitalist:innen oder die „Hochfinanz“. Mal wird der darin enthaltene Antisemitismus auf Feindbilder wie Bill Gates oder George Soros personalisiert, oft wird, ob bewusst oder unbewusst, unkonkret formuliert. Für Weiß bildet genau so etwas keine Kritik an der politischen Ökonomie ab. Es bedient sich verschwörungsideologischer Narrative und Personalisierung. „In ihnen Mobilisierungspotential zu sehen bedeutet den Abschied von emanzipatorischer Politik. Insgesamt würde die Linke in so einem Projekt nicht eingebunden, sondern aufgelöst“, warnt der Historiker.