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Schwerpunkt Rechtsterrorismus Terrorwave – Ästhetik, Sprache und kulturelle Codes

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(Quelle: Unsplash)

Insbesondere junge Menschen sollen dadurch angesprochen werden. Die Bildmontagen orientieren sich an einer gewaltvollen Ästhetik mit technologischem Anstrich, die rechtsextreme Symboliken, bewaffnete Soldaten und Rechtsterroristen  zeigt und verehrt. Die Terroristin, die mit zwei jungen Männern in einem Einkaufszentrum in Halifax einen Anschlag verüben wollte, gab in einem Interview mit dem Journalisten Jordan Bonaparte an, erst über diese spezielle Ästhetik mit der rechtsterroristischen Online-Subkultur in Kontakt gekommen zu sein. Auch andere Mitglieder werden angehalten, sich an der Kreation solcher rechtsterroristischen Elemente zu beteiligen. In den Gruppen werden Anleitungen gepostet, wie Bilder mit einfachen Mitteln der rechtsterroristischen Ästhetik angepasst und sicher verbreitet werden können.

Mit spezifischer Musik, Bildern und Codes verfügt die Szene mittlerweile über eine eigene Kultur mit entsprechendem Repertoire, das ein starkes Mobilisierungspotenzial hat, ohne große Hürden verstanden werden kann und die Szene intern stabilisiert.

Adaption popkultureller Internet-Elemente

Die rechtsterroristische Online-Subkultur greift für ihre Zwecke auf bereits bestehende Elemente der Internet-Popkultur zurück. Dadurch fällt es ihr leichter, potenzielle Mitglieder auf Online-Plattformen abzuholen, ohne sie in eine komplett neue Kultur einführen zu müssen. Gleichzeitig ist die Internet-Popkultur ein globales Feld, das auch einer Anpassung der rechtsterroristischen Kultur bedarf, denn die Internet-Kultur gehört niemandem.

Allen ist es gestattet, uneingeschränkt auf sie zurückzugreifen. Rechtsterroristen prägen sie auf ihre Art, die es ihnen ermöglicht, sich von anderen abzugrenzen, ihren Hass darin zu kanalisieren und es anderen somit unmöglich zu machen, die gleichen Symbole zu verwenden.

Englische Sprache und Internationalisierung

Gleichzeitig erfordert die globale Internetgemeinschaft ein neues Identitätsverständnis. Die überwiegend englische Sprache ist dabei ein wichtiges Kriterium. Auch deutsche Rechtsterroristen kommunizieren größtenteils auf Englisch. Während die Internet-Popkultur dadurch den gemeinsamen Austausch über Ländergrenzen hinweg und den Zugang zu sämtlichen Informationen gewähren möchte, wird diese Idee in der rechtsterroristischen Online-Subkultur verkehrt. Die englische Sprache symbolisiert für sie die Idee von einer „europäischen“ und Weißen Einheit. Auch der Attentäter von Christchurch verwies auf die gemeinsame Sprache, mit der er sich als „Europäer“ identifizierte und seine Taten zu rechtfertigen versuchte. Dieselbe Sprache wird zum Identitätsmerkmal und mit einer rassistischen Bedeutung versehen: der vermeintlich gemeinsamen „europäischen” Abstammung. Dadurch schafft die rechtsterroristische Online-Subkultur das Gefühl einer internationalen Verbundenheit und kann mit dieser Erzählung trotz Internationalisierung an der ideologischen Idee eines räumlich und in sich geschlossenen „Volkes” festhalten.

