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Silvester Rechtsextremer Brandanschlag auf Synagoge

In der Silvesternacht soll ein 21-Jähriger einen Anschlag auf eine Synagoge im bayrischen Ermreuth verübt haben. Sein ideologischer Hintergrund lässt eine gezielte antisemitische Tat vermuten.

 
(Quelle: Flickr / kris krüg / CC BY-SA 2.0)

In der Silvesternacht soll ein 21-jähriger Tatverdächtiger im bayrischen Ermreuth ein Fenster einer Synagoge eingeschlagen und einen Feuerwerkskörper entzündet haben, „um diesen durch die zerstörte Scheibe in die Synagoge zu werfen und so dort Feuer zu legen“, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Polizei und Staatsanwaltschaft gehen von einer antisemitischen Straftat mit rechtsextremem Hintergrund aus. Laut Medienberichten seien auf dem Handy des 21-Jährigen entsprechende Hinweise gefunden worden.

Der mutmaßliche Täter lebt in einem Nachbarort und wurde am 5. Januar nach Zeugenaussagen und Auswertungen von Überwachungskameras verhaftet, allerdings einen Tag später schon wieder auf freien Fuß gesetzt. Der zuständige Ermittlungsrichter am Amtsgericht hatte die Erlassung eines Haftbefehls aufgrund fehlender Fluchtgefahr abgelehnt. Dagegen hat die Staatsanwaltschaft mittlerweile Beschwerde eingelegt. Seit dieser Woche hat nun die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) der Generalstaatsanwaltschaft München die Ermittlungen übernommen. Das Verfahren leitet Andreas Franck, der Antisemitismusbeauftragte der bayrischen Justiz.

Eine erste Meldung des Polizeipräsidiums Oberfranken hatte zuerst davon gesprochen, dass eine „Fensterscheibe zu Bruch“ gegangen sei. Erst einen Tag stellte sich heraus, dass es sich um eine antisemitische Tat gehandelt hatte.

Auch der Bürgermeister des Ortes, Martin Walz (CSU), wiegelte zunächst ab. Erst 1994 war die Synagoge des Ortes, die während der Novemberpogrome 1938 geschändet und teilweise zerstört wurde, wiedereröffnet worden. Davor stand das Gebäude jahrelang leer oder wurde als Lagerhalle genutzt. Walz stellte nach dem Anschlag fest, dass man im Landkreis nicht in einer „heilen Welt“ leben würde. Jahrzehntelang habe es keine antisemitischen Vorfälle im Ort gegeben.

Tatsächlich sind Rechtsextremismus und rechtsextremer Terror in dem kleinen Ort nichts Neues. Denn jahrelang residierte im Schloß Ermreuth Karl-Heinz Hoffmann, Anführer der Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG). Ab Ende der 1970’er Jahre war das Schloss das Hauptquartier der Gruppierung. 1980 wurde die die Wehrsportgruppe verboten. Ein ehemaliges Mitglied der WSG, Gundolf Köhler, verübte am 26. September 1980 das Oktoberfestattentat in München. Während seiner Mitgliedschaft in der Gruppe lebte er in Schloss Ermreuth. Köhler ermordete 13 Menschen, 221 Personen wurden verletzt, 68 davon schwer. Es war das schlimmste rechtsextreme Attentat in der Geschichte der Bundesrepublik. Am 19. Dezember 1980 ermordete Hoffmanns Stellvertreter Uwe Behrendt in Erlangen den jüdischen Verleger Shlomo Lewin und seine Lebensgefährtin Frida Poeschke. Auch Behrendt lebte gemeinsam mit Hoffmann und anderen Gruppenmitglieder in dem bayrischen Schloss. Während der Ermittlungen fanden die Behörden im und um das Schloss herum Waffen- und Munitionsverstecke.

Nachdem die WSG als verfassungsfeindliche Organisation verboten worden war, führte Hoffmann sie in einem PLO-Lager im Libanon für zwei Jahre weiter. Nach seiner Verhaftung 1981 löste sich die Gruppe auf.

Foto: Flickr / kris krüg / CC BY-SA 2.0

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