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Samidoun Tarnung für Terror

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Samidoun-Anhänger auf einer Demo in Duisburg, zwei Tage nach dem brutalen Angriff der Hamas auf Israel
Samidoun-Anhänger auf einer Demo in Duisburg, zwei Tage nach dem brutalen Angriff der Hamas auf Israel (Quelle: picture alliance/Jochen Tack)

Als die islamistische Terrororganisation Hamas am Samstag tausende Raketen auf den jüdischen Staat abfeuert, israelische Dörfer brutal überfällt, dort Massaker anrichtet, Zivilist*innen entführt, Frauen vergewaltigt und mit ihren geschändeten Leichen durch Gaza paradiert, stehen mutmaßliche Mitglieder von Samidoun auf der Neuköllner Sonnenallee und verteilten Baklava.

Denn für Samidoun ist der Terror Grund zum Feiern: „Es lebe der Widerstand des palästinensischen Volkes“, schreibt die Gruppierung auf Instagram unter einem Bild der Aktion. Die Süßigkeiten verteilen sie „zur Feier des Sieges des Widerstands“, wie im Gazastreifen und der Westbank üblich nach Terroranschlägen gegen Israel. Sie zelebrieren damit den Tod unschuldiger Menschen – Babys, Festivalbesucherinnen, Senioren.

Am selben Tag sitzen Vertreter*innen von Samidoun auf der Bühne des „Kommunismuskongress“ im „Neues Deutschland“-Gebäude am Friedrichshainer Franz-Mehring-Platz, organisiert von der linken Randgruppe „Kommunistische Organisation“. Im Haus, das zum Teil der Linkspartei über eine Treuhandfirma gehört, sind viele linke Organisationen sowie die sozialistische Zeitung nd angesiedelt. In der Kongresspause werden im Hof Palästinaflaggen geschwenkt. „Vollste Solidarität mit dem Widerstand“, heißt es von den Veranstalter*innen in einer Insta-Story.

Samidoun: Baklava auf der Sonnenalle (Quelle: Instagram/Screenshot)

Genau das macht Samidoun gefährlich: Die Gruppierung baut eine Brücke zwischen radikalen Linken und Islamist*innen, zwischen Hamas und Migrantifa. Sie glorifiziert Terror im Mantel des Menschenrechts. Sie fühlt sich genauso zu Hause auf der Al-Quds-Demo wie am 1. Mai. Sie verherrlicht „Märtyrer“ des Jihads und fordert gleichzeitig Freiheit für „antifaschistische Gefangene“. Und sie verbreitet unbehelligt Propaganda und macht Fundraising für eine palästinensische Terrororganisation, mitten in Europa.

Das Netzwerk Samidoun wurde 2012 in den USA gegründet, von Mitgliedern der „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (PFLP). Laut eigenen Angaben setzen sie sich für die Freilassung von palästinensischen Gefangenen ein, in der Regel sind es inhaftierte Terroristen. In einem Aufruf vom November 2020 auf der Webseite von Samidoun Deutschland ist sogar von der „militanten Gefangenenbewegung“ die Rede. Samidoun treibt zudem die antiisraelische Boykott-Bewegung BDS in Europa voran, will Palästina „vom Fluss bis zum Meer befreien“, ehrt Terroristen auf Plakaten. Auf einem Samidoun-Poster auf der Sonnenallee wird einer der Gründer des „Islamistischen Jihads“ verherrlicht, auf anderen sind junge Männer mit Kalaschnikows zu sehen.

Auch auf Social Media ist Samidoun aktiv. Vor allem auf Instagram mit knapp 13.000 Followern (der deutsche Ableger hat 4.500). Durch Sharepics und Storys mobilisieren sie Menschen von Neukölln bis Vancouver, vereint im Israelhass. In einem Facebook-Beitrag aus November 2020 schreibt der deutsche Ableger: „Welche Sprache verstehen die zionistischen Verbrecher, außer der Sprache des bewaffneten Kampfes?“

In der Praxis fungiert das Netzwerk, das in mindestens zehn Ländern in Nordamerika und Europa aktiv ist, als Vorfeldorganisation, als Tarngruppe der PFLP – die auf der Terrorliste in der EU, den USA und Israel steht. So sehen es auch die deutschen Sicherheitsbehörden. In Berlin und Nordrhein-Westfalen wird Samidoun deshalb vom Verfassungsschutz beobachtet.

Flugzeugentführungen statt Friedensverhandlungen

Die säkulare PFLP mischt Marxismus-Leninismus mit arabischen Nationalismus, erkennt Israel nicht an, lehnt Friedensverhandlungen ab und kämpft für eine Ein-Staat-Lösung. In vergangenen Jahren musste sie neue Verbündete finden, nach Streit mit der Fatah: Unterstützt wird sie heutzutage finanziell und politisch von Assad in Syrien, dem Iran und der libanesischen Hisbollah.

