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Shisha Bars Zwischen Safer Space und Razzien

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Zwei Menschen sitzen an einem Tisch. Vor ihnen stehen zwei Wasserpfeifen
Shisha Bars im Spannungsfeld zwischen öffentlicher Wahrnehmung und sozialer Realität (Quelle: Pexels)

Am 19. Februar 2020 tötete ein Mann in Hanau aus rassistischen Gründen neun Menschen.  Die Tatorte: zwei Shisha Bars. Zunächst drang der Täter in die Shisha-Bar „Midnight“ im Herzen von Hanau ein, und tötete hier vier Menschen. Danach fuhr er zu einem Ort namens „Arena Bar“, wo er fünf weitere Menschen in der Bar und in einem in der Nähe geparkten Auto tötet. Der Täter suchte also ganz gezielt Shisha Bars auf, um hier Menschen, Migrant*innen, zu töten. In der Logik des zutiefst rassistischen Weltbildes des Täters waren diese Orte genau die richtigen, um seine mörderischen Pläne in die Tat umzusetzen.

Shisha Bars, Orte, an denen sich Menschen gemeinsam Wasserpfeifen teilen, scheinen immer beliebter zu werden. Doch seit Jahren werden sie von Politik und Medien herangezogen, um angeblich kriminelle Parallelwelten arabischer Großfamilien zu beschreiben. Mit verheerenden Folgen. 

In den letzten Jahren habe ich mich mit vielen Shisha-Bar-Besitzern getroffen, die mir ihre Erfahrungen und Eindrücke von den geschäftsschädigenden Angriffen und Schikanen der Polizei schilderten. Ibrahim ist einer von ihnen. Er floh Anfang der 1990er Jahre mit seiner Familie aus dem Irak, als er noch ein kleines Kind war. Vor einem Jahrzehnt eröffneten er und seine Frau eine Shisha-Bar in Berlin, die sich schnell zu einem beliebten Treffpunkt für Einheimische und junge Leute entwickelte und eine vielfältige Kundschaft aus der ganzen Stadt anlockte.

Ibrahim erzählte mir, dass seine Shisha-Bar in den letzten Jahren mehrmals im Rahmen einer Kampagne zur Bekämpfung der „Clan-Kriminalität“ kontrolliert wurde. Er habe nichts gegen die Kontrollen, glaubt aber, dass die Behörden ihn wegen seiner arabischen Abstammung ins Visier nähmen, obwohl er in Deutschland keinem „Clan“ angehöre und noch nie wegen einer Straftat verurteilt worden sei. Außerdem berichtete er, dass die Anwesenheit von Hunderten von Polizeibeamten bei den Kontrollen ein einschüchterndes Umfeld für seine Kunden schaffe und seinem Geschäft schade. Er glaubt, dass seine Gäste nicht mehr so häufig kämen wie früher, weil sie Angst vor der Polizeikontrolle hätten. Möglicherweise zögerten die Gäste, Veranstaltungen zu besuchen, weil die Polizei bei der Kontrolle ihre Ausweispapiere überprüft.

Shisha-Bars und „Clan Kriminalität“ stehen mittlerweile in einer semantischen Relation. Diese Verbindung rührt vor allem daher, dass Polizeibehörden diese Räume als wichtige Orte definiert haben, in denen sich mutmaßlich kriminell-organisierte Aktivitäten abspielen. Medienwirksam werden immer wieder polizeiliche Maßnahmen in Shisha-Bars durchgeführt. Im Rahmen ihres Kampfes gegen „Clan-Kriminalität“, hat die Polizei beispielsweise seit 2019 allein in NRW insgesamt 2.468 Kontrollen durchgeführt.

Shisha Bars stehen häufig im Fokus von Polizei und anderen Behörden beziehungsweise Ämtern, wie Steuer-, Zoll- und Gesundheitsbehörden. Vordergründig soll erreicht werden, dass sich die Shisha-Bars an die Gesetze und Verordnungen halten. Nebenbei soll so Druck auf die „Clans“ ausgeübt werden, mit der Hoffnung deren kriminelle Netzwerke aufzudecken. Darüber hinaus wird ein Bild in der Öffentlichkeit gezeichnet, das ein entschiedenes Vorgehen der Behörden gegen „Clan Kriminalität“ suggerieren soll. Die starke Hand des Staates haben durchgegriffen, so das politische Narrativ. Oder mit anderen Worten: Bei den Aktionen handelt sich in erster Linie um eine Machtdemonstration des Staates und um ein Mittel, zu zeigen, dass der Staat die Kontrolle hat und nicht zulassen wird, dass ein „Clan“ lokalen Räume dominiert. In der breiten Bevölkerung kommt das gut an – und das wissen viele Politiker*innen.

