Akzelerationismus
Der Akzelerationismus (Accelerationism) entstand in den 1990ern an der Universität Warwick in England. Es handelt sich um eine philosophische Strömung, die der Annahme ist, mit dem modernen Kapitalismus gehe eine unaufhaltsame technologisierte Beschleunigung einher. Unabhängig von linken Akzelerationist*innen, die den Kapitalismus durch dessen Beschleunigung zu überwinden hoffen, und unabhängig von der weiteren philosophischen Denkrichtung entwickelte sich Anfang der 2010er Jahre eine rechte Idee vom Akzelerationismus. Die sogenannten „Neoreaktionären“ sind
der Ansicht, dass die Zukunft in einer vollkommenen Technologisierung der Gesellschaft liegt. Gesellschaftliche Entscheidungen würden dann nur noch von den Intelligentesten – seien es Maschinen oder Menschen – getroffen. Die Zukunft liege demnach in einer techno-kapitalistischen Monarchie. Weil dieses Szenario unweigerlich eintrete, müsste es so schnell wie möglich erreicht werden, doch würden die Vorstellung von Gleichwertigkeit und demokratische Vorgehensweisen
ein Hindernis darstellen. Dem Glauben von Neoreaktionären wohnt dabei ein starker Rassismus inne, dem zufolge Intelligenz auf einzelne Bevölkerungsgruppen ungleich verteilt sei.
Verfechter*innen dieser Strömung finden sich auch in der amerikanischen Alt-Right Bewegung. Diejenigen, die jedoch von den Errungenschaften der Alt-Right enttäuscht waren, gaben sich einer stark vereinfachten Variante des Akzelerationismus hin, die in rechtsextremen und rechtsterroristischen Online-Subkulturen weite Verbreitung fand. Diese Variante ist von der
der „Neonreaktionären“ entkoppelt, weil die Technologisierung keine bedeutsame Rolle spielt. Lediglich der Zusammenbruch der demokratischen Gesellschaft bleibt als Wunsch und Zukunftsvision erhalten.
Nach dieser rechtsextremen Auffassung von Akzelerationismus sind westliche liberale Demokratien irreparabel korrupt und dem Untergang geweiht. Daher sei es notwendig, den Zusammenbruch aktiv zu beschleunigen, um auf der Asche der alten Ordnung einen weißen „Ethnostaat“ nach den Vorstellungen der White Supremacy gestalten zu können. Um dieses Ziel zu erreichen, ist jedes Mittel recht. Auch jegliche Form ideologisierter Gewalt wird befürwortet, um die Gesellschaft weiter zu spalten. So findet sich in der szenetypischen Literatur zum Beispiel Bewunderung für den sogenannten „Islamischen Staat“. Ideologisierte Gewalt wird zum Vorbild akzelerationistischer Gruppen. Die rechtsterroristische Gruppe „The Base“ hat sich beispielsweise nach der dschihadistischen Terror-Miliz „Al Quaida“ benannt und versucht, Online-Mitglieder zu Offline-Attentaten zu bewegen. Gemäß dem Motto „There is no political solution“ („Es gibt keine politische Lösung“) befürworten rechtsterroristische Akzelerationist*innen vor allem Aufsehen erregende Gewalttaten gegen Minderheiten, die zu Nachahmungstaten inspirieren und eine Kettenreaktion hervorrufen sollen, an deren Ende ein sogenannter „Rassenkrieg“ stehen soll.
Der Attentäter von Christchurch, Neuseeland, verwies in seinen schriftlichen Ausführungen explizit auf Akzelerationismus – und verhalf der Ideologie dadurch zu einem hohen Stellenwert in der rechtsterroristischen Online-Subkultur. Auch der Terrorist von Poway, Kalifornien, erklärte in seinem „Manifest“, dass er aus akzelerationistischen Beweggründen zu Schusswaffen griff. Beide erhofften sich dadurch eine Reaktion der Regierung in Form von schärferen Waffengesetzen. Die Spannungen um das konfliktträchtige Thema in der Gesellschaft sollten verschärft werden und in Gewalt
münden. Vor allem Rechtsterroristen, die allein handeln, sehen sich als kämpferische Vorhut, der sogenannten Vanguardism-Bewegung.
Die akzelerationistische Ideologie findet in verschiedenen Szenen Anschluss und hat durchaus eine Radikalisierungsfunktion für andere als rein rechtsextreme Gruppen. Ansprechbar sind Prepper, die sich auf Weltuntergangs-Szenarien vorbereiten, aber auch Gamer*innen, auf deren Kanälen nazistische und akzelerationistische Literatur verbreitet wird.