PFLP-Terroristen entführten in den 1960er und -70er Jahren Flugzeuge, beteiligten sich während der zweiten Intifada 2000 bis 2005 an Selbstmordattentaten. 2014 drangen zwei Anhänger in eine Jerusalemer Synagoge ein, sie ermordeten dort vier Rabbiner und einen Polizisten mit Äxten, Messern und Pistolen. 2017 tötete ein Kommando aus Hamas und PFLP eine Polizistin in der Stadt.

Seit 2021 wird der zivil-getarnte PFLP-Stellvertreter Samidoun von der israelischen Regierung als Terrorgruppe eingestuft. Auch in Deutschland, wo das Netzwerk rund 100 Anhänger*innen haben soll, kommt es zu Sicherheitsmaßnahmen gegenüber einzelnen Mitgliedern. Gegründet wurde Samidoun von einem führenden Kopf der PFLP, Khaled Barakat. Ein Mann, der 2015 im Interview sagte: „Der bewaffnete Widerstand des Volkes allein hat das Potenzial, die Besatzung und die Siedler zu besiegen, und sonst nichts.“ Trotzdem durfte er 2019 auf Einladung eines spanischen Linkenabgeordneten eine Rede im Europaparlament halten.

Im Februar 2020 wies das Berliner Landesamt für Einwanderung Barakat aus und belegte ihn mit einer Sperre. Für vier Jahre darf er nicht nach Deutschland. Bereits ein halbes Jahr zuvor hatte er bereits ein „politisches Betätigungsverbot“ wegen seiner Aktivitäten bei der PFLP erhalten. Er durfte damit nicht mehr an politischen Veranstaltungen teilnehmen. Heute lebt der kanadische Staatsbürger wieder in Vancouver, bleibt aber international vernetzt.

Im Oktober 2021 war Barakat Mitorganisator einer Konferenz von Masar Badil, der „Palästinensischen Revolutionären Alternativen Pfadbewegung“, die enge personelle Überschneidungen mit Samidoun hat. Die Konferenz sollte militante Palästinenser zusammenbringen, die Abbas‘ Autonomiebehörde in der Westbank und ihre Zusammenarbeit mit dem jüdischen Staat ablehnen. Sie lehnen ebenfalls den Friedensprozess ab, setzen sich für Widerstand mit „allen notwendigen Mitteln“ ein. Ein Jahr später, im Oktober 2022, wurden Barakat und seiner Ehefrau Charlotte Kates, die „internationale Koordinatorin“ von Samidoun ist, am Schiphol Flughafen in Amsterdam die Einreise in die EU verweigert. Die beiden wurden von der niederländischen Militärpolizei zurück nach Kanada deportiert.

Follow the Money

All das hat Folgen für Samidoun. Bereits 2019 sperrte PayPal die Konten des Netzwerkes, auch andere Zahlungsanbieter haben ihre Accounts geschlossen. Als kleine Organisation seien sie auf Spenden angewiesen, heißt es in einem Beitrag auf der Samidoun-Webseite. Momentan kann nur via Scheck an eine Adresse im US-amerikanischen Arizona gespendet werden: Es ist der Sitz der „Alliance for Global Justice“ (AFGJ), einer NGO, die sich selbst als „antikapitalistisch“ und „antiimperialistisch“ beschreibt, aber auch Gefangene mit Verbindungen zu Terrorgruppen wie Hamas unterstützt.

In Deutschland wird Samidoun von der Roten Hilfe unterstützt, die ihre Kontoverbindung für diverse Samidoun-Aktionen zur Verfügung stellt. Zuletzt am 4. Oktober 2023: Samidoun sammelt Spenden für ihr Mitglied Musab Abu Atta, gegen ihn wurde ebenfalls politisches Betätigungsverbot verhängt, er darf bis Ende des Monats nicht an politischen Veranstaltungen teilnehmen. Dazu die IBAN der Roten Hilfe, einer der mitgliederstärksten linken Organisation in Deutschland.

Oder im Mai 2023: Samidoun startete eine Kampagne gegen die „anti-palästinensische staatliche Repression in Deutschland“. Als Beispiel nennt die Gruppierung das Verbot der zutiefst antisemitischen Al-Quds-Demo in Berlin, ausgerufen vom iranischen Mullah-Regime zur „Eroberung Jerusalems“. Und auch hier wird Geld über die Rote Hilfe gesammelt. Geld, das womöglich auch in Terrorstrukturen fließt. Auf eine Anfrage von Belltower.News sagt ein Sprecher der Roten Hilfe, dass sie die Unterstützung von Samidou-Kampagnen nun mit sofortiger Wirkung beendet habe, „weil sie unserer Satzung und unseren humanistischen Grundsätzen widerspricht“.

