Wer die Entwicklung der AfD verfolgt, die rassistischen Beschimpfungen eines Jens Maier oder André Poggenburg, Björn Höckes Träume von der 180-Grad-Wende in der Gedenkkultur oder dass AfD-Bundesvorsitzender Alexander Gauland hat einen HDJ-Funktionär als Mitarbeiter einstellt, der möchten viele Menschen die AfD gar nicht zu Veranstaltung oder auf Podien einladen. Und wenn sich das vermeiden lässt, ist es oft auch eine gute Idee, die AfD nicht einzulanden. Denn je nach Themenfeld und Art der AfD-Vertreter_innen und Sympathisant_innen kann dies durchaus einen vernünftigen Sachdiskurs unmöglich machen oder gar nicht-rechte Menschen vom Besuch der Veranstaltung abhalten.
Wenn Sie aber trotzdem AfD-Vertreter_innen auf Veranstaltungen oder Podien einladen, weil Sie wollen oder müssen: Hier ein paar Überlegungen, wie sie Überrumpelungen, Themen-Setzungen und -Drehungen oder Hetze und Bedrohung reduzieren können.
Was tun mit Rechtspopulist_innen auf Podien?
Im Vorfeld immer gut überlegen, warum soll die AfD auf dem Podium sitzen, hat sie inhaltlich was beizutragen, werden immer alle Parteien eingeladen? Dilemma: Wenn AfD nicht eingeladen wird, inszeniert sie sich ggf. als Opfer, wird sie eingeladen, allerdings durchaus auch (zu wenig Redezeit usw.). Und es trägt zur Normalisierung der AfD bei. Als Moderator_in geben Sie die Stimmung, den Ton und die Diskussionregeln vor. Es lohnt sich, die Diskussionsregeln am Anfang einmal zu benennen (z.B. wir lassen uns ausreden, hören uns zu, keine Beleidigungen, hasserfüllte Attacken usw. – gilt dann aber auch für die anderen Diskussionteilnehmenden gegenüber den rechtspopulistischen Teilnehmenden!) Geben Sie dem rechtspopulistischen Teilnehmenden nicht mehr Raum als anderen Teilnehmer_innen. Vermeiden Sie, dass es nur noch um die Auseinandersetzung mit den rechtspopulistischen Teilnehmenden geht. Stellen Sie Ihnen Sachfragen, die nach Möglichkeit nichts mit rechtspopulistischen Lieblings-Agitationsthemen zu tun haben (Umgang mit Geflüchteten, Die da oben, Lügenpresse, Zensur usw.) Wenn die rechtspopulistischen Podiumsteilnehmenden abschweifen oder zu Ihren Lieblings-Agitation-Themen kommen: Lassen Sie das nicht durchgehen. Bestehen Sie auf Antworten zu Ihren Fragen. Fragen Sie gegebenenfalls bis zum Kern des Themas nach (z.B. „Grenzen dicht für Geflüchtete“ – was heißt das? Heißt das auch Waffengewalt gegen Frauen und Kinder? oder „die Meinungsfreiheit ist in Gefahr“ – wo denn? Weil sie nicht überall Rassismus und Antisemitismus verbreiten können, ohne dass jemand widerspricht?) Wenn die rechtspopulistischen Teilnehmer_innen etwas Vernünftiges sagen: Wenn möglich, darauf hinweisen, wo sich das mit der sonstigen Ideologie oder Parteihandeln beißt („Sie setzen sich hier jetzt für Frauenrechte ein – aber meinen Sie das für alle Frauen oder nur die, die sie als „deutsch“ ansehen?“ „Wenn Sie sich auch für die Freiheitsrechte muslimischer Frauen in der Türkei engagieren – warum agitieren sie an anderer Stelle gegen Freiheitsrechte von Migrant_innen in Deutschland?“ usw.) Schreiten Sie sofort ein, wenn: Andere Teilnehmer_innen des Podiums oder der Publikums mit Beleidigungen oder Hass abgewertet werden. Bereiten Sie sich auf rechtspopulistische Argumentationsstrategien vor (z.B. Themenhopping, Whataboutism, nationale Strategie – ist es gut für Deutsche/Deutschland, was kostet es Deutschland usw.) – dann können sie sie besser erkennen und ihnen klarer begegnen. Benennen Sie auch angewandte Strategien, dadurch verlieren sie an ihrer Wirkungsmacht. Bereiten Sie sich auf mögliche rassistische, islamfeindliche oder gegen die Parteiendemokratie gerichtete Thesen vor – dann können Sie sie gezielter und souveräner beantworten (Nicht nur „das ist rassistisch“, sondern, „das ist rassistisch, weil sie hier Menschen in einen Topf werfen, die nichts als ihre Hautfarbe/Herkunft/Religion miteinander gemein haben“ usw.) Benennen Sie jede Verallgemeinerung und bestehen Sie auf Differenzierung, immer (nicht „die Muslime“, „die Deutschen“, „die Politiker“ usw.) – zwingen Sie ihre Gesprächspartner, auszusprechen, was sie wirklich meinen („Ich habe von einem Fall gehört, da hat eine geflüchtete Familie…“, „Politiker XY hat…“). Fordern Sie Fakten ein, wenn sehr allgemein von einem Fall berichtet wird (ich habe gehört, dass eine Frau von einem Flüchtling bei einer Unterkunft vergewaltigt wurde). Wo ist das passiert, wann, wurde die Polizei benachrichtigt, gibt es eine Pressemeldung zum Fall? Belassen Sie es nicht bei der Skandalisierung einzelner, z.B. rassistischer Äußerungen. Machen Sie deutlich, dass es sich eben nicht um “Ausrutscher” handelt, sondern diese Äußerungen der Ideologie der Partei, der Organisation des Rechtspopulisten entsprechen. Bereiten Sie sich gut auf den rechtspopulistische_n Kontrahent_in vor: Mit Wissen zu Positionen und Aussagen der lokalen Partei oder des lokalen Ablegers der Organisation, ihren Verstrickungen in den Rechtsextremismus. Ebenfalls für die Vorbereitung: Welche Punkte wird der/die Rechtspopulist_in vermutlich stark machen wollen? Wie kann ich die kurz abfertigen und dann Themen ansprechen, die mein eigenes Gesellschaftsbild stärken?
Was tun mit rechtspopulistischem Publikum?
Gut vorbereiteter Einlass: Rechtsextreme per Hausrecht ausschließen, die Tür so besetzen, dass sich ein Ausschluss auch durchsetzen lässt. Im Vorfeld Polizei informieren, wenn Sie erwarten, dass es Konflikte geben könnte. Gute, souveräne Moderation und gute Vorbereitung sind zwingend nötig. Machen Sie deutlich, was Diskussionsregeln sind (keine Beleidigungen, keine Diskriminierungen, keine Co-Referate usw.). Lassen Sie diskriminierende Äußerungen nicht stehen, sondern widersprechen Sie, immer. Lassen Sie das Saalmikrofon von Helfer_innen halten (ggf. an Verlängerungsstange) und geben Sie es nicht aus der Hand. Diskussionsregeln (s.o.) gelten natürlich auch für das Publikum. Klarmachen, dass bei massiven Störungen ein Ausschluss droht (wenn Sie den auch durchsetzen können). Wenn Sie erwarten, dass viele Menschen mit rechtspopulistischen Ansichten im Publikum sitzen, unterschätzen Sie nicht die Dynamik bei öffentlichen Veranstaltungen – die Rechtspopulist_innen gern auch strategisch gezielt anfachen. Seien Sie selbst deshalb auch strategisch: Laden Sie Menschen ein, die aus dem Publikum vorbereitet gegenargumentieren oder Fragen stellen können, falls sich ein solcher Diskurs nicht von allein entwickelt, weil Menschen verblüfft sind oder Angst haben. Sollten Sie befürchten, dass viele aus Angst nicht sagen, vielleicht auch Expert_innen aus anderen Orten, Regionen, Bundesländern etc.). Wenn das Publikum Sie als Moderation / Veranstaltende vorführt, beschimpft, die Veranstaltung stört, eine Diskussion unmöglich macht etc. – benennen Sie das als Taktik („Sehen Sie, hier wird immer wieder die fehlende Meinungsfreiheit beklagt – aber jetzt gerade sind Sie es, die einen Austausch durch ihre Zwischenrufe unmöglich machen.“ Etc.).
Allgemein
Hilfreich ist es, sich zu fragen, wer in der konkreten Situation erreicht werden soll: geht es wirklich darum, die/ den überzeugte Rechtspopulist_in zu überzeugen (ist meist vergebene Mühe) oder sollen die Zuhörenden angesprochen werden? Es ist sinnvoll sich zu fragen, worum es den Personen geht. Welche Funktion bzw. Motive hat die Äußerung? Geht es um inhaltliche Auseinandersetzung, Interesse an meiner Meinung, um Provokation einer Reaktion, um Anerkennung oder den Ausdruck von Frust und Aggression? Danach richtet sich meine Gesprächsstrategie: Will ich Einstellungen beeinflussen, also Überzeugen? Will ich durch Hinterfragen zum Nachdenken anregen oder dazu, dass sich die Personen selbst entlarven (Vorsicht: nicht zu viel Raum geben)? Will ich diskriminierende Äußerungen zurückweisen (Grenzziehung) oder sollen diskriminierte Personen unterstützt, geschützt werden (Solidarisierung)? Will ich eine Gegenposition (aus dem Publikum/ auf dem Podium) stärken? Geht es darum mich selbst zu positionieren, meine Meinung verdeutlichen? Aber auch: Was würde helfen, die rechtspopulistische Position zu überdenken, sich auf meine Argumente einzulassen? Nützlich ist es, sich vorher zu überlegen, ob ich eine emotionale oder argumentative Gesprächsstrategie wähle. Geht es mir um eine sachliche Argumentation, den Austausch von Fakten? Eine solche Strategie führt nicht immer zum Ziel (Stichworte: unterschiedliche Wahrheits-/Objektivitätsauffassungen, “Fake-News”), auch wenn es vor allem um die Äußerung von Emotionalität geht. Eine weitere Möglichkeit ist die humanistische Argumentation, die auf einer Wertebene stattfindet. Hier geht es um Menschenbilder, Vorstellungen von Gerechtigkeit o.Ä. Außerdem sollte man sich über die eigenen emotionalen “roten Punkte”, d.h. Verletzbarkeiten, Ängste u.Ä. bewusst sein.
Mehr zum Umgang mit der AfD in den Publikationen der Amadeu Antonio Stiftung:
Posititionieren. Konfrontieren. Streiten. Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD (PDF-Dokument) (2017)Nachfragen, Klarstellen, Grenzen setzen – Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD(PDF-Dokument, 349.1 KB) (2016)
Und auf Belltower.News:
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