Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

„Skrewdriver“ Rechtsrock in Baden-Württemberg

Von|
Rechtsrock ist ein wichtiger Ideologieträger der Neonazi-Szene (Quelle: Recherche Nord)

Die erste Band in der Bundesrepublik Deutschland, die extrem rechte Inhalte mit moderner Rockmusik verknüpfte, wurde 1977 in Baden-Württemberg gegründet: „Ragnaröck“ (Raum Ludwigsburg). Die Mitglieder stammten aus dem Umfeld der NPD. In den 1980er- und 1990er-Jahren folgte die Gründung zahlreicher Bands: „Noie Werte“ (1987; Raum Stuttgart), „Tonstörung“ (1989; Raum Mannheim), „Triebtäter“ (1991; Raum Ostalb) und „Ultima Ratio“ (1997; Raum Stuttgart) haben die deutsche Rechtsrock-Szene geprägt. Bis heute ist Frank Rennicke (1989; damals Raum Böblingen, heute Bayern) der einflussreichste Liedermacher der extremen Rechten.

Diejenigen Musiker, die sich in der extrem rechten Skinhead-Subkultur bewegten und Rockmusik mit nationalistischen und rassistischen Liedtexten spielten, wurden vom Briten Ian Stuart Donaldson und seiner Rechtsrock-Band „Skrewdriver“ inspiriert. Donaldson, in der Szene lediglich Ian Stuart genannt, wird im Rechtsrock bis heute vergöttert. Er trat 1979 in die britische ein und gründete 1981 die Band. Im Lied „White Power“ (1983) sang er: „White Power for England | White Power today | White Power for Britain | Before it gets too late“. Donaldson machte aus seiner Überzeugung keinen Hehl. Er war ein „fanatischer Rassist“ und wollte einen Rassenkrieg führen, um die Weißen vor Juden und Schwarzen zu schützen. Seine Helden waren Hitler und die Waffen-SS.

Donaldson und die „National Front“ erkannten das Potential extrem rechter Musik und versuchten, junge Menschen über Punk-/Rockkonzerte anzusprechen. Für die Partei startete der Musiker die „Rock Against Communism“-Kampagne. Das war eine Reaktion auf die „Rock Against Racism“-Konzerte der späten 1970er-Jahre. Man hatte durchaus Erfolg, aber 1985 brach Donaldson mit der Partei und gründete 1987 die extrem rechte Organisation „Blood & Honour – The Independent Voice of Rock Against Communism“. Die Organisation sollte den Bands aus der extrem rechten Skinhead-Subkultur eine Plattform bieten. Bereits früh zeichnete sich der internationale Charakter des Netzwerks ab.

Für Donaldson und seine Rechtsrock-Band „Skrewdriver“ spielte Baden-Württemberg eine zentrale Rolle: Die Band spielte acht von 12 Konzerten, die in Deutschland stattgefunden haben, im Südwesten. Mehrere Konzerte fanden in der „Kolbstube“ in Stuttgart statt. Die „Kolbstube“ war ein beliebter Treff der regionalen Neonazi-Szene. Zwischenzeitlich hat Donaldson gar in der Landeshauptstadt gewohnt. In dieser Zeit baute er mit baden-württembergischer Unterstützung seinen eigenen Vertrieb mit dem Namen „Skrewdriver Service“ auf.

Die extrem rechte, aus Baden-Württemberg stammende Organisation „Kreuzritter für Deutschland“ war zwischen 1991 und 1994 aktiv. Die „Kreuzritter“ organisierten zahlreiche Feste und Rechtsrock-Konzerte mit deutschen und internationalen Szene-Bands. So fand am 22. Mai 1993 ein „musikalisches Grillfest“ mit „Skrewdriver“-Sänger Donaldson im Heimerdinger Wald nahe Eberdingen (Landkreis Ludwigsburg) statt. Am 10. Juli 1993 feierten die „Kreuzritter“ ihr zweijähriges Bestehen auf einem Grillplatz in Waiblingen-Hegnach (Rems-Murr-Kreis). Im Rahmen des Jubiläums spielten „Skrewdriver“ und „Triebtäter“. Rückblickend ging der Konzertabend in die Rechtsrock-Geschichte ein. Denn: Es war der letzte (bekannte) Auftritt Donaldsons. Nur zehn Wochen später, am 24. September 1993, starb er an den Folgen eines Verkehrsunfalls.