Codierter Hass

Die rechtsterroristische Online-Subkultur ist sich aber auch bewusst, dass sie ihren ideologischen Hass kodieren muss, um nicht von Plattformen gelöscht zu werden. Die Journalisten Patrick Stegemann und Sören Musyal haben gezeigt, wie Bestandteile anderer Online-Subkulturen von Rechtsextremen und Rechtsterroristen vereinnahmt und mit jeweils neuen Bedeutungen versehen wurden. So werden vermeintliche Juden*Jüdinnen mit dreifacher Umklammerung markiert; oder Rechtsterroristen eigenen sich Ausdrücke der Gamer*innenkultur an – verändern aber ihre Bedeutung: In rechtsterroristischen Foren lässt sich oft der Ausdruck „kek“ lesen. Er stammt aus Teilen der Gaming-Kultur und wird im Computerspiel World of Warcraft der gegnerischen Gruppe als kauderwelsche Übersetzung zu „lol“ angezeigt, welches ein lautes Lachen ausdrücken soll. In der rechtsterroristischen Online-Subkultur wurde der Ausdruck übernommen, um sich damit über die Shoa lustig zu machen. Die Weiterentwicklung drückt sich dann in dem Fantasieland „kekistan“ mit teilweise eigener Flagge aus, was als Akronym so viel bedeutet wie „Kill Every Kike, Immediatley Start The Aryan Nation“ (deutsch: „Tötet jeden Juden, gründet sofort die Arische Nation“).

Humor, Witze und Satire als Strategie

Humor, Witze und Satire haben sich für Rechtsterroristen als Strategie bewährt. Ideologischer Hass wird zum vermeintlichen Witz gemacht. Für Szeneinterne ist die inhaltliche Absicht, alle imaginierten Feinde töten zu wollen, ernst gemeint. Gleichzeitig bietet das Stilmittel Humor ein Schlupfloch gegenüber Szeneunkundigen, denen erzählt werden kann, es handle sich lediglich um einen falsch verstandenen „politisch unkorrekten und ironischen“ Beitrag.

Auf diese Weise rechtfertigt sich die Szene nicht nur, sondern stilisiert sich noch zum Opfer einer vermeintlich „politisch korrekten“ Zensur und stärkt dadurch den Zusammenhalt in der rechtsterroristischen Online-Subkultur sowie die Ernsthaftigkeit der ausgedrückten Forderungen. Solche Formen vermeintlicher Satire finden sich insbesondere in Meme-Formaten wieder.

Memes

Der Vorteil von Memes, gerade im Bereich der politischen Meinungsbildung, besteht in der großen Wirkung auf das Publikum. Bilder oder Videos sind deutlich einprägsamer, können komplexe Sachverhalte auf ein Mindestmaß komprimieren und den Inhalt verständlich und schnell vermitteln.

Zudem schließen Bilder oft an Alltagserfahrungen an, sodass eine emotionale Verbindung mit dem Inhalt hergestellt werden kann und dieser so an Bedeutung gewinnt.

Insbesondere in Sozialen Medien und anderen Online-Plattformen haben Memes den Vorteil, dass sie schnell geteilt werden können. Diesen Umstand machen sich vor allem rechtsterroristische Online-Subkulturen zu eigen. Ihre Memes sind gespickt mit ideologischem Hass und werden oft als „sarkastisch“ oder „politisch unkorrekt“ abgestempelt. Ihre Mitglieder haben es zudem geschafft, einige Meme-Symbole in einer Weise zu kapern, dass sie von Organisationen wie der Anti-Defamation League, die Hetze im Netz dokumentieren, in die Liste der Hasssymbole aufgenommen wurden. Dazu gehören auch die Figuren des sogenannten „Moon Man“, eines Halbmonds mit Sonnenbrille aus einer McDonalds-Werbung der 80er Jahre, oder „Pepe the Frog“, eine ursprünglich unpolitische froschähnliche Comic-Figur. Für die rechtsterroristische Szene sind derlei Kulturelemente ein Erkennungszeichen und gleichzeitig eine Möglichkeit, die Szene für neue Mitglieder zu öffnen und leichter zugänglich zu machen.

Alltägliche und bekannte Gegenstände werden zum strategischen „Witz“. Der „Bowlcut“ unter dem weißen Zauberwürfel ist eine Anlehnung an den Rechtsterroristen von Charleston, der neun Schwarze Menschen in einer Kirche ermordete.

Zu den Memes gehören „Pepe the Frog“, „Moon Man“, SS-Totenköpfe, „Laser Eyes“, Bilder vorheriger Rechtsterroristen und der „Bowlcut“. Mehr dazu in der Broschüre.


Dieser Text ist ein Auszug aus der Broschüre „Rechtsterroristische Online-Subkulturen. Analysen und Handlungempfehlungen“ der Amadeu Antonio Stiftung, erschienen im Februar 2021.

Die Broschüre zum Download gibt es hier:

https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen/rechtsterroristische-online-subkulturen/


 

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