Impfungen retten Leben – das zeigen wissenschaftliche Studien deutlich. Trotzdem gibt es viele Beiträge im Internet, die anderes behaupten.
Desinformationen zu Impfungen erzählen, dass Impfungen gefährlich seien, bisweilen gar gefährlicher als die Krankheiten, gegen die geimpft werde. Sie verbreiten damit Angst und gefährden Menschenleben. Die Menschenleben derjenigen, die sich nicht impfen lassen, und derjenigen, die sich nicht impfen lassen können und auf „Herdenimmunität“ angewiesen sind. Oder die Menschenleben derjenigen, die gefährlichen anderen Behandlungsmethoden glauben (z.B. Desinfektionsmittel trinken gegen Corona).
Falschinformationen von Impfgegner*innen beruhen auf Argumentationsfehlern und Irrtümern, resultieren aber bisweilen aus Weltbildern und dem Glauben an Verschwörungsmythen.
Desinformationen zum Impfen sind für Menschen gefährlich, wenn sie deren Gesundheit aufs Spiel setzen, und sie sind für die Demokratie gefährlich, wenn sie Verschwörungsmythen enthalten, also unterstellen, dass es bei Impfungen nicht darum geht, dass Wissenschaftler*innen versuchen, ein Mittel zu finden, um möglichst viele Menschenleben zu retten, sondern dass damit unausgesprochenen Hintergedanken verbunden wären. Diese Hintergedanken werden einer kleinen, oft als geheim agierend vorgestellten Gruppe von Menschen zugeschrieben – etwa Politiker*innen, Jüd*innen, Muslim*innen usw. Diese wollten damit einer als anders definierten „Mehrheit“ bewusst schaden: Angeblich gehe es dann darum, Menschen gefügig zu machen oder gar auszurotten, es gehe darum, ihre Gedanken zu kontrollieren, oder auch um schlichten Profit und Mammon. Das schürt Demokratiefeindlichkeit, Wissenschaftsfeindlichkeit, Antisemitismus oder Rassismus.
Desinformationen zu Impfungen erkennen
Bei Impf-Desinformationen kommt oft eine Mischung aus falsch interpretierten Informationen, die dann auch noch in falsche Zusammenhänge gesetzt werden, zum Tragen – wohlmöglich inklusive der Unterstellung, es gäbe da eine „geheime Wahrheit“, die anerkannte Autoritäten wie Wissenschaftler*innen oder Ärzt*innen absichtlich verschweigen würden. Dazu gehören angesichts der Covid-19-Impfung etwa die Narrative, die Impfung mache Frauen unfruchtbar, verändere die DNA des geimpften Menschen oder die Impfung wirke nicht, da es auch Fälle gäbe, in denen geimpfte Menschen später trotzdem erkrankt seien. Hier werden jeweils falsche Annahmen zu Impfstoff-Bestandteilen oder zur Arbeitsweise von Medizin verwendet. Solchen Narrativen kritisch nachzugehen, bevor man geimpft wird, ist vollständig legitim. Und sie lassen sich medizinisch nachvollziehbar widerlegen, solange der Gesprächspartner noch bereit ist, Fakten, Evidenz und wissenschaftlichem Arbeiten zu vertrauen. Für Gespräche zu diesen Themen wird empfohlen, Risiken offen anzusprechen, Bedenken ernst zu nehmen und Gründe, Untersuchungen, Statistiken für die eigenen Bewertung der Situation anzubieten. In der Gegenrede ist es wichtig, mit Fakten und belegten Informationen zum Thema zu beginnen, und dann den Irrglauben aufzulösen. Dazu hilft es, zu erklären, warum eine Falschinformation zunächst richtig erschien und warum aber nun klar ist, dass sie falsch ist, damit Menschen selbst den Widerspruch zwischen falscher und richtiger Information erkennen und verinnerlichen können.
Etwa bei „Die Coronaimpfung macht Frauen unfruchtbar“: ein Spike-Protein des Coronavirus ähnelt dem körpereigenen Protein Syncytin-1, dass für die Bildung der Plazenta zuständig ist. Dies weckte die Angst, dass geimpfte Frauen dann keine Plazenta mehr ausbilden könnten. Aber: Wissenschaftler*innen haben geprüft und festgestellt, dass die Proteine sich nicht so ähnlich sind, wie es Laien erscheint und es diese Nebenwirkung nicht gibt.
Impf-Desinformationen vorbeugen
Wenn Menschen wissen, wie Desinformationen funktionieren, können sie sie leichter erkennen – und entkräften. Impf-Desinformationen arbeiten oft mit diesen Elementen:
- Sie präsentieren Pseudo-Expert*innen in der Hoffnung, dass niemand Zeit hat, zu überprüfen, ob die Person wirklich relevantes Wissen oder Expertise hat.
