C.O.Rona – Maskenlos durch die Stadt
Es war der Schwurblerhit des Jahres 2020: „Maskenlos durch die Stadt, bis das ganze Land erwacht“ war auf „Querdenken“-Demonstrationen von Stuttgart bis Berlin zu hören. Die wenig kreativ genannte Sängerin „C.O.Rona“ klaute wenig kreativ die leider höchstansteckende Melodie von Helene Fischer und ging damit viral. Annika Senger heißt die „Querdenken“-nahe Musikerin in echt, die sich als „Sängerin der neuen Zeit“ bezeichnet – und die Pseudonymwahl auf ihrer Webseite in feinster verschwurbelter Manier erklärt wie folgt: „Das Wort mit C stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Krone. Im März 2020 beschlossen einige wenige Mächtige, der gesamten Weltbevölkerung die schwarze Krone der Angst überzustülpen…Mit der Schreibweise unterstreiche ich meine individuelle Note und schaffe etwas Distanz zu dem lateinischen Begriff, der zum Inbegriff von Panikmache geworden ist – aber auch zum Schlüssel der Transformation.“
Ominöse Mächte, Panikmache, Angst – so weit, so verschwörungsideologisch. Die Idee für den Song habe sie gehabt, als sie während der ersten Covid-Welle maskenlos S-Bahn gefahren sei, schreibt Senger. Dieser Aha-Moment wird offenbar im Musikvideo nachgestellt: Die Möchtegern-Schlagersensation läuft den unglamourösen Runway der Berliner U-Bahn mit lilafarbener Perücke und natürlich ohne Mund-Nasen-Bedeckung entlang. Eine niedrigschwellige Form der Alltagsanarchie, die letztendlich aber nur Mitpassagiere gefährdet, die Pandemie verlängert und ungefähr so mutig ist wie schwarzfahren. Ein besserer Songtitel wäre gewesen: „Ahnungslos durch die Bahn“.
Inzwischen ist das Video nur noch auf dem dubiosen Portal „Bitchute“ aufrufbar, ein Ausweichkanal für Rechtsterrorist:innen und Verschwörungsfans jeglicher Couleur, deren Content auf den einschlägigen Social-Media-Seiten und Streamingdiensten gelöscht wurde. Genau das ist Senger passiert: YouTube habe ihr Video mehrmals gelöscht, sie sei von „Trollen der Antifa belagert und beleidigt“ worden, heißt es. Nicht die einzige Schlappe für Senger: Eigene musikalische Versuche wie das C.O.Riginal-Lied „Virus der Liebe“ fanden bislang wenig Resonanz in der Schwurbler-Blase. Und trotz einiger eher bescheiden besuchten Auftritte auf „Querdenken“-Demonstrationen bleibt die Follower:innen-Zahl von Sengers Social-Media-Seiten lediglich im zweistelligen Bereich.
Rapbellions (feat. Xavier Naidoo) – Ich mach da nicht mit
Die Popwelt kennt den inzwischen coronaleugnenden Soul-Sänger Xavier Naidoo als „Sohn Mannheims“. Doch seine Mitwirkung an der siebenminütigen Untergangsballade der „Rapbellions“ mit dem trotzigen Titel „Ich mach da nicht mit“ spricht eher dafür, dass er eigentlich direkt von einem „Reichsbürger“-Stammtisch in Chemnitz kommen könnte. Denn der Song ist ein Potpourri verschwörungsideologischer Narrative von Rechtsaußen: New World Order, Satanist:innen, Versklavung der Menschheit und Impfchips – so lautet der Tenor in dieser musikalischen Drohkulisse. Einer rappt: „Satanische Sklaven sind apathisch und sick / Ich sag: ‚Fuck NWO‘ und bewahr‘ mein Gesicht“. Ein anderer: „Dann begräbst du Opa, denn er stirbt durch AstraZeneca / Und wer hat dich gewarnt? Der Verschwörungstheoretika.“ Viele der beteiligten Rapper im Lied wirken, als litten sie an paranoiden Wahnvorstellungen und Angstzuständen nach einem besonders harten Crystal-Meth-Comedown.
Nach jeder holprigen, testosteronbeladenen Strophe kommt Naidoos Refrain einem fast wie eine Erleichterung vor. Er radelt an Palmen vorbei und singt, während er von Drohnen der Geheimdienste ausgespäht wird, mit vergleichsweise sanfter Stimme: „Das kann gar nicht sein, euer Gift kommt niemals in unseren Körper rein. Die Geschwister und ich, wir wagen den Schritt, wir machen nicht mit“. Um körperliche Selbstbestimmung geht es aber nur vordergründig: Denn mit dem Lied liefern Naidoo und Co. den Soundtrack zum Umsturz. So haben zum Beispiel die „Corona Rebellen Düsseldorf“, die auf „Querdenken“-Demonstrationen Gasmasken tragen und Straßenschlachten mit der Polizei liefern, einen Cameo-Auftritt im Video. In einer Szene im Video, das – Überraschung – ebenfalls von sämtlichen Social-Media-Plattformen gelöscht wurde und nur noch auf Bitchute zu finden ist, greift ein Rapper die Security eines Impfzentrums an, bevor eine Bombe explodiert. Und Zeilen wie „Mach Alarm, bewaffne dich, vernichte den tiefen Staat“ zeigen unmissverständlich, wohin die verschwörungsideologische Reise geht.