Das falsche Bild in den Medien

Bei den Polizeikontrollen werden häufig Journalist*innen im Vorfeld über Razzien informiert. So lassen sich die Politiker*innen dann als starke Akteure der Verbrechensbekämpfung inszenieren. Ein Großteil der Medienberichterstattung ist sorgfältig darauf ausgerichtet, Shisha-Bars als Zufluchtsorte für kriminelle Aktivitäten darzustellen.  Das führt jedoch zwangsläufig zu einer negativen Einstellung gegenüber den Cafés und ihren Gästen. Mit anderen Worten: Die Darstellung von Shisha-Bars in den Medien hat zur Stigmatisierung bestimmter ethnischer Gruppen beigetragen und auch zu falschen Vorstellungen über die Kultur und den Zweck dieser Lokale geführt.

Diese Bilder von Shisha-Bars basieren häufig auf Stereotypen und Pauschalisierungen, die nicht durch Fakten gestützt werden und nicht immer die Wahrheit über Shisha-Bars und die Menschen, die sie besuchen, widerspiegeln. Auch wenn einige Shisha-Bars in illegale Aktivitäten verwickelt waren, ist es unfair, sie alle zu verallgemeinern und zu verteufeln.

Shisha-Bars als Orte des kulturellen Austauschs

In Deutschland gibt es etwa 6.000 Shisha-Bars, schätzt das Statistische Bundesamt, also viermal mehr als McDonald’s-Filialen. Diese Lokale beschäftigen Tausende Menschen und leisten einen beträchtlichen Beitrag zur Wirtschaft. Sie sind in jeder deutschen Stadt zu finden, mittlerweile auch im ländlichen Raum. Auch hier sind sie zu einem festen Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens geworden, vor allem für junge Menschen. 

Shisha-Bars werden von einer sehr diversen Gemeinschaft besucht. Die Bars dienen in erster Linie als soziale Treffpunkte. Hier kommen Menschen zusammen, knüpfen Kontakte, hören Musik und genießen ihre Freizeit. Shisha-Bars sind Orte des kulturellen Austauschs. Meinen Beobachtungen zufolge treffen sich in Shisha-Bars Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Milieus und Klassen: Ingenieure*innen, Ärzt*innen, Akademiker*innen, Student*innen, Arbeiter*innen, und auch ältere Menschen gehen in Shisha-Bars, um sich zu entspannen und sich mit Freunden oder der Familie zu treffen.

Shisha Bars als Art Safer Space

Außerdem sind Shisha-Bars, insbesondere in städtischen Gebieten, zu beliebten Treffpunkten für junge Migrant*innen geworden. Shisha Bars ziehen junge Menschen aus Einwandererfamilien an, weil sie einen sozialen Raum bieten, in dem sie mit ihrer Kultur und Gemeinschaft in Kontakt treten können. Shisha-Bars bieten denjenigen, die sich von der Mehrheitsgesellschaft ausgegrenzt, isoliert und unerwünscht fühlen, ein Gefühl der Akzeptanz und Zugehörigkeit. Sie können sich hier frei äußern, ohne Vorurteile oder Diskriminierung befürchten zu müssen. Sie gehen gerne in diese Bars, weil es sichere und angenehme Orte sind, an denen sie Menschen treffen können, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

„Clans“ und Shisha Bars

Während meiner Feldforschung musste ich jedoch auch feststellen, dass einige kriminelle „Clan-Mitglieder“ Shisha-Bars als Ort für illegale Aktivitäten nutzen. Dies ist jedoch kein neues Phänomen. Bereits in den 1990er Jahren entdeckten Kriminelle Shisha-Bars als attraktive Drehscheibe, in der sie ihre Geschäfte unbemerkt von den Strafverfolgungsbehörden abwickeln konnten, vor allem den Handel mit Drogen und unversteuertem Tabak. 

Oft importierten sie billigen Shisha-Tabak aus dem Ausland und verkauften ihn in kleinen Portionen weiter, um ihre Gewinne zu maximieren. Einige stellen sogar ihren eigenen gefälschten Shisha-Tabak her, der minderwertigere Inhaltsstoffe beinhaltet und folglich für die Konsumenten äußerst schädlich sein kann. Oft mischen sie dem Tabak andere Substanzen bei, um sein Gewicht und Volumen zu erhöhen, mit ernsthaften Gesundheitsrisiken für die Kunden. Einige wenige Shisha Bars sind zudem Teil von illegalen Geldwäsche-Kreisläufen. 

Pauschalisierung und Stereotypisierungen

Doch die allermeisten Shisha-Bars in Deutschland werden von Personen betrieben, die keine Verbindung zur organisierten Kriminalität haben. Medienberichterstattung hat jedoch zu einer unfairen Verallgemeinerung und Stereotypisierungen der Shisha-Bar geführt. Einige politische Parteien haben ebenfalls zu diesem negativen Image beigetragen, indem sie immer wieder das vermeintlich kriminelle Image dieser Orte betonen. Shisha-Bars wurden so für viele zum Sinnbild für die Migrationsbewegung von 2015. Die Taten des Hanauer-Mörders sind eine tragische Erinnerung an die Folgen von Hass und Vorurteilen, die oft von den Medien und bestimmten politischen Parteien in Bezug auf Shisha Bars verbreitet werden.

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