„Skeptika ist stark im Mainstream verankert, umso mehr respektieren wir seine Entscheidung, ab sofort patriotische Musik bei uns machen zu wollen“, schreibt etwa Kai Naggert (Prototyp) auf Instagram. J.Paul aka Skeptika, ein Mann, der von sich sagt, er sei Rapper und mit einiger Reichweite auf Social Media ist das neueste Mitglied der NDS-Resterampe.
Wie Mainstream ist er tatsächlich?
Laut Skeptikas Social-Media-Profil hat er vor einigen Jahren mit dem problematischen Rapper Kollegah zusammengearbeitet. Zudem schrieb er offenbar den Intro-Song der „Einhorncrew“, ehemals „Pedo Hunters“. Eine Gruppe um den ehemaligen Kampfsportler und Polizisten Nick Hein, der YouTube-Videos darüber macht, wie er vermeintlich pädophile Menschen enttarnt, mit teilweise Millionen Klicks. Sein erster Song für NDS trägt den Titel „Du bist deutsch“. Können sich die NDS-Nazi-Rapper mit dem Neuzugang aus dem Norden Nordrhein-Westfalens aus der Bedeutungslosigkeit retten? Wohl kaum.
NDS wurde ursprünglich 2019 von Christoph Aljoscha Zloch alias „Chris Ares“ gegründet. Mit dabei waren außerdem Andre „Primus“ Laaf und Kai „Prototyp“ Naggert. Ares, der vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingestuft wird, landete mit seinen völkischen Songs einige Top-Platzierungen in verschiedenen Charts. Es war ein großer Erfolg für die extrem rechte Musik-Szene.
NDS – Das IB-Projekt
NDS galt von Beginn an als Projekt der sogenannten „Identitären Bewegung“ (IB), der Jugendorganisation der „neuen“ Rechten, die sich (aus strategischen Gründen) stets fern hielt von der klassischen Neonazi-Szene. Chris Ares war jedoch nie selber offiziell Mitglied der IB. Naggert hingegen schon. Sein politischer Werdegang hat mit 15 Jahren in der freien Kameradschaft-Szene im Rheinland begonnen, bevor er zur IB wechselte. So erzählt es Naggert zumindest in einem Interview dem militanten Dortmunder Neonazi Alexander Deptolla.
Naggert war dann Aktivist im NRW-Ableger der IB, „Defend Ruhrpott“. Seit Mitte 2018 war er verantwortlich für die patriotische Dating-App „Patriot Peer“, ein „Tinder“ für Rechtsextreme. Der IT-Kenner sollte die App auf den Markt bringen. Doch bis heute hat „Patriot Peer“, trotz zahlreicher Spenden der Kamerad*innen, nicht den Weg in den Android- und IOS- Store geschafft. Nach einer mäßig erfolgreichen Karriere als unlustiger neurechter Straßen-Komödiant, der Menschen auf der Straße belästigte, begann er seine Rap-Karriere.
Neustart in Bautzen
2020 entschlossen sich Zloch und Naggert in den Kreis Bautzen zu ziehen, um dort einen patriotischen Jugendclub aufzubauen. In der rechtsextremen Szene hatte es sich wohl rumgesprochen, dass es sich als Rassist und Nationalist in Sachsen gut und ungeniert leben lässt. Aus dem Jugendclub wurde jedoch nichts. Zloch kehrte schon bald nach Bayern zurück und verschwand von der Bildfläche. Doch Naggert, der samt Familie ebenfalls nach Bautzen gezogen war, blieb und baute die Verbindungen in die Neonazi-Szene weiter aus. Mit Zloch verlor NDS das wichtigste Gesicht des Labels. Doch Naggert und Laaf blieben weiter im Musikgeschäft und in der Region Bautzen.
„Kai Naggert macht inzwischen keinen Hehl mehr daraus, dass das Etikett IB nur Mimikry war und ‚Patriotismus‘ eine Chiffre für extrem rechts ist“, ordnet der Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs gegenüber Belltower.News ein. „Naggerts Ziel war von Anfang an, NS-Rap so zu etablieren, dass das erstmal nicht allzu sehr als extrem rechts auffällt; ausweislich seiner jüngeren Tracks ist er mittlerweile tatsächlich wesentlich eindeutiger extrem rechts unterwegs als noch zu seinen Anfangszeiten.“
Gerade bei Teenagern im Raum Bautzen konnte NDS punkten und sich in den örtlichen Strukturen vernetzen. Der rechte Rapper Tino Datzer alias „Menx“ machte das Raptrio wieder komplett. Auch Naggerts damalige Ehefrau Ramona tauchte immer wieder in NDS-Musikvideos auf und veröffentlichte unter dem Namen „Runa“ eigene Songs. Doch als sich Ramona und Kai Naggert im November 2021 trennten, verließ sie NDS und wechselte zum Cottbusser Rechtsrock-Label „Sub:Version“. Dafür ist Naggerts neue Freundin „Alva“ seit August 2022 nun auch als ausdruckslose Sängerin und Rapperin beim NDS. Genau wie ihre Kameraden posiert auch sie gerne mit rechtsextremen Symbolen.
