Dass Russland enge Kontakte zu Rechtsextremen und Populist*innen in Europa pflegt, ist nichts Neues. Ministerpräsident Viktor Orbán in Ungarn, die FPÖ in Österreich, der Rechtspopulist und ehemalige Verteidigungsminister Panos Kammenos in Griechenland und wohl am prominentesten die Präsidentschaftskandidatin des Rassemblement National, Marine Le Pen in Frankreich: alle standen oder stehen noch immer im engen Kontakt zu Russland. Auch die AfD pflegt Kontakte in Russland. Erst im Sommer 2021, reiste AfD-Chef Tino Chrupalla zu einer Konferenz des russischen Verteidigungsministeriums. Und selbst nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine spricht sich die AfD nicht geschlossen gegen die Vorgehensweisen des Kremls aus. Im Mai 2022 ließ sich der AfD-Bundestagsabgeordnete Stefan Keuter live zu einer russischen Konferenz mit dem Titel „Wirtschaft gegen Sanktionen“ zuschalten.
Während die engen Kontakte Russlands in rechtsextreme und populistische Strukturen anderer europäischer Länder also unumstritten bleibt, ist die Sachlage im Kontext finanzieller Hilfen, Spenden oder Gelder eher unklar. In Frankreich vermittelte die Chefin des russischen „Instituts für Demokratie und Zusammenarbeit“, Natalija Narotschnizkaja Marine Le Pen und ihrer Partei einen Kredit in Höhe von neun Millionen Euro und bewahrte sie so vor dem finanziellen Ruin. Nach deutschem Parteienrecht wären solche Zuschüsse illegal. Potenzielle Geldströme könnten nur im Verborgenen fließen, um über inoffizielle Strukturen oder private Verbindungen Einfluss nehmen.
Dass diese Überlegung nicht besonders weit hergeholt ist, zeigt eine aktuelle Recherche der Süddeutschen Zeitung (SZ). Berichtet wird unter anderem von jahrelanger finanzieller Unterstützung für das rechtspopulistische Magazin Compact. Chefredakteur Jürgen Elsässer veranstaltete regelmäßig Konferenzen, bei denen Redner*innen aus Deutschland, wie Alexander Gauland (AfD) oder Thilo Sarrazin und russische Gäste, wie Abgeordnete der Duma auftraten. Natalija Narotschnizkaja war Kooperationspartnerin für dieses internationale Netzwerk-Event für Rechtsextreme und Populisten. Narotschnizkaja gilt als prominente Vertreterin rechten Denkens in Russland und Initiatorin mehrerer Bewegungen und Organisationen national-konservativer Ausrichtung. Sie absolvierte 1971 ihr Studium am staatlichen Institut für Internationale Beziehungen in Moskau, das zum Außenministerium gehört. Von 2003 bis 2007 war die gebürtige Moskauerin Abgeordnete der Staatsduma, gewählt wurde sie über die Liste des patriotischen Wahlbündisses „Rodina“. Seit 2008 ist sie Leiterin des „Instituts für Demokratie und Zusammenarbeit“ in Paris und 2009 bis 2012 war Narotschnizkaja Mitglied der „Kommission gegen Versuche der Geschichtsverfälschung zum Schaden Russlands” beim russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Auffällig ist die Verstrickung der 73-jährigen Russin in den Fall Franco A. Der Oberleutnant der Bundeswehr führte über ein Jahr ein Doppelleben als syrischer Geflüchteter und steht aktuell wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und Betrug vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt am Main. Wie sich im Laufe des Prozesses herausstellte, pflegte der Oberleutnant nicht nur Verbindungen zu anderen Rechtsextremen, sondern war auch stets auf der Suche nach Möglichkeiten sein Netzwerk und dessen Handlungsmöglichkeiten zu erweitern. In Chats mit Gleichgesinnten, spricht er von der „Stiftungstante“ in Paris, die man doch mal besuchen müsse. Franco A. reiste also im Juli 2016, nur sechs Tage nachdem er in Berlin die Tiefgarage der Amadeu Antonio Stiftung aufsuchte und fotografierte, nach Paris. Bestätigt wurde dieser Ablauf durch gesicherte Handyfotos und die Aussagen seiner Verlobten Sophia T. im laufenden Gerichtsprozess. Die SZ berichtet, dass Narotschnizkaja gegenüber deutschen Ermittler*innen abgestritten haben soll, Franco A. je empfangen zu haben. Was genau sich A. von einem Besuch der Stiftungschefin erhofft hat, bleibt ungeklärt. Die Vermutung liegt jedoch nahe, dass er auf der Suche nach finanzieller oder anderweitiger Unterstützung durch die russische Stiftung war.
Wie die SZ im Rahmen ihrer Recherche aufzeigt, gibt es im Umfeld von Franco A. mehr als nur diese eine Verbindung nach Russland. Maximilian T., Freund und Bundeswehr-Kollege von Franco A. wurde ebenfalls vom MAD als rechtsextrem eingestuft, er stand zeitweise gemeinsam mit A. unter Terrorverdacht und hat ebenfalls Russland-Verbindungen. Sein Vater leitet einen völkischen Verein, das „Deutsch-Russische Friedenswerk e.V.“ in Kiel und T. selbst ist Mitarbeiter des AfD-Politikers Jan Nolte, dessen Frau Katrin Nolte, Tochter eines russisch-orthodoxen Priesters, eine Nachrichtensendung von Compact moderiert. Auch bei den Ermittlungen zu den zahlreichen Mitgliedern der rechtsextremen Prepper-Chatgruppe „Nordkreuz“, in der sich Franco A. befand, ist der Verfassungsschutz offenbar auf einzelne privat betriebene Firmen gestoßen, die durch stille Teilhaber aus Russland auffallen.
Wie die SZ berichtet, beschäftigte sich das Geheimdienst-Kontrollgremium des Bundestags ausführlich mit diesen Ermittlungen. Bereits im November 2020 wurden demnach etliche Spuren gesammelt, die nach Russland führen. Angesichts der aktuellen Entwicklungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine kommen diesen Erkenntnissen neue Bedeutung zu. So stellt der Vizevorsitzende des Kontrollgremiums, der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter fest: „Der Krieg in der Ukraine ist nur die Spitze des Eisbergs der russischen Einflussnahme gegen die regelbasierte Ordnung.“
Die Aussage des CDU-Politikers wird vom kürzlich veröffentlichten Verfassungsschutzbericht gestützt, der „sicherheitsgefährdende[n] Aktivitäten fremder Mächte“ als „eine ernsthafte Bedrohung Deutschlands und deutscher Interessen“ einstuft. Insbesondere Russland steht, auch angesichts der aktuell sehr angespannten Lage, im Fokus dieser Beobachtung zu „Desinformations- und Einflussnahme-Operationen“. Neben den russischen Staatsmedien, einzelnen Einflussakteur*innen und staatlich geförderten und privaten Instituten, darunter auch das „Institut für Demokratie und Zusammenarbeit“, benennt der Bericht die sozialen Medien als wichtiges Werkzeug der Einflussnahme. Belltower.News berichtet über die zahlreichen Methoden der russischen Propaganda, die eben nur ein Ziel verfolgen: Destabilisieren und Chaos stiften.
Während entsprechende Desinformationskampagnen unumstritten und relativ einfach zu erkennen sind, bleiben potenzielle Finanzströme, die vor allem die rechte Szene im Hintergrund unterstützen, größtenteils im Verborgenen. Verbindungen und Netzwerke, wie die, die sich im Kontext der Ermittlungen um den Fall Franco A. und das Hannibal-Netzwerk gezeigt haben, sind vermutlich keine Seltenheit. Bislang sind juristische Hürden für Finanzermittlung jedoch sehr hoch, so die SZ, „erst bei einem ‚Gewaltbezug‘ darf der Inlandsgeheimdienst Bankkonten unter die Lupe nehmen“. Allerdings habe Bundesinnenministerin Nancy Faeser angekündigt, „hier nachbessern zu wollen, um die Spur des Geldes stärker verfolgen zu können“.