- Sie arbeiten mit logischen Trugschlüsse, setzen also Dinge in Zusammenhang, bei denen es keinen belegbaren Zusammenhang gibt.
- Sie arbeiten mit unerfüllbaren Erwartungen: „Die Ärzte sind sich da nicht 100 Prozent sicher“. So ist Medizin allerdings: eine 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht.
- Einzelfälle, etwa allergische Reaktionen, werden zur Regel erklärt, auch wenn wissenschaftlicher Konsens besteht, dass es nur Einzelfälle sind.
- Sie arbeiten mit Verschwörungsmythen, die ein politisches Ziel über die Impfung hinaus verfolgen: Etwa zu suggerieren, dass demokratische Politiker*innen mit der Situation überfordert wären und man wieder ein autoritäres System bräuchte, um damit der parlamentarischen Demokratie zu schaden.
Impf-Verschwörungsmythen
Bei Impf-Verschwörungsmythen geht es nicht um medizinische Trugschlüsse oder Argumentationsfehler, sondern um Weltbilder und Ideologien, die über das Impfthema vermittelt werden.
So beinhalten viele Impf-Verschwörungsmythen etwa die offen oder strukturell antisemitische Ideologie einer (in der Regel jüdischen) Weltverschwörung, die zu einer „Neuen Weltordnung“ führen soll – das solle nun durch Coronavirus-Impfungen erreicht werden. Hierzu gehören Erzählungen wie „die Juden“ hätten das Coronavirus entwickelt, um am Zusammenbruch der Wirtschaft zu verdienen, Impfungen enthielten Mikrochips, die durch das Zusammenspiel mit 5G-Telefonmasten die Gehirne der Träger*innen manipulieren könnten, oder Covid-19 sei nur ein Schwindel, um Freiheitsrechte der Menschen zu beschneiden.
Was tun?
Wer solche Verschwörungserzählungen glaubt, hat sich damit aus der Welt von Fakten und Forschung verabschiedet und sich in eine wahnhafte Wirklichkeit begeben, in der Gegenargumente und Expertenwissen zunächst keine Bedeutung mehr haben. Diese Narrative zu bearbeiten ist ein längerfristiger Prozess. Helfen kann dabei, Widersprüchlichkeiten aufzuzeigen und das so gebildete Weltbild des Verschwörungsgläubigen zu erschüttern („Wenn Corona ein Schwindel ist, ist es wirklich vorstellbar, dass weltweit Millionen von Eingeweihten vorgeben, Kranke zu pflegen und Angehörige zu verlieren, ohne dass der Schwindel auffliegt?“). Statt den Gesprächspartner mit Fakten zu konfrontieren, kann es helfen, sich auf eine gemeinsame Suche nach Wahrheiten zu machen, damit eine Win-Win-Situation entstehen kann. Ebenfalls hilfreich ist es, auf die Bedürfnisebene zu sehen: Warum braucht das Gegenüber die Verschwörungserzählung? Ist es ein Wunsch nach Gewissheit, Kontrolle, Zugehörigkeit, Bedeutung? Und wie ließe sich das Bedürfnis anders und weniger gefährlich erfüllen?
Natürlich macht es ebenfalls Sinn, gemeinsam in die Recherche zu gehen. Um eine Situation zu beurteilen, können wir uns mit dem aktuellen Forschungs- und Wissensstand auseinandersetzen. Dabei können wir auch feststellen, dass er uns nicht ausreicht, um uns Sicherheit zu geben – wie etwa in einer Pandemie mit einem neuen Virus. Es ist schwierig und unbefriedigend, mit dieser Unsicherheit zu leben. Wer sich aber entscheidet, dann lieber an eine Erzählung zu glauben, dies geschehe aus einem vorhandenen, aber geheime gehaltenen Grund, in der mehr oder weniger genau beschriebene Gruppen im Verborgenen die Strippen ziehen, um gegen „das Volk“ und für eigene Interessen zu arbeiten, verlässt den rationellen Konsens und benennt schlimmstenfalls noch „Schuldige“ – oft sind damit, historisch antisemitisch gelernt, Jüdinnen und Juden gemeint, es können aber auch Politiker*innen sein, die dann unverschuldet Ziel von Gewalt werden können. Es ist also nicht der kritische Blick auf das Impfen, der problematisch ist – aber die Reaktion auf die Antwort kann es sein.
Schwerpunkt Impflügen April 2021:
Im April 2021 beschäfigt sich Belltower.News vertieft mit dem Thema Impflügen. Im Schwerpunkt sind erschienen:
- Was ist das Problem an Desinformationen zu Impfungen?
- Die antisemitische Tradition der Impfgegnerschaft
- Alte Argumente im neuen Gewand Eine kurze Geschichte der Impfkritik
Alle Schwerpunkte 2021: