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Selbstverharmlosung auf der For-You-Page Wie sich rechte Frauen auf TikTok inszenieren

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Inszenierung zwischen hemdsärmlig und Häschen: Triene verbreitet Coronaleugnung und Demokratiefeindlichkeit auf TikTok. (Quelle: TikTok/BTN)

„Mein Name (Triene), mein Impfstatus (ungeimpft), meine Sexuality (hetero), meine Wahlpartei (AfD), meine Tankfüllung (Benzin). Bin ich Veganer (nope)? Und das ist meine Herkunft (Sachsen)“ krakeelt die TikTokerin „Triene“ im Dezember 2021 und geht viral. Das Lied ist angelehnt an einen TikTok-Trend, in dem sich Creator:innen vorstellen, indem sie die Fragen aussprechen und die Antworten in ihren Clip schreiben und darauf zeigen. Die Kommentare unter dem Video sind fast durchweg negativ; manche machen sich über sie lustig, andere beteuern, dass nicht alle Menschen in Sachsen so seien. Nichtsdestotrotz hat das Video 1,7 Millionen Aufrufe, wird zum Meme und verschafft der Influencerin eine enorme Reichweite, auch über TikTok hinaus.

Katrin K., wie TikTokerin Triene eigentlich heißt, deren Inhalte sich vor allem auf ihren Impfstatus und den damit verbundenen „Widerstand gegen die Regierung“ beziehen, betreibt aktuell zwei Accounts, die beide 38.K Follower:innen und insgesamt 1,2 Millionen Likes generiert haben. „Da auf vielen Portalen die totale Zensur herrscht“, wie K. behauptet, und sie auf TikTok bereits etliche Male gesperrt wurde, betreibt sie außerdem einen Kanal auf Telegram, der Plattform ohne Moderation.

Dort kann Katrin K. ihre Inhalte verbreiten, ohne wie auf TikTok, Sperrungen befürchten zu müssen. Im Vergleich zu ihrem TikTok-Account hat der Telegram-Channel mit 1.200 Abonennt:innen eine eher kleine Reichweite. Dafür besteht diese Followerschaft zu größeren Teilen aus gefestigten Rechtsextremen und Reichsbürger:innen. Erst kürzlich wurde auf dem Kanal beispielsweise der „Ausstieg“ des antisemitischen Musikers Xavier Naidoo betrauert. Katrin K. dreht provokante Videos, sucht Aufmerksamkeit um jeden Preis. So teilt sie beispielsweise zu Beginn des Ukraine-Russland Kriegs prompt ein Video, in dem sie tanzt zu „Moskau, Moskau, wirf die Gläser an die Wand, Russland ist ein schönes Land“.

TikTok ist eine fast vollständig Algorithmus-basierte Plattform – hier führt die Strategie, vor allem provokante Inhalte zu teilen, die im Zweifel zu Polarisierung führen, zu Reichweite.  Vor zwei Jahren warben rechtsextreme Influencer:innen in zeitlich unbegrenzten Videos auf YouTube für ihren ethnopluralistischen „Aktivismus“, teilten Mobilisierungsvideos und Interviews mit anderen Rechtsextremen und wollten so mit Hilfe verschiedener  Strategien neue Rechtsextreme agitieren (vgl.: Rechte Influencerinnen: Rechtsextreme Inhalte schön verpackt – Belltower.News). TikTok bietet dagegen ein Kurzvideoformat von maximal 3 Minuten und keine Chancen zur Quellenverlinkung: Ein perfekter Nährboden für Populismus, Polemik und Überspitzung in der verbalen wie nonverbalen Inszenierung. So verkleiden sich rechtsextreme Influencerinnen wie Katrin K. in ihren Videos gerne mal als Hitler, um ihren Standpunkt auch im 60 Sekunden Format zu verdeutlichen.

