„Schluss mit steuerfinanzierter Hetze! Feldmann in die Schranken weisen“, so lautet das Motto der NPD-Demo am 23. November in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover. Ganz explizit richtet sich dieser Aufruf gegen den Journalisten Julian Feldmann. Ein Kollege der unter anderem als freier Mitarbeiter beim NDR arbeitet und seit Langem in der rechtsextremen Szene recherchiert. Es ist die erste rechtsextreme Demo, die sich explizit gegen einen Journalisten richtet. Damit erklimmen die Neonazis eine weitere Stufe auf der Provokationsleiter.
TV-Bericht über NS-Kriegsverbrecher Karl Münter
Feldmann ist vor allem deshalb zum Ziel des rechtsextremen Hasses geworden, da er Ende 2018 an einem Bericht für das TV-Format „Panorama“ mitgearbeitet hat, in dem es um NS-Kriegsverbrecher Karl Münter ging. Feldmann und sein Team besuchten den 96-Jährigen ehemaligen SS-Offizier in Niedersachsen. Freiwillig spricht der Kriegsverbrecher, der keinen Tag für seine Schuld im Gefängnis saß, mit den Journalisten und sagt, dass er nichts bereue. In dem Beitrag relativierte er den Holocaust und verhöhnte die NS-Opfer.
Nachdem der TV-Beitrag gesendet wurde, kam es im Februar zu einem Überfall auf die Wohnung des ehemaligen SS-Manns. Die rechtsextreme Szene setzte daraufhin ein Kopfgeld in Höhe von 4.000 Euro auf die Täter*innen aus. Teile der rechtsextremen Szene gabenFeldmann die Schuld an dem Überfall. Es war von „Hinrichtung“ der Täter*innen die Rede.
Gefeierter Zeitzeuge in der rechtsextremen Szene
Trotz seines Todes im September bleibt Münter ein Star in der Neonazi-Szene. Er war einer der letzten verbliebenen Zeitzeugen. Noch im November 2018 war er der gefeierte Redner auf dem Anwesen des NPD-Bundesvize Thorsten Heise in Fetteroda im thüringischen Landkreis Eichsfeld. Die Polizei verlangte damals von anwesenden Journalist*innen, das Fotografieren zu unterlassen, sonst drohten Platzverweis und die Löschung der Bilder. Es habe Beschwerden von Heise und seinen Gästen gegeben. Die Polizei wollte die Daten der Journalist*innen an Heise weitergeben.
Heise, der große Fan von Münter
Da Heise offenbar ein großer Verehrer des Kriegsverbrechers war, wird auch er am 23. November nach Hannover kommen, „um seinen Unmut über linke Hetzer im öffentlichen Rundfunk auf die Straße zu tragen“, wie es in einem Aufruf heißt.
Ebenfalls erwartet werden Sven Skoda von der rechtsextremen Splitterpartei „Die Rechte“, der antisemitische YouTuber Nikolai Nerling („Der Volkslehrer“) und Sebastian Weigler, faschistischer Aktivist der „Jungen Nationalisten“ (JN), der Jugendorganisation der NPD.
Ein „Sebastian Wendler“ ruft in einer geschlossenen Telegram-Gruppe dazu auf, „Bilder und Informationen“ von Journalist*innen und Aktivist*innen zu sammeln. Als Kontaktadresse ist eine Email-Adresse der JN angegeben. Auf einer bereits angelegten kleinen Liste sind unter anderem Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, und Matthias Quent, Leiter des IDZ in Jena, genannt.
Auch weitere Journalisten werden explizit genannt
Laut eines Polizeisprechers ist die endgültige Route bisher noch nicht festgelegt. „Es kann jedoch aktuell angenommen werden, dass der Aufzug durch die hannoversche Südstadt führen und einen Bezug zum Landesfunkhaus des NDR haben wird.“
Die NPD-Demo richtet sich jedoch nicht nur an Julian Feldmann, auch zwei weitere Journalisten werden namentlich genannt – David Janzen aus Braunschweig und André Aden. Janzen vom Braunschweiger „Bündnis gegen Rechts“ war in jüngster Vergangenheit vermehrt Angriffen von neonazistischen Schlägertrupps um den JN-Aktivisten Lasse Richei ausgesetzt. André Aden ist seit vielen Jahren Fotojournalist und beobachtet die extrem rechte Szene. Ihnen und allen weiteren Journalist*innen und Aktivist*innen, die aus der rechtsextremen Szene angegriffen werden, gilt unsere volle Solidarität!
Durch Pegida, AfD und Wutbürger*innen ist das Wort „Lügenpresse“ zu einem neurechten Kampfbegriff geworden. Doch schon lange Zeit vorher waren Journalist*innen Ziel von rechtsextremen Angriffen, vor allem dann, wenn die Ausrichtung des Mediums oder der Journalist*innen den Neonazis nicht passte. Besonders in einem Klima, in dem von rechtsradikaler und rechtsextremer Seite zunehmend gegen GEZ, öffentlich-rechtliche Medien und einzelne Journalist*innen gehetzt wird, müssen wir die Pressefreiheit verteidigen. Denn diese Demo ist nichts Weiteres, als der Versuch engagierte Journalist*innen und Aktivist*innen einzuschüchtern.
Auch deswegen hat die Belltower.News-Redaktion einen Aufruf unterzeichnet, an dem sich 487 Journalist*innen, Redaktionen und Verbände beteiligen. Auch wir sagen:
„Schützt die Pressefreiheit!“:
15. November 2019
Gegen die freien Journalisten Julian Feldmann, David Janzen und André Aden wollen Hunderte Neonazis am 23.11.2019 in Hannover demonstrieren. Als Journalist*innen und Medienschaffende verurteilen wir die Drohungen und Anschläge auf unsere Kollegen. Wir rufen mit dazu auf, sich an den Protesten gegen die Demonstration zu beteiligen und fordern Maßnahmen zum Schutz der Pressefreiheit. 450 Einzelpersonen, 20 Verbände und 17 Redaktionen haben den Aufruf bereits unterzeichnet.
Angriffe sind trauriger Alltag
Rechtsextreme hassen Menschen, die über ihre Veranstaltungen, Vereine, Parteien und Straftaten berichten. Die Kollegen Julian Feldmann, David Janzen und André Aden arbeiten seit über zehn Jahren als freie Journalisten und sind, wie so viele, ins Fadenkreuz der braunen Szene geraten.
Der Hass auf die Kollegen geht so weit, dass sie regelmäßig Morddrohungen erhalten. Ein hochrangiger Neonazi-Kader sprach auf mehreren Veranstaltungen über Julian Feldmann und erwähnte dabei einen Revolver, der schon bereit liege.
David Janzen wurde von einem bekannten Braunschweiger Neonazi mit den Worten “Heute Walter [Lübcke, Anm. d. V.], morgen Janzen” bedroht. Diesen Drohungen folgen Taten, auf Janzens Privatwohnung gab es dieses Jahr bereits mehrere Anschläge.
Von zahlreichen Rechtsextremismus-Expert*innen sammeln Neonazis derzeit Bilder, öffentliche sowie private Daten. In Telegram-Gruppen der Szene wurde ein entsprechender Aufruf verbreitet. Offenbar wird ein breit angelegtes Doxxing vorbereitet, zum Schaden der Kolleg*innen.
Angriffe auf Journalist*innen und Eingriffe in deren Privatleben sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. Bei Szene-Veranstaltungen werden Journalist*innen regelmäßig Opfer rechter Gewalt. Die NPD-Demonstration in Hannover ist der nächste Schritt, um Kollegen das Leben zur Hölle zu machen.
Auch neurechte Kleinstgruppen organisieren Angriffe auf die freie Berichterstattung. In zahlreichen Texten werden Journalist*innen verächtlich gemacht und denunziert. Kritische Journalist*innen werden mit kostenintensiven Unterlassungserklärungen, Klagen und Anzeigen überzogen. Fotos von Kolleg*innen werden über Szene-Medien gezielt verbreitet und zur Markierung potentieller Angriffsziele benutzt.
Mit Falschinformationen wird zusätzlich versucht, den Ruf der Kolleg*innen zu schädigen. Redaktionen sollen davon abgehalten werden, denunzierten Journalist*innen Aufträge zu geben. Innerhalb der Szene sind die Texte dafür da, Informant*innen von Gesprächen mit szenekundigen Reporter*innen abzuhalten.
Der Rechtsweg gegen solche Veröffentlichungen ist häufig aussichtslos, mit hohen Kosten verbunden und zeitraubend. Ziel der extremen Rechten ist es, Journalist*innen fertig zu machen, bis sie ihre Arbeit aufgeben.
Maßnahmen ergreifen!
Vom Presserat, allen demokratischen Verleger*innen und Redaktionen sowie den Landesmedienanstalten erwarten wir, dass sie sich mit den von Hass und Drohungen betroffenen Kolleg*innen solidarisch zeigen und ihnen ihre Unterstützung anbieten.
Von den demokratischen Parteien und ihren Abgeordneten erwarten wir, dass sie Gesetze auf den Weg bringen, um Journalist*innen bei ihrer Arbeit besser zu schützen.
Wir fordern:
- Vereinfachte Verfahren für Auskunftssperren beim Einwohnermeldeamt für Journalist*innen
- Neuregelung der Impressumspflicht, um Privatadressen von Journalist*innen und Blogger*innen besser zu schützen
- Bundesweit verpflichtende Schulungen von Polizist*innen für den Umgang mit Medienvertreter*innen
- Ein Bekenntnis aller Polizeibehörden zu den Verhaltensgrundsätzen für Presse/Rundfunk und Polizei zur Vermeidung von Behinderungen
- bei der Durchführung polizeilicher Aufgaben und der freien Ausübung der Berichterstattung von 1993
- Sensibilisierung von Staatsanwaltschaften und Gerichten für Angriffe auf Journalist*innen und konsequente Anwendung aller rechtlichen Möglichkeiten
- Die Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten durch die Versammlungsbehörde, um Hass und Hetze gegen unsere Kollegen am 23.11.2019 in Hannover zu verhindern