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Sächsischer Förderpreis 2023 Viele Wege statt III. Weg

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Diskussion und Gespräch: "Brandanschläge, Rechtsruck, Gewalt – wie soll’s weitergehen in Sachsen?" im Rahmen des VIELE WEGE FESTIVAL im Projekt 46 in Zwickau im April 2023 (Quelle: Alter Gasometer e.V. | Diana Freydank)

Aus insgesamt 49 eingegangenen Bewerbungen hat die Jury sechs Initiativen für den Sächsischen Förderpreis für Demokratie nominiert. Welche der nominierten Initiativen in diesem Jahr den Preis erhält, wird auf der feierlichen Preisverleihung am 9. November im Kleinen Haus des Staatsschauspiel Dresden verkündet.

Mit dem Sächsischen Förderpreis für Demokratie werden Projekte, Initiativen und Kommunen ausgezeichnet, die sich für die Stärkung der Demokratie und Menschenrechte in Sachsen engagieren und sich gegen Rassismus, Antisemitismus oder Rechtsextremismus einsetzen.

Bis zur Preisverleihung am 9. November stellen wir auf Belltower.News alle Nominierten im Interview vor. Heute sprechen wir mit Mario Zenner, Geschäftsführer des Vereins Alter Gasometer.

Belltower.News: Was macht eure Initiative aus?
Mario Zenner: Der Verein „Alter Gasometer“ ist das Ergebnis einer Entwicklungsgeschichte, die im Herbst 1989 begann. Heute steht der Verein in der Region Zwickau für ein hochwertiges und vielfältiges Programm mit seinen inhaltlichen Schwerpunkten Kulturarbeit, Jugendarbeit und Demokratiearbeit. Bildung und Teilhabe sind dabei zentrale Bausteine. Demokratie, Toleranz und Menschenwürde zu vermitteln, ist die Hauptaufgabe unserer Demokratiearbeit. Vernetzung mit vielen Partnern aus der Stadt Zwickau, dem Landkreis Zwickau und dem Vogtlandkreis ist die Basis dafür.  Wir koordinieren das Bündnis für Demokratie und Toleranz der Zwickauer Region, die Zwickauer Partnerschaft für Demokratie und die Regionalstelle Westsachsen Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage. Mit unseren Bildungs- und Projektangeboten stehen wir für einen modernen Demokratiebegriff und bieten niedrigschwellige Angebote für die Bürger*innen der Region an. Wir unterstützen zivilgesellschaftliche Akteure sowie bürgerschaftliches Engagement und begleiten Formate für Jugendbeteiligungen und soziokulturelle Projekte.

Im Ergebnis entwickelte sich in 2023 u.a. ein neues kulturpolitisches Festival in Zwickau – das VIELE WEGE FESTIVAL. Unterstützt von über 80 Akteuren aus Wirtschaft, Sport, Kirche, Kultur, Politik und der Zwickauer Vereinslandschaft.

Warum und wann wurde das Projekt gegründet?
Der Verein ist seit dem 1. September 1990 öffentlichkeitswirksam aktiv. Der Arbeitsbereich Demokratiearbeit erweitert seit 2008 das Portfolio des Soziokulturellen Zentrums Alter Gasometer. Das Projekt „Viele Wege …“ hat seinen Ursprung in den geplanten Aufmärschen der Partei der III. Weg in 2021 und 2022 in Zwickau. Der Dritte Weg ist im Raum Südwestsachsen besonders aktiv und versucht in den letzten Jahren den 1. Mai mit Demonstrationen für sich zu vereinnahmen. Dem stellt sich die Zivilgesellschaft nachhaltig mit dem Slogan „Es gibt viele Wege Zwickau noch schöner zu machen, der Dritte ist es nicht“ und mit Köpfchen entgegen. In diesem Jahr fand in Zwickau kein Aufmarsch statt. Doch braucht es erst Aufmärsche rechtsextremer Gruppierungen, um ein Zeichen zu setzen? Wir fanden nein und entwickelten die Kampagne weiter. Das „Viele Wege Festival“ soll sich in die Tradition der bisherigen Tage der Demokratie und Toleranz einreihen, die bis Corona 2020 jährlich im April/Mai stattfanden. Geändertes Konsumverhalten und der Wunsch nach mehr kulturpolitischen Formaten in Zusammenhang mit Bildungsangeboten ließen uns neu denken und letztlich das „Viele Wege Festival“ entstehen.

Wen wollt ihr ansprechen und wer macht mit?
Die Beschreibung als Soziokulturelles Zentrum will zeigen, dass es um einen Ansatz geht, der Menschen verschiedenen Alters, unterschiedlicher Herkunft sowie vielfältigen Lebens- und Glaubensauffassungen einen Freiraum bietet. Unterschiede sollen nicht als trennend, sondern als anregend und bereichernd erkannt werden.

Alle Programmpunkte des Viele Wege Festivals hatten den Anspruch, gesellschaftspolitisch relevante Fragen aufzugreifen und zum Nachdenken oder ins Gespräch kommen anzuregen. Das Ganze verpackt vor allem in Kultur, ohne Schwermut. Wichtig ist uns der Ansatz einer Aktivierung von Akteur*innen und Partner*innen, die sich sonst nicht offensiv politisch positionieren, da Formate wie Demonstrationen sie nicht abholen. Diese Akteur*innen gilt es auf ihrem Feld zu erreichen. All diese Einrichtungen wurden in ihrem Arbeitsfeld angesprochen und abgeholt und bildeten so die Basis für einen breite Positionierung außerhalb von Demonstrationen und agierten als wichtige Multiplikator*innen. Mehr als 80 Zwickauer Unternehmen, Händler, Verbände, Vereine und Einrichtungen aus Wirtschaft, Sport, Kultur, dem Sozialen und dem Kirchenbezirk Zwickau beteiligten sich letztlich.

Warum ist zivilgesellschaftliches Engagement gerade jetzt so wichtig?
Zivilgesellschaftliches Engagement ist eine der Grundlagen einer lebendigen Demokratie. Zivilgesellschaftliche Organisationen gestalten den gesellschaftlichen Zusammenhalt und ermöglichen bürgerschaftliches Engagement. Werden zivilgesellschaftliche Akteure beschnitten, geht auch ein wichtiger Teil von Demokratie verloren.

In Zeiten von multiplen Krisen wird der Zusammenhalt in der Gesellschaft und die Demokratie auf eine Probe gestellt. Für ein Miteinander statt eines Gegeneinanders. Zivilgesellschaftlichen Strukturen obliegt dafür ebenso eine Verantwortung. Wenngleich es dafür gesunde Rahmenbedingungen, wie auskömmliche und verlässliche Finanzierungen benötigt.

Ihr seid für den sächsischen Demokratieförderpreis nominiert. Braucht Sachsen mehr Demokratie?
Unsere Demokratie muss jeden Tag neu mit Leben gefüllt werden. Sie braucht Menschen, die demokratische Kultur leben, sie erhalten und gestalten. Und dafür benötigt es wertschätzende und langfristige Rahmenbedingungen. Befristete Arbeitsverträge und Fördermittel jeweils bis zum Jahresende (maximal zwei Jahre) prägen die Arbeitsbedingungen in den meisten Projekten. Langfristige und nachhaltige Demokratieförderung wird durch solche Rahmenbedingungen immer wieder ausgebremst.  Die Demokratie ist das Fundament unserer Gesellschaft. Sie ist kein Projekt.

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