White Supremacy
White Supremacy (deutsch: Weiße Vorherrschaft) ist eine Ideologie, die aufgrund rassistischer und antisemitischer Annahmen davon ausgeht, dass „Weißen“ eine Vormachtstellung zusteht. White Supremacists vertreten die Ansicht, „Weiße“ würden sich genetisch und kulturell von anderen Menschen abheben. Sie fordern einen rein „Weißen“ „Ethnostaat” und bis zu dessen Erreichen eine Herrschaftsposition gegenüber allen anderen Menschen. Zur Grundannahme gehören Verschwörungsideologien, wie die des „großen Austauschs“, die sowohl in rechtspopulistischen als auch rechtsterroristischen Kreisen verbreitet ist. White Supremacists sind der Meinung, einer „jüdischen Weltverschwörung“ zu unterliegen, deren Ziel das Aussterben der „Weißen“ sein soll, und bauen durch solche Narrative einen hohen Handlungsdruck unter ihren Anhänger*innen auf. Dieser Handlungsdruck zeigt sich auch in szenetypischen Codes wie den „14 Words“, die für die „14 Wörter” des White Supremacy-Anhängers David Lane stehen: „We must secure the existence of our people and a future for white children.“ („Wir müssen die Existenz unserer Leute/unseres Volks und die Zukunft für weiße Kinder sichern.“)
Welche Gefahr von White Supremacists ausgeht, zeigt die wachsende Anzahl rechtsterroristischer Anschläge. So hat bereits das U.S. Department of Homeland Security, ein Ministerium zur Terrorismusabwehr, White Supremacists zur größten terroristischen Bedrohung der USA erklärt. Auch Europol warnt im Jahresbericht zu Terrorismus 202023 vor der Ideologie der White Supremacists, die explizit zu rechtsterroristischen Handlungen im Rahmen der Strategie des „Leaderless Resistance“ animieren soll.
Antifeminismus und tödlicher Frauenhass
Der Antifeminismus ist elementar für die rechtsterroristische Szene und nimmt mit der willentlichen Tötung von Frauen* wie etwa bei den „Incel“-Terroristen von Isla Vista 2014 oder Toronto 2018 seine extremste Ausprägung an. Die feministische Forderung, die Gleichwertigkeit von Frauen* in der Gesellschaft voranzutreiben, ist zu einem bedeutenden Feindbild für Rechtsterroristen geworden. Eingebettet in antisemitische Verschwörungsideologien wird der Feminismus als Strategie einer jüdischen Weltverschwörung angesehen, um Weiße Frauen vom Kinderkriegen abzuhalten. Frauen
werden in der rechtsterroristischen Szene auf ihre Gebärfähigkeit reduziert und zu einem Objekt gemacht, dessen alleinige Aufgabe die Reproduktion des „Volkes“ sei. Zugleich würden Männer durch den Feminismus ihrer Männlichkeit beraubt und könnten somit ihrer Beschützerrolle gegenüber Familie und „Volk“ nicht mehr nachkommen. Im Zuge dieser Vorstellungen sind auch die LGBTIQA*-Bewegungen zu einem bedeutenden Hassobjekt von Rechtsterroristen geworden. Weil eine patriarchale Gesellschaft für Rechtsterroristen legitim und mit allen Mitteln zu festigen ist, bilden Frauen, die sich nicht dem Ideal einer Hausfrau und Mutter fügen, ein beständiges Feindbild. Zwar ist es Frauen nach dieser Vorstellung erlaubt, in Notfallsituationen wie dem herbeigesehnten sogenannten „Rassenkrieg“ zu den Waffen zu greifen, nach dem Sieg haben sie sich jedoch
wieder dem Weißen Mann unterzuordnen.
Der „Weiße“ Rechtsterrorist inszeniert sich als Beschützer, die Geschlechterrollen werden mit rassistischen Ideologien aufgeladen. Demnach seien „Weiße“ Frauen ständig der Gefahr von Vergewaltigungen durch ausschließlich nicht-„Weiße“ Männer ausgesetzt. Zugleich entwickelt
sich ein tödlicher Hass auf Frauen, die mit nicht-„Weißen“ Männern ein Verhältnis haben. Beide Beziehungspartner*innen werden zum Zielobjekt der Rechtsterroristen erklärt. So ermordet der Protagonist in einem in der rechtsterroristischen Szene weit verbreiteten Roman
gezielt Paare, die solche Beziehungen führen.