Der leitende Redakteur der Zeitschrift „Die Burg – Die Kreuzritter-Stimme“, Alexander Heinig, schrieb nach Donaldsons Tod einen Nachruf: „Mit ihm stirbt ein wichtiger Bestandteil der nationalistischen Szene. Wie kein anderer in den letzten zwanzig Jahren hat Ian Stuart es verstanden, durch seine Musik vielen Menschen in der ganzen Welt die Ideale des Nationalismus näherzubringen. […] Mich persönlich erfüllt es mit Stolz, dass es mir vergönnt war, Ian Stuart kennenzulernen, und ich ihn einen guten Freund nennen durfte. Ruhe in Frieden, Kamerad. Wir werden dich nie vergessen.“ Heinig hatte „Noie Werte“ gelegentlich im Rahmen von Konzerten mit dem Bass unterstützt, ehe er Mitte der 1990er-Jahre seine eigene Band gründete. Sie trug den Namen „Ultima Ratio“. Im Lied „So nah“ des ersten „Ultima Ratio“-Tonträgers sang Heinig über Donaldson: „Den Weg der Freundschaft durfte ich mit dir gehen | Ich schwöre dir, ich werde zu unserer Sache stehen“.

Die Rechtsrock-Band „Noie Werte“ wurde in besonderem Maße durch Donaldson und „Skrewdriver“ geprägt. So sagte „Noie Werte“-Sänger Steffen Hammer in einem Interview: „Der große Durchbruch kam 1991, als wir mit ‚Skrewdriver‘ in Kontakt getreten sind und einige Konzerte in Deutschland und England zusammen mit Ian Stuart gespielt haben.“ 1994, ein Jahr nach Donaldsons Tod, gründete Hammer gemeinsam mit „Noie Werte“-Gitarrist Oliver Hilburger das Label G.B.F. Records („German-British-Friendship“), um die Kontakte zwischen britischen und deutschen Rechtsrock-Bands zu stärken. Das Label produzierte mehrere Tonträger britischer und deutscher Bands.

Hammer festigte die internationalen Rechtsrock-Kontakte durch Gemeinschaftsprojekte wie „Exxtrem“, „German-British-Friendship“ und „Lieder der Hoffnung“. An den Gemeinschaftsprojekten beteiligten sich der ehemalige „Skrewdriver“-Musiker Steve Calladine („Stigger“) und die drei Rechtsrock-Bands „Fortress“ (Australien), „Brutal Attack“ und „Squadron“ (beide Großbritannien). Die internationale Vernetzungsarbeit der „Noie Werte“-Musiker veranschaulicht den starken Einfluss der Band innerhalb der Szene. „Noie Werte“ veröffentlichte in ihrer Laufbahn rund zehn Tonträger und spielte über 70 Konzerte. 2010 gab die Band ihre Auflösung bekannt. In der Auflösungserklärung schrieben die Musiker: „Nach 23 Jahren Noie Werte verabschieden wir uns mit stolzer Brust und mit der Gewissheit, Lieder für die Ewigkeit geschrieben zu haben.“ Nur ein Jahr später geriet die Band in die internationalen Schlagzeilen.

Die Broschüre „Rechtsrock in Baden-Württemberg“ von Timo Büchner kann im Shop der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg bestellt werden. 

Weiterlesen

wurzen ndk

Recherche-Reihe Wurzen Rechtsrock und Kampfsport

Über Jahrzehnte haben sich extrem rechte Netzwerke in Wurzen etabliert, die in alltagskulturellen Feldern wie Mode, Musik oder Sport aktiv…

Von|
IMG_2274hellaufmacher-1

Apolda gegen Neonazis Rechtsrock-Festival in Thüringen wird für Neonazis zum absoluten Reinfall

Eigentlich wollten Neonazis am vergangenen Wochenende ausgelassen auf einem Rechtsrock-Event in Thüringen feiern – daraus wurde nichts. Nach einer Art Schnitzeljagd um den Veranstaltungsort, fanden sich am Samstag knapp 1.000 Rechtsextreme in Apolda ein. Als das Konzert begann, griffen Neonazis mit einem Mal Polizisten an. Das improvisierte Event wurde aufgelöst. Auch in finanzieller Hinsicht ein Fiasko für die Szene.

Von|
Eine Plattform der