Die Querdenkerin als rechtsextremes Pick Me Girl

Katrin K. zeigt sich in ihren Videos, die oftmals mit „Böhse Onkelz“ Liedern unterlegt sind, im selbstdesignten „Querdenken Queen“ Pullover, aber auch in Handwerkerkleidung einerseits und  in Spitzenunterwäsche mit Gasmaske andererseits. Sie inszeniert sich auf freche und immer latent sexualisierte Art. Die Frau hat TikTok nicht nur verstanden, sondern mobilisiert auch im Stile der Thirst trap, einem Genre, das beschreibt, wie Personen auf TikTok durch vor allem sexuelle Inhalte männliche Aufmerksamkeit generieren und somit Menschen dazu verführen, sich länger mit ihren Inhalten zu beschäftigen. Ein Video trägt den Titel  „Ab auf die Baustelle“. Hier wirft sich  in dem Katrin K. erst in Arbeitsklamotten und trägt dann Lippenstift auf. Ihre Follower:innen kommentieren entweder mit Bezug auf ihre politische Agenda mit „Wo willst du denn hin…. Endlich mal im Bundestag aufräumen??“ oder aber – ganz im Sinne der von Katrin K. genutzten Methode der Thirst Trap – mit „du bist aber auch eine Hübsche…und du machst eine gute Figur, egal ob halb nackt oder in Engelbert Strauss.“

Im Dezember 2021 tauchen auf Twitter Bilder auf, die die Frau aus Döbeln zeigen, wie sie im Spitzenkleid auf einer Treppe sitzt, „Mein Kampf“ in der einen, eine Tasse mit einem Foto von Hitler und „Na vermisst ihr mich?“Aufdruck in der anderen Hand. Katrin K. kokettiert nicht nur mit ihrer Weiblichkeit, sondern auch mit der Verharmlosung des Holocaust. Was als scheinbar witzige Inhalte auf TikTok beginnt, radikalisiert sich auf Telegram und verfestigt sich in einer Karriere: Die frühere Hochzeitsplanerin aus Sachsen betreibt inzwischen einen Onlinehandel. Verkauft werden hier Coronaleugner-Merchandise Produkte wie „Ungeimpft“-Beanies und „My Body My Choice“-Aschenbecher mit Spritzenaufdruck, die erheblich zum Verbreiten ihrer Propaganda beitragen. Aus Selbstinszenierung wird Selbstvermarktung, die „thirst trap“ schnappt zu.

„Du bist immer noch der gleiche Mensch, egal was du wählst“ – C. und die Selbstverharmlosung

Ein häufiges Mittel der Inszenierung orientiert sich an den Mitteln der genutzten Plattform – den Sounds. Viele rechtsextreme TikTokerinnen tanzen zu Rechtsrock und lipsyncen dabei (bewegen die Lippen singend synchron zur Musik). Sie tragen so dazu bei, dass diese Sounds eine größere Reichweite bekommen. Dass Rechtsrock und Grauzonenmusik  auf TikTok ein enormes Mobilisierungspotential hat, wurde bereits 2020 thematisiert (vgl. Belltower.News).

Während Katrin K. zu den „Böhse Onkelz“ tanzt und eher selten Videos hochlädt, in denen sie spricht, verfolgt die 16-jährige Userin C. eine andere Inszenierungsstrategie. Ihre Videos sind stets mit seichten Indie- oder Popmelodien unterlegt und dienen als musikalische Kulisse ihrer Selbstverharmlosung. Denn C. ist AfD-Mitglied aus Gera, außerdem bei der Jungen Alternative organisiert, und sie hat es sich zur Aufgabe gemacht „über Vorurteile gegen die AfD aufzuklären“. Damit erreicht sie bisher 56,3 K Likes und knapp 5000 Follower:innen (zur AfD auf TikTok vgl. Belltower.News). In ihren Videos erklärt sie unteranderem mit zarter Stimme, dass die Wahlentscheidung nicht zwischen Freundschaften stehen solle und wie traurig es ist, wenn Freundschaften wegen politischer Meinungen auseinander gingen. Verschiedene Meinungen umfassen bei C. beispielsweise auch die Leugnung des menschengemachten Klimawandels und seiner Folgen. Die Inszenierung ihrer Person dient – anders als bei Katrin K. – der Selbstverharmlosung ihrer Positionen und soll so das Verbreiten von diskriminierenden Inhalten normalisieren – mit dem erklärten Ziel ihre Zuschauer:innen von der AfD zu überzeugen. Zum Vorbild gemacht hat sich die Schülerin dabei Fraktionsvorsitzende der AfD, Alice Weidel, die von C. als „unglaublich liebenswerter Mensch“ beschrieben wird. C. postet ein Video von Weidels Wahlkampfauftritt im sachsen-anhaltischen Zerbst, unterlegt mit dem auf TikTok sehr populären, insgesamt 5,2 Millionen Mal benutzten Lied „Infinity“.. Während Weidel auf der Bühne davon spricht, dass „wir in einer Bananenrepublik gelandet sind“, ist das Video mit „I love you for infinity“ Gesang unterlegt und stilisiert Weidel so zur politischen Heldin. Mit fast 92.000 Aufrufen ist es das meistgeschaute Video auf C.s Account.

In den meisten Videos aber zeigt sich C. auf eine naive, unschuldige Art, während sie selbst als sprechende Person zu sehen ist. Das spricht viele Menschen an, die ihre Inhalte aus Neugierde, vielleicht sogar aus Voyeurismus konsumieren. Ihre Strategie erscheint hierbei weniger schrill, weniger aufdringlich, jedoch nicht weniger gefährlich. In einem Video, in dem per Greenscreen Bilder von Hausfrauen aus den 1950er Jahren gezeigt werden, stellt C. klar, dass es für sie nichts Schöneres gäbe, als sich eine Zukunft vorzustellen, in der sie als verheiratete Frau ihren Mann und ihre Kinder ernähren würde. Anlässlich des Weltfrauentags 2022, klärt die Creatorin über das Frauenbild der AfD auf und betont, dass es ihr wichtig sei, dass Frauen „heutzutage nicht von Medien gezwungen werden, im wirtschaftlichen statt im häuslichen Bereich zu arbeiten“. Was sie mit diesem Zwang meint, bleibt offen.

Ein Weg der Radikalisierung

Hier zeigt sich ein Weg  der Politisierung rechter Akteurinnen: Während zunächst Politikerinnen wie Alice Weidel als Vorbild dienen, verlagert sich die Bewunderung dann auf junge Frauen, die einen so genannten „traditionellen Lebensstil“ verbreiten. Auf TikTok heißt das: Selbstgekochte „After Workout“-Rezepte teilen, für ein antimodernes Frauen- und Familienbild schwärmen. Einige von ihnen engagieren sich bei der sogenannten rechtsextremen „Identitären Bewegung“. So folgt auch C. einigen sogenannten „Tradgirls“, eine Bezeichnung für junge Frauen der Neuen Rechten, die sich traditionalistisch geben und durch aktuelle feministische Strömungen das konservative Familienbild als bedroht ansehen. In der Folge heißt das aber auch, Feminismus als Teil einer imaginierten „jüdischen Weltverschwörung“ abzulehnen, und anzugreifen oder Rassismus gegen muslimische Familien zu verbreiten. Um die Verbreitung zu steigern, lehnt sich die „Tradgirl“-Ästhetik, die auch C. nutzt, an auf TikTok populärer  Ästhetik an, die sich sonst bei Lifestyle-Influencer:innen findet. In diesen nicht-rechten Kreisen hoffen Frauen wie C. auf Zuspruch und Verbreitung ihrer Ideologie – oder zumindest kann die Provokation dazu führen, dass wiederum der Algorithmus der App befeuern wird.

Wenig hilfreich für eine Einordnung der Gefahr, die von rechtsextremen Akteurinnen ausgeht, ist der öffentliche Umgang mit Katrin K. So wurde K. in der Vergangenheit von Moderator Oliver Pocher als „Butterbirne“ bezeichnet, was die Userin prompt dankbar nutzte, um T-Shirts mit „Butterbirne“ Aufdruck in ihrem Webshop anzubieten und einen eigenen Song mit dem Titel „Butterbirne“  zu veröffentlichen. Wenn sich rechtsextreme TikTokerinnen nicht selbst verharmlosen, wie es C. tut, geschieht dies oft durch Dritte. Ob ein rechtsextremer Mann auch mit einem verniedlichenden „Butterbirne“ abgetan worden wäre, ist fraglich. Da die Pandemie ihre Arbeit als Hochzeitsplanerin zeitweise verhindert hat, beginnt K. kurzerhand eine Karriere als Influencerin und verbreitet ihre rechtsextreme Gesinnung so durch den Verkauf von Kleidung. Auf TikTok nimmt man einen Shitstorm gelassen hin, wenn er denn zum Aufbau und zur Radikalisierung der eigenen Bubble und zur kommerziellen Vermarktung der eigenen Ideologie führt. Es lässt sich jedenfalls sagen: Egal ob „Hauptsache Provokation“ oder rechte Romantik einer jungen AfDlerin: Rechte haben TikTok als Mobilisierungsplattform für sich erschlossen.

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