Corona Bavaria – Bitte Geht!
Was beim ersten Blick aussieht wie eine schlechte Werbung für eine bayerische Joghurt-Sorte oder ein Werbespot für eine Oktoberfest-Sekte ist in der Tat ein Akkordeon-Appell an die Regierung, zurückzutreten. Der Grund, Sie ahnen es schon: Corona. Vor Kuhställen in Dirndln verkleidet zeigt die Band „Corona Bavaria“, warum der Verkauf von Ziehharmonikas dringend reguliert werden muss. Denn die wenig abwechslungsreiche Melodie ist so infektiös wie eine Après-Ski-Party in Ischgl – und in den Händen von Schwurbler:innen wird sie zur gefährlichen Waffe.
Der Text bleibt allerdings ziemlich banal, die Kritik zahm. So wird von einer „Gesundheitsdiktatur“ gewarnt, die allerdings nur aus sehr niedrigschwelligen Infektionsschutzmaßnahmen zu bestehen scheint: „Ganz vui Tests und Quarantäne / Wos hobts ihr denn da für Pläne. / Unsre Kinder in da Schui, / die erfriern auf ihrem Stui“. Star-Virologe Christian Drosten habe womöglich für seinen Ruhm bezahlt („Fließt denn da a bisserl Geld?“), die „Querdenken“-Mediziner Wolfgang Wodarg und Sucharit Bhakdi seien Ziel einer Hetzkampagne. Ein Diss gegen den bayerischen Ministerpräsident kommt besonders lächerlich vor: „Und natürlich auch Herr Söder / Geht‘s denn no a bisserl blöder?“ Doch genau dieser Milde ist zu verdanken, dass der Song nach acht Monaten immer noch auf YouTube ist und inzwischen knapp 180.000 Aufrufe hat. Ein Erfolg, den die Gruppe allerdings nicht wiederholen konnte. Die Nachfolgersingle „Impfen ist kein Wunschkonzert“ blieb bislang eher unter dem Radar der Szene.
Björn Banane – Schluss mit dem Lockdown
„Woah“-Rufe, E-Gitarren-Akkorde, ein eingängiger Refrain: Die Stadionrock-Nummer „Schluss mit dem Lockdown“ des „Querdenken“-nahen Musikers Björn Winter aka Björn Banane will eine Bewegungshymne sein. Das klappt besser als bei seiner Konkurrenz in der Schwurblerpop-Szene: Herr Banane hat tatsächlich ein Lied zum Mitmachen komponiert, das so einfach ist, dass selbst die nicht gerade für ihre musikalischen Talente bekannte „Querdenken“-Blase nach einer Strophe mitklatschen und mitsingen könnte. Theoretisch.
Doch von einem Künstler, der sich „Björn Banane“ nennt, erwartet man etwas mehr Extravaganz: Maracas, bunte Farben, vielleicht ein Bananenkostüm. Stattdessen feiert das Musikvideo eine bizarre postindustrielle Ästhetik: Zwischen Einblendungen von Krankenhäusern und Impfungen tanzt Herr Banane in einer stillgelegten Fabrik neben eingestürzten Dächern und kaputten Fenstern. In einer Szene guckt er aus einem Ofen heraus. Sein Look – grauer Parka, Drei-Tage-Bart, Jeans und ein tiefausgeschnittenes T-Shirt – wirkt eher, als würde er gerade Kippen holen oder zur Spielkasino wollen, nicht eine Corona-Diktatur mit einem Power-Anthem stoppen. Auch Björns Systemkritik bleibet eher mau: „Steckt vielleicht hinter all dem ein Plan / um die ganze Wirtschaft an die Wand zu fahren?“, fragt er beispielsweise. Keine besonders innovative Behauptung in der Verschwörungsblase.
Der dramatische Höhepunkt des Liedes: „Querdenken“-Celebrities wie der Arzt Bodo Schiffmann, der Anwalt Ralf Ludwig und der Feelgood-Entertainer Nana Domena singen mit in kleinen Videokacheln. Und dann: eine brennende Maske. Das Video endet abrupt mit der Paypal-Email-Adresse und IBAN von Herrn Banane. Der Songtitel ist auf diversem Merchandising in seinem Online-Store zu kaufen – auf T-Shirts, Hoodies, Basecaps und Tassen. Eigentlich ist die Webseite des Künstlers einfach nur ein Shop – natürlich ebenfalls mit einer Möglichkeit zu spenden. Björn hat noch ein langer Weg zur Stadiontour. Ob er das bis Ende der Pandemie schafft, ist mehr als fraglich.