Der Frauenhass und die zugehörige Gewaltanwendung zeigen sich noch deutlicher in der Ideologie der „Incels“, die ebenfalls in der rechtsterroristischen Online-Subkultur weit verbreitet ist und der „Black Pill“-Ideologie zugerechnet werden kann. „Incel“ steht für „involuntary celibate“ (deutsch: „unfreiwillig zölibatär Lebende“), und die „Black-Pill“-Einstellung bezeichnet eine zutiefst nihilistische und destruktive Ausrichtung, die kein Entkommen aus der jeweiligen Ideologie ermöglicht (vgl. Belltower.News). „Incels“ sind der Auffassung, sie hätten als Männer ein Anrecht auf Sex, den sie von Frauen einfordern könnten. Geschlechterrollenbilder der patriarchalen Gesellschaft werden auf die Spitze getrieben mit der Konsequenz, dass „Incels“ sexualisierte Gewalt und auch die gezielte Tötung von Frauen befürworten. Anschläge von „Incels“ mit vielen Todesopfern – vor allem Frauen – haben bereits in Toronto oder Isla Vista für Aufsehen gesorgt und werden auch in der rechtsterroristischen Szene glorifiziert.So spielte der Rechtsterrorist von Halle während seines Anschlags eine Lobeshymne auf einen der „Incel“-Terroristen von Toronto. In Kanada werden „Incel“-Attentate mittlerweile als Terrorismus eingestuft.
Antisemitismus
Antisemitismus ist in allen rechtsterroristischen Online-Subkulturen anzutreffen. Er wird dort nur selten in Chiffren verpackt. Stattdessen werden Juden*Jüdinnen explizit zum Feindbild erklärt, mit antisemitischen Vorurteilen versehen und mit zutiefst rassistisch aufgeladenen Memes oder Illustrationen als das personifizierte Böse in Szene gesetzt. Die rechtsextremen Verschwörungsideologien sehen Juden*Jüdinnen als Strateg*innen hinter dem vermeintlichen Plan einer „Neuen Weltordnung”. Eine zentrale Verschwörungserzählung ist die durch Juden*Jüdinnen angeblich gewollte Auslöschung aller „Weißen“. Mithilfe solcher Erzählungen soll ein fester Bestandteil rechtsterroristischer Online-Subkulturen, die Forderung nach einer endgültigen Vernichtung von Juden*Jüdinnen, legitimiert werden.
Dass diese extrem antisemitische Weltsicht zum Handeln motiviert, zeigen nicht nur die Anschläge auf die Synagogen in Halle (2020), Poway (2019) und Pittsburgh (2018), sondern auch die Inhalte in Chatgruppen und Channels der Online-Subkultur. Die Gruppen rufen mal betont ironisch, mal explizit zum Mord an Juden*Jüdinnen auf. Die Shoa wird entweder bestritten („Holohoax“26) oder die Anzahl der ermordeten Juden*Jüdinnen als nicht ausreichend dargestellt. Vermeintlich
„sarkastische” Beiträge zum Holocaust relativieren die Ermordung von mindestens sechs Millionen Juden*Jüdinnen und ziehen die nationalsozialistischen Grausamkeiten ins Lächerliche. Die antisemitische Erzählung von einer geheimen Macht, die „unmenschlich“ handle, entmenschlicht sie auf der einen Seite und rechtfertigt andererseits die eigene enthemmte Gewalt. Mitglieder rechtsterroristischer Online-Subkulturen äußern immer wieder die Forderung „Kill all jews” (deutsch: „Tötet alle Juden“), und zugehörige antisemitische Illustrationen normalisieren diese Forderung. Rechtsterroristen, die Juden*Jüdinnen töten, genießen einen besonderen Stellenwert in der Szene und werden als Helden verehrt. Jüngst war dies bei einem White Supremacist zu beobachten, der bei den Black Lives Matter-Protesten zwei Menschen tötete und einen schwer verletzte. Ein Foto,
das ihn mit einem Hitlergruß zeigt, wurde mit der Aufschrift „6 Million wasn’t enough” (deutsch: „6 Millionen war nicht genug“) versehen.
In rechtsterroristischen Online-Subkulturen werden abgewandelte Begriffe des „Holocausts“ auch verwendet, um eine systematische Ermordung anderer marginalisierter Menschen, wie beispielsweise Schwarzer Menschen, zu fordern.