Inhaltlich wird NDS immer expliziter. So rappt Proto etwa: „Damals wie heute, Europa erwache. Für Heimat und Volk griff dein Opa zur Waffe“, oder „Aufrechte Deutsche – nationalistisch“. In den Videos zu den Songs fällt auf, dass viele junge Neonazi-Gruppen auftreten, wie etwa die „Pforzheim Revolte“ oder „Junge Tat“ aus der Schweiz. Auch Personen vom „III. Weg“ tauchen in einem Video auf. Zudem fließen Aufnahmen des faschistischen MMA-Events „Kampf der Nibelungen“ in ein Video mit ein und die rechten Musiker posieren immer öfter in Merchandise dieser Neonazi-Kampfveranstaltung. „Wie der geschätzte Kollege Christoph Schulze vom Moses Mendelssohn Zentrum neulich so schön formulierte: ‚Das N in NDS steht für Nationalsozialismus‘“, so Hindrichs.
Im Mai 2022 erklärte dann plötzlich Andre Laaf und der Bayreuther Tino „Menx“ Datzer ihren Ausstieg bei NDS. Offenbar waren sie mit einem geplanten Konzert in der Nazi-Kneipe „Lokal 18“ (die 18 steht in der rechtsextremen Szene für „Adolf Hitler“) in Naumburg unzufrieden. Datzer war erst im Februar 2021 offiziell als Geschäftsführer bei NDS eingestiegen. Kurz darauf wurden Silas „Sillo“ Wehren und Dominik „Kavalier“ Raupbach als neue NDS-Musiker präsentiert. Beide kommen aus den Netzwerken der IB. Mittlerweile ist Naggert Geschäftsführer.
Mit der Ankündigung, dass J. Paul aka Skeptika nun Teil der NDS-Resterampe ist, erhofft sich die rechte Rap-Combo wohl der Bedeutungslosigkeit zu entgehen. Die Strategie von NDS, und besonders von Naggert ist es, Aufmerksamkeit zu generieren und zu provozieren. Immer wieder sind die NDS-Versuche Beef mit Rap-Größen zu entfachen gescheitert – der erhoffte Fame und die Aufmerksamkeit blieben aus.
„Ich werde sterben, das ist meine Diagnose“
Auf Instagram hat der NDS-Neuzugang rund 30.000 Follower*innen, auf TikTok an die 100.000. Doch besonders auf TikTok ist sein Content wenig Rap-lastig. Viel mehr finden sich einige kurze Videos, in denen er sich in Querdenker-Manier über die Schutzmaßnahmen während der Corona-Pandemie ärgert und immer wieder von vermeintlichen Eliten raunt. Doch die allermeisten Videos beginnen mit dem eingesprochenen Satz: „Ich werde sterben, das ist meine Diagnose, die ich bekommen habe“.
Offenbar hat J. Paul eine beschädigte Leber und große Schmerzen. Er postet Dinge wie: „Ich werde sterben… Ich habe am 26.7. meinen vermeintlich letzten Geburtstag“, „ich habe die Diagnose zu sterben… Jedes Follow macht micht stärker Danke“, oder „Jedes Follow von euch gibt mir die Kraft weiter zu kämpfen. Jedes Kommentar schenkt mir Glücksgefühle“ (sic) – immer unterlegt mit emotionaler Musik. Diese ganze Inszenierung wirkt sehr stark danach, dass hier ein Mann eine womöglich tödliche Erkrankung für mehr Follower*innen und Reichweite instrumentalisiert. „Skeptika ist Patriot und hat das Herz am rechten Fleck!“, heißt es aber in der Ankündigung des Neuzugangs auf Instagram. Er werde der Gesellschaft den Spiegel vorhalten.
Kurz bevor der Track des NDS-Neuzugangs veröffentlicht wird, kam es bei Naggert, beziehungsweise bei NDS zu einer Hausdurchsuchung. Ermittlungsbehörden suchten nach einer Schusswaffe. In einem Musik-Video posierte Naggert mit mehreren Waffen.
„Das Label ‘NDS Production‘ expandiert mittlerweile vermehrt in beide Richtungen“, beobachtet Thorsten Hindrichs. Einerseits hole sich Naggerts NDS ganz aktuell mit Skeptika einen Akteur an Bord, der wohl den „Patriotismus der Mitte“ repräsentieren soll – mit für die breite Masse zugänglichen Texten. „Andererseits„, so Hindrichs, „flirtet er seit einigen Wochen ausgesprochen intensiv mit Julian ‘Makss Damage‘ Fritsch als einem ‘der‘ Vorreiter des NS-Rap“. Der Musikwissenschaftler aus Mainz vermutet, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis es auch zwischen Naggert und „Makss Damage“ zu einem Kollabo-Track kommt. „Mit anderen Worten: Naggert versucht im Moment den Spagat zwischen ‘patriotischer Mitte‘ und der extremen Rechten à la Dritter Weg. Inwiefern ihm das gelingt oder ob es ihn bei dem Spagat nicht doch zerreißt, bleibt abzuwarten, aktuell ist er mit dieser Strategie jedenfalls ziemlich allein auf weiter Flur.“