Es ist aber kein Einzelfall, Samidoun wird von vielen linken Gruppen hofiert. In einem Beitrag, der nach dem Hamas-Angriff am Samstag veröffentlicht wurde, plädiert die trotzkistische Splittergruppe „Marx21“ innerhalb der Partei Die Linke für eine Zusammenarbeit mit Gruppen wie „Samidoun“ und „Palästina Spricht“. Auch „The Left Berlin“, eine internationale englischsprachige Gruppe, die aus der Linkspartei hervorgegangen ist, hat in der Vergangenheit auf ihrer Webseite Werbung für Samidoun gemacht – samt Spendenlink. Der trotzkistische Blog „Klasse gegen Klasse“ veröffentlichte im April 2023 ein Statement von Samidoun, im September wurde ein Interview mit einem Samidoun-Aktivisten veröffentlicht. Und ebenfalls im September war Samidoun im autonomen Hausprojekt Rigaer 94 zu Gast, um ihre Kampagne gegen politische Unterdrückung der Palästinenser*innen vorzustellen.

Regressiver Widerstandsfetisch

Terror gegen Zivilist*innen als „tapferer Widerstand“ (Quelle: Instagram/Screenshot)

Aber es gibt auch kritische Stimmen in der Linken. Nach dem Massaker am Wochenende prangerte ein nd-Redakteur die „antisemitische Fratze“ und den „regressiven Widerstandsfetisch“ von Samidoun an, und fragte: „Was aber haben ihre Ansichten mit Kommunismus zu tun?“ Viele Politiker*innen und Stimmen aus der Zivilgesellschaft fordern inzwischen ein Verbot von Samidoun in Deutschland. Dazu zählen etwa die Amadeu Antonio Stiftung, die Deutsch-Israelische Gesellschaft und der Zentralrat der Juden in Deutschland.

„Samidoun verbreitet Antisemitismus und stachelt mit dieser Radikalisierung zur Gewalt auch auf deutschen Straßen auf“, sagt Grünen-Bundestagsabgeordnete Marlene Schönberger gegenüber Belltower.News. Sie plädiert für die Prüfung eines Betätigungs- und gegebenenfalls Organisationsverbots. „Ihre Strukturen sind ein wichtiges Fundament, auf das der Terror gegen Jüdinnen*Juden baut.“

Gleichzeitig warnt Schönberger, zuständig für die Förderung jüdischen Lebens und die Bekämpfung von Antisemitismus in der Grünen-Bundestagsfraktion, dass Samidoun nicht das einzige Problem ist. „Wir müssen auch über die Unterstützungsstrukturen der Hamas sprechen.“ Zwar habe die islamistische Terrororganisation in Deutschland keine offizielle Repräsentanz, es gebe aber Gruppierungen, in denen sich ihre Unterstützer*innen sammeln. „Die Hamas soll rund 100 Mitglieder in Deutschland haben und somit stellt die Bundesrepublik einen ‚Rückzugsraum‘ dar“, so Schönberger weiter.

Auch Kim Robin Stoller kritisiert Samidoun scharf. Sie ist Vorsitzende des IIBSA – des Internationalen Institut für Bildung, Sozial- und Antisemitismusforschung in Berlin. „Samidoun verkörpert den blutrünstigen Teil des militanten Israelhasses“, sagt sie Belltower.News. „Das Feiern des Massenmordes an hunderten wehrlosen jüdischen und nicht-jüdischen Zivilist*innen und Soldat*innen ist der Abgrund dessen, was von Menschen möglich ist.“ Von Samidoun gehe eine reale Gefahr aus. Ein Verbot wäre deshalb ein klares Signal, so Stoller.

In der Zwischenzeit zeigt sich der Bundestag weitgehend vereint: Ein gemeinsamer Antrag der SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP zu der Abgabe einer Regierungserklärung von Bundeskanzler Scholz zur Lage in Israel soll bald beschlossen werden. Ein Statement der Solidarität. Die Linke darf nicht mitmachen, offenbar aufgrund des Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU/CSU, was vom parlamentarischen Geschäftsführer der Linken, Jan Korte, in den sozialen Medien scharf kritisiert wird. Ob die Linke einen eigenen Antrag bringen oder dem der anderen Parteien zustimmen wird, darüber wird nach Belltower.News-Informationen noch intern diskutiert.

„Die Angriffe auf Israel müssen umgehend beendet und alle Entführten müssen umgehen freigelassen werden“, heißt es in der Vorabfassung des Antrags der anderen Parteien, die Belltower.News vorliegt. „Der Deutsche Bundestag ist zutiefst erschüttert über das Ausmaß an menschenverachtender Gewalt, das von Hamas-Terroristen gegen israelische Zivilistinnen und Zivilisten verübt wurde und immer noch wird.“ Neben Sanktionen gegen den Iran und Druck auf deren Revolutionsgarden, die Hamas seit Jahren finanzieren und unterstützen, fordern die Parteien auch Verbote der Hamas und ihrer Unterstützer in Deutschland sowie Samidoun.

Heute Morgen kündigte Bundeskanzler Scholz im Bundestag ein Verbot von Hamas und Samidoun an, wie die Tagesschau berichtet. Ein Anfang – längst überfällig und dennoch wichtig.

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