Antimuslimischer Rassismus
2019 konnte ein 21-jähriger Rechtsterrorist in Bærum, Norwegen, von Gläubigen daran gehindert werden, ein Massaker in einer Moschee zu verüben. Zuvor tötete er aus rassistischen Motiven seine 17-jährige Stiefschwester. Er berief sich auf die Rechtsterroristen von El Paso und Christchurch, die, wie er auch, vom Hass auf Menschen mit islamischem Glauben, Einwanderungs- oder Fluchtgeschichte und von der rechtsextremen Verschwörungsideologie „des großen Austauschs“
zur Tat motiviert wurden. Für die Mitglieder rechtsterroristischer Online-Subkulturen wird der Islam
nicht als Religion verstanden, sondern als angeborene Eigenschaft von Menschen. Oft werden Muslim*innen und Migrant*innen als Synonym verwendet und mit rassistischen Vorurteilen ausgestattet. Rechtsterroristen propagieren eine existenzielle Bedrohung durch Muslim*innen und Menschen, die sie als „migrantisch“ ansehen, und rufen gezielt zu Anschlägen gegen diese
Bevölkerungsgruppen auf. In entsprechenden Online-Subkulturen werden beispielsweise Darstellungen von Enthauptungen verbreitet, die mit der Forderung „Tötet Muslime!“ unterlegt sind, und Mitglieder rechtsterroristischer Gruppenchats bestärken einander darin, Migrant*innen und Muslim*innen zu töten. Von den zwölf wegen rechtsterroristischer Aktivitäten 2019 in Großbritannien Festgenommenen hatten mindestens zwei ein islamfeindliches Tatmotiv. Einer von ihnen kündigte
vor einer rechtsterroristischen Messerattacke auf Facebook an, „einen Muslim zu töten“.
Zudem werden Muslim*innen oftmals mit dem sogenannten „Islamischen Staat“ und anderen dschihadistischen Terrororganisationen in Verbindung gebracht. Allerdings besteht zu letzteren ein ambivalentes Verhältnis: Auf der einen Seite sehen Rechtsterroristen eine dschihadistische Auslegung des Islam als stellvertretend für alle Muslim*innen an, auf der anderen Seite bewundern sie in einschlägiger Literatur deren Brutalität und die Konsequenz, mit der sie Feinde verfolgen und hinrichten. Mitunter kommt es vor, dass IS-Sympathisanten oder sich als IS-Kämpfer Ausgebende in rechtsterroristischen Foren anzutreffen sind oder Rechtsterroristen, wie im Fall eines 18-Jährigen in den USA, ihre neonazistische Ideologie gegen eine dschihadistische austauschen und morden.
Die Verschwörungsideologie vom „Großen Austausch“
„The Great Replacement“ (deutsch: „Der Große Austausch“) heißt die schriftliche Ausführung des Rechtsterroristen von Christchurch. Die Verschwörungsideologie des „großen Austauschs“ findet sich in allen Teilen der rechtsterroristischen Online-Subkultur. Dabei ist sie keineswegs ausschließlich ein Phänomen der rechtsterroristischen Szene. Der französische Autor Renaud Camus veröffentlichte 2011 ein gleichnamiges Buch, das in rechtspopulistischen und rechtsextremen Kreisen großen Anklang fand. Er verbreitete die Auffassung, dass ein „europäisches Volk“ durch eine von der Regierung geplante Einwanderung „ausgetauscht“ würde. Anhänger*innen der Ideologie behaupten, Migrant*innen hätten eine höhere Geburtenrate und würden so in ferner Zukunft die Europäer*innen mit niedriger Geburtenrate ersetzen. Diese rassistische Vorstellung wird als Krieg gegen „Weiße“ aufgefasst und motiviert Rechtsterroristen zu Anschlägen auf Menschen, die als Migrant*innen wahrgenommen werden. Aus dem Plan der Regierung wird der Plan geheimer Mächte, an dessen Ende die antisemitische Erzählung einer jüdischen Elite auftaucht.
2017 erlangte diese Verschwörungsideologie weiteren Aufwind in der White Supremacy-Bewegung und auch in rechtsterroristischen Kreisen. Das „You“ in dem Motto „You Will Not Replace Us“ (deutsch: „Ihr werdet uns nicht austauschen“) wird durch „Jews“ („Juden“) ersetzt und befeuert den Hass auf Juden*Jüdinnen. Während in rechtspopulistischen Kreisen die unklare Benennung
der „steuernden Macht“ als antisemitische Chiffre funktioniert, wird die rechtsterroristische Subkultur explizit. Sie sieht hinter sämtlichen Phänomenen eine jüdische Weltverschwörung: sei es der Feminismus, der Anschlag vom 11. September 2001 oder wirtschaftliche Krisen.
