„Viele Menschen wollen keine Neonazis oder marode Flüchtlingsheime – aber es gibt nur wenige Menschen, die den Worten Taten folgen lassen.“ Diese Worte von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD), der die Laudatio für den Sächsischen Förderpreis für Demokratie hielt, steckten den Rahmen des Abends ab: Geehrt wurden am Freitag in Dresden zehn Initiativen, die sich tatkräftig und unermüdlich für Demokratie und Weltoffenheit einsetzen.
Die beiden mit jeweils 5.000 Euro dotierten Hauptpreise erhielten das Dresdner Bündnis „Nazifrei! Dresden stellt sich quer“ und der Leipziger Initiativkreis „Menschen.Würdig“. Das Bündnis „Nazifrei“ wurde 2009 gegründet und versucht, den jährlichen Neonazi-Aufmarsch am 13. Februar in Dresden zu verhindern – gegen alle Widerstände und Kriminalisierungen. Zum Nazi-Aufmarsch 2011 war auch Wolfgang Thierse nach Dresden gereist, er erinnerte sich in seiner Laudatio an ein „eigentümliches“ Bild, das er nie vergessen werde: „Das Demonstrationsrecht der Nazis wurde geschützt, das der Nazi-Gegner beschnitten.“ Er forderte daher, man könne auch von Behörden und offiziellen Stellen einen Sinn für Verhältnismäßigkeit erwarten.
Ein Zeichen der Solidarität
Der zweite Hauptpreisträger, der Leipziger Initiativkreis „Menschen.Würdig“, wurde im Juni 2012 gegründet und will den Bedürfnissen von Flüchtlingen Gehör verschaffen und rassistische Vorurteile in der Gesellschaft abbauen. Er entstand als Antwort auf den Protest von Bürgerinnen und Bürgern aus Leipzig gegen die Unterbringung von Asylsuchenden in über die Stadt verteilten, kleineren Wohneinheiten. Thierse lobte die Arbeit des Initiativkreises, er setze ein gemeinsames Zeichen der Solidarität und thematisiere menschenfeindliche Ansichten. Und er habe bereits einen ersten Erfolg verbuchen können, so Thierse: „Das Problem wird endlich beim Namen genannt: Rassismus!“ Seit Beginn der Debatte seien bereits zwei Jahre vergangen, und noch immer würden die Asylsuchenden in einem maroden Haus mit Ungeziefer leben müssen. Daher sei es gut, dass der Initiativkreis sie unterstütze, doch auch die Politik dürfe sich dieser Aufgabe nicht entziehen.
Initiativen ermutigen und unterstützen
Neben den beiden Hauptpreisträgern wurden acht weitere Initiativen ausgezeichnet, die einen mit 1.000 Euro dotierten Anerkennungspreis erhielten. Diese sind das Vierkirchner Bündnis „Bunter Schall als Widerhall“, das „Fanprojekt Dresden e.V.“, das „Bündnis Bunter Brühl“ aus Chemnitz sowie die „Kulturfabrik Hoyerswerda“ gemeinsam mit der „RAA Hoyerswerda e.V.“. Auch die „Soziale und Politische Bildungsvereinigung“ aus Limbach Oberfrohna, die „Radio-Initiative Dresden e.V.“ und die Initiative „Wir – Gemeinsam“ aus Zwickau gehören zu den Preisträgern.
In diesem Jahr wurde der Sächsische Förderpreis für Demokratie bereits zum sechsten Mal verliehen. Insgesamt gingen 56 Bewerbungen ein, aus denen eine prominent besetzte Jury die zehn Hauptnominierten auswählte. Ausgelobt wird der Sächsische Förderpreis für Demokratie diesmal von der Amadeu Antonio Stiftung, der Freudenberg Stiftung und der Sebastian Cobler Stiftung. Er entstand aus der Beobachtung heraus, dass Neonazis seit Jahren versuchen, ihre Kräfte in Sachsen zu bündeln und ein zunehmend antidemokratisches Klima zu schaffen. Mittlerweile haben sich zum Teil rechtsextreme Strukturen etabliert, die es immer mühsamer machen, sich für die Werte der Demokratie, Weltoffenheit und die Anerkennung der Menschenrechte einzusetzen. Doch die Gesellschaft reagiert: In Sachsen gibