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„Singen, wandern, toben“ – Rechtsextreme Zeltlager gibt es auch in diesem Sommer

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Zwei Jahre ist es her, dass ein Sommerlager in Mecklenburg-Vorpommern, organisiert von der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ), von der Polizei geräumt wurde. Im Oktober ließ daraufhin das Bundesinnenministerium im Zuge eines Ermittlungsverfahrens bundesweit mehrere Wohnungen durchsuchen. Ergebnis der Aktion war am 31. März 2009 das bundesweite Verbot der HDJ. Der damalige Bundesinnenminister Schäuble sagte zum Verbot: ?Wir müssen alles tun, um unsere Kinder und Jugendlichen vor diesen Rattenfängern zu schützen.?.

Zweck solcher Jugendlager war die systematische Erziehung von Kindern und Jugendlichen zu Nationalsozialisten. An den ein- bis zweimal pro Monat veranstalteten Zeltlagern nahmen ganze Familien teil. Jeder, der in der Szene was auf sich hielt, schickte seine Kinder zur HDJ. Neben Vorträgen zu ?Rassenkunde? gehörte militärischer Drill zum Veranstaltungsangebot der Ferienlager. Von nächtlichem Fahneneid bei Fackelschein bis hin zu Messerproben und Luftgewehrschießen wurde alles durchgeführt, um die Kinder und Jugendlichen zu ?deutschem Mannestum? zu erziehen. Auch scheuten die HDJ-Aktivisten nicht zurück an ihren Zelten Schilder wie ?Führerbunker? aufzuhängen, beschreibt Autorin Andrea Röpke die Ferienlagerstimmung.

Sommercamps stehen weiter auf dem Programm – etwas vom „Sturmvogel“

Wenig erstaunlich bei dieser starken Funktion in der Szene: Das HDJ-Verbot im März 2009 hat das Problem der rechtsextremen Zeltlager nicht gelöst. ?Sommercamps gehören weiter zum Programm von vornehmlich völkischen Familien.?, so Andrea Röpke. Organisiert werden diese Lager vor allem für Jugendliche. Aber auch für Kinder gibt es immer wieder Angebote, so fand Anfang August ein sogenanntes ?Pimpfenlager? für Kleinkinder statt. Organisiert habe dies die völkisch-bündische Organisation ?Sturmvogel ? Deutscher Jugendbund?.

Wie viele Jugendlager in diesem Jahr genau stattfinden, ist schwer zu sagen ? das HDJ-Verbot erschwert die Recherche, selbst für den Verfassungsschutz. Meist finden die Veranstaltungen auf Privatgeländen unter dem Deckmantel einer vermeintlich unpolitischen Veranstaltung statt. Die Deutsche Nachrichten-Agentur dpa befragte die Verfassungsschutzbehörden der Bundesländer, und die registrierten auch in diesem Jahr Zeltlager, Grillfeste, Ausflüge und Wanderungen. So fand laut der Recherche der dpa zum Beispiel im Juni 2010 in der Main-Tauber-Region (Baden-Württemberg) eine Sonnwendefeier, organisiert von NPD und JN (Junge Nationaldemokraten) mit rund 150 Teilnehmern statt. Ein weiteres Beispiel ist ein JN-?Orientierungsmarsch? diesen Juli mit rund 60 Teilnehmern. In Niedersachsen gab ein JN-Sommercamp, in Hessen wurde ein rechtes Zeltlager bemerkt.

Fahrten in „deutsche Siedlungsgebiete“

Organisiert werden die Fahrten unter anderem vom ?Sturmvogel? oder der JN. Nach Angaben das apabiz-Archivs führt der ?Sturmvogel? vornehmlich Fahrten mit Schwerpunkt Osteuropa durch. Bevorzugt würden ?deutsche Siedlungsgebiete? wie das Sudetenland, Oberschlesien, Ungarn oder Pommern aufgesucht. Ziel der Jugendarbeit des ?Sturmvogels? ist, laut eines Gründungsflugblatts, ein ?Vorleben zu vermitteln, (?) gegen den Ungeist, der unser Volk derzeit jeden Atemzug verpestet?. Die Gruppe ist sehr bemüht, ihre Aktivitäten möglichst geheim zu halten. So werden Termine grundsätzlich nur direkt an Mitglieder verschickt. Werbung für sogenannte ?Wochenendlager? erfolgte zum Beispiel 2009 unter dem einfachen Titel ?Singen, wandern, toben?.

„Sportlicher Wettkampf“ und „Geschicklichkeitsproben“

Ähnlich neutral formuliert auch die JN auf ihrer Website die Zielsetzung von ?Sommerlagern?: ?Natürlich kommt auch der Spaß nie zu kurz, sei es im sportlichen Wettkampf, beim abendlichen Kameradschaftsabend, oder bei verschiedensten Fahrtenspielen und anderen Geschicklichkeitsproben?. Eigens zur Organisation von Ferienlagern und Ausflügen hat die JN eine eigene Interessengemeinschaft gegründet, die ?IG Fahrt und Lager?. Diese trat erstmals im Dezember 2009 in Erscheinung.

Wie mit den immer noch stattfindenden Sommerlagern umgegangen werden kann, ist unklar. Eine Anfrage beim Verfassungsschutz ergab, dass momentan erst die Entwicklung dieser Lager abgewartet werden müsse, denn schließlich sei dies das erste Jahr nach dem HDJ-Verbot.

Rechtsextreme Kinder- und Jugendorganisationen sind prägend

Trotzdem verwundert es, dass Organisationen wie der ?Sturmvogel? bislang nicht offiziell vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Schließlich werden in den Sommercamps rechtsextreme und rassistische Erziehungsideale vertreten. So beschreibt Gideon Botsch vom ?Moses Mendelssohn Zentrum? in der taz, dass ?viele Kader der NPD in Gruppen, wie der ?Wiking-Jugend? (WJ) politisiert und sozialisiert? wurden. Neben dem NPD-Fraktionschef Udo Pastörs aus Mecklenburg-Vorpommern komme auch der NPD-Bundesordnerchef Manfred Börm aus der WJ, die ähnlich dem ?Sturmvogel? Kinder und Jugendliche mit einer eindeutig rechtsextremen Ideologie zu erziehen versuchte, bis sie 1994 verboten wurde. Viele in der ?Wiking-Jugend? sozialisierte Kinder waren später als Leiter in der ?Heimattreuen Deutschen Jugend? aktiv. Als weiteres Beispiel nennt Botsch Edda Schmidt, die beim ?Sturmvogel? aktiv gewesen sei und heute Vorsitzende der NPD-Frauenorganisation ?Ring Nationaler Frauen? ist.

Hinter völkisch-nationalen Jugendlagern verbirgt sich eine weitreichende, rechtsextreme Parallelwelt. Systematisch werden Kinder und Jugendliche an eine menschenverachtende Ideologie herangeführt und im völkischen Sinne sozialisiert. Ziel ist es, eine politische Elite zu formen, die nachhaltig im Sinne der in Zeltlagern gelernten Traditionen lebt und handelt. Außerdem sind eigene Beschäftigungsangebote innerhalb der Rechtsaußen-Szene ein wesentlicher Bestandteil im Abschottungsprozess, mit dem rechtsextreme Eltern ihren Kindern erschweren, mit nicht-rechten Jugendlichen und Familien in Kontakt ? und der elterlichen Ideologie in Konflikt – zu gelangen. Dies macht deutlich, wie wichtig eine umfassende Auseinandersetzung mit diesen Sommerlagern ist, damit die Durchführung solcher Lager rechtzeitig unterbunden werden kann.

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