Covid-19 als Katalysator für rechtsterroristische Gruppen
Die Situation unter der Covid-19-Pandemie hat auch einen Einfluss auf die Online-Szene. Für die einen sind Verschwörungserzählungen um die Pandemie zum Radikalisierungsgrund geworden, andere – wie auch die rechtsterroristischen Online-Subkulturen – sehen in der Pandemie in erster Linie ein geeignetes Mittel, ihre Ideologien zu untermauern, und nutzen den Anlass, ihre Anhänger auf einen zeitnahen gesellschaftlichen Kollaps einzuschwören. Covid-19 als prägendes Ereignis wurde
schnell in das subkulturelle Repertoire von Rechtsterroristen aufgenommen: Entsprechende Inhalte befeuern insbesondere Rassismus gegenüber Menschen, die als „asiatisch“ angesehen werden, und den offenen Antisemitismus, indem Juden*Jüdinnen für die Pandemie verantwortlich gemacht werden. Pandemiebedingte Alltagserfahrungen, etwa das Tragen einer Maske, werden
in szeneinterne Codes und Symbole übersetzt, um die Identifikation mit der rechtsterroristischen Online-Subkultur zu stärken.
Vor allem die akzelerationistische Szene profitiert von der Pandemie. Ihr geht es vordergründig um die Folgen der Maßnahmen zur Eindämmung des Virus: Akzelerationistische Gruppen hoffen bei einem Lockdown auf den Kontrollverlust staatlicher Autoritäten. Sie glauben, dass die Pandemie
endgültig den gesellschaftlichen Zusammenbruch einleite, und rufen ihre Anhänger deshalb dazu auf, sich für einen Kriegszustand bereit zu halten. Bestehende Ängste und rassistische Einstellungen in der Bevölkerung sollen etwa durch die Verbreitung von Falschinformationen befeuert werden, um
Panik zu schüren und die Gesellschaft weiter zu spalten.
Zudem hat die Pandemie Einfluss auf potenzielle Anschlagsziele. Das FBI warnte bereits im März 2020 vor den Aufrufen von Rechtsterroristen, gezielt jüdische Einrichtungen und Polizist*innen mit dem Virus zu infizieren. Neben gängigen Anschlagszielen von Rechtsterroristen, die sich vor allem an
eine bestimmte Zielgruppe richten, gehören wichtige Infrastrukturen wie Krankenhäuser oder Orte des öffentlichen Lebens dazu.
So starb im März 2020 im US-Bundesstaat Missouri bei einer Auseinandersetzung mit dem FBI ein Rechtsterrorist, der mit einer Autobombe ein Krankenhaus in die Luft sprengen wollte, in dem an
Covid-19 Erkrankte behandelt wurden.
Aber die Pandemie hat nicht nur Auswirkungen auf die Entwicklung rechtsterroristischer Online-Subkulturen in der gegenwärtigen Situation. Für eine weitaus größere Gefahr dürften die unmittelbaren Folgen der Pandemie sorgen. Eine Studie der Ökonomen Manuel Funke, Moritz Schularick und Christoph Trebesch von 2015, die Radikalisierungstendenzen in der Bevölkerung nach Finanzkrisen im Zeitraum von 1870 bis 2014 untersucht, kommt zu dem Ergebnis, dass es einen sehr
hohen Anstieg extrem rechter Einstellungen gibt. Im Schnitt würden sehr rechte Parteien einen Zuwachs um 30 % verzeichnen. Auch die rechtsterroristische OnlineSubkultur wird durch die Folgen der Pandemie hohen Zuwachs erhalten – wie lange, das bleibt abzuwarten.
Dieser Text ist ein Auszug aus der Broschüre „Rechtsterroristische Online-Subkulturen. Analysen und Handlungempfehlungen“ der Amadeu Antonio Stiftung, erschienen im Februar 2021.
Die Broschüre zum Download gibt es hier:
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen/rechtsterroristische-online-subkulturen/
Schwerpunkt Februar 2021: Rechtsterrorismus
Im Februar 2021 beschäftigt sich Belltower.News vertieft mit dem Thema Rechtsterrorismus. Im Schwerpunkt sind erschienen:
- Neue Urteile gegen die „Gruppe Freital“
- Neuköllner Anschlagsserie – Täter bleiben frei, Strukturen aktiv
- Rechtsextremismus in der Bundeswehr: „Selbstermächtigung ist in der DNA des KSK“
- Neue Broschüre zu rechtsterroristischen Online-Subkulturen und Gegenstrategien
- Rechtsextreme Gewalt und Rechtsterrorismus – ein fließender Übergang
- Rechtsterroristische Online-Strategien: Führerloser Widerstand und vorgeblich einsame Wölfe