Irrationalität. Ignoranz. Beleidigungen. Die Missachtung von Zahlen und Fakten, aber gleichzeitig die fehlende Empathie für andere. Aber auch fehlende Bereitschaft, überhaupt mit der anderen Seite zu sprechen. Man muss und soll ja nicht mit jedem diskutieren – ich habe zum Beispiel nicht allzu viel mit Menschen zu besprechen, die den Holocaust leugnen, aber man hat es vor kurzem bei Dunja Hayali gemerkt, die der „Jungen Freiheit“ ein Interview gab. Plötzlich wurde sie von selbsterklärten Liberalen angefeindet, nur weil sie es wagt, mit der anderen Seite zu sprechen. Die Menschen, die solche Annäherungsversuche mit stumpfen Beleidigungen belohnen, während sie selbst nichts zur Debatte beitragen, halten uns zurück. Jeder scheint ganz genau zu wissen, was die Debatte voranbringt, und was nicht – nur nachweisen können sie das nur in den seltensten Fällen. Mich beleidigen zum Beispiel deutlich mehr Juden als Nazis! Jemanden zu zerreißen, nur weil man mit seinen Methoden nicht einverstanden ist, obwohl man wahrscheinlich auf der gleichen Seite ist, finde ich echt schade.
Was würde helfen, sie wieder zu beleben?
Vor allem wenn es um die AfD geht, höre ich ab und an die Kritik, dass man am besten über die AfD gar nichts mehr sagen oder schreiben sollte, weil sie dadurch nur mehr Aufmerksamkeit bekommt. Allerdings sind die meisten Menschen in Deutschland älter als vier Jahre und können selbst zwischen richtig und falsch unterscheiden. Wenn die AfD z.B. Hitler ganz toll findet oder Martin Schulz nach dem NS-Feindbild des Juden mit Photoshop verunstaltet, dann muss man das aufzeigen und entsprechend kommentieren. Wenn sie DADURCH mehr Stimmen bekommen, dann ist die AfD nicht das Problem, sondern die Menschen.
Was hat das Internet damit zu tun?
Das Internet hat uns ganz neue Möglichkeiten gegeben, Debatten zu führen, aber es hat auch unsere Art verändert, miteinander zu sprechen. Sie hässlich gemacht. Wir schreiben halt alles Mögliche ins Internet und sehen nicht, was es mit der Person macht, die das liest. Es ist ein bisschen wie Autofahren: da wünscht man auch mal im Hitze des Gefechts einem totalen Fremden einen qualvollen Tod, nur weil er zwei Sekunden länger an der Ampel braucht. Im Auto kann dich keiner hören, aber im Internet schon. Vielleicht sollten wir alle so schreiben, als würden unsere Mütter mitlesen.
Shahak Shapira ist Autor und Satiriker. Er lebt in Berlin und Tel Aviv und setzt sich über seine Kanäle in Sozialen Netzwerken (z.B. Facebook) mit dem Verhalten von Menschen in Sozialen Netzwerken auseinander. Zuletzt erhielt seine Website „Yolocaust“ große Aufmerksamkeit, die sich mit gedankenlosen Selfies am Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin auseinandersetzte. Gern gelesen haben wir auch den „Ehrlichen AfD-Adventskalender“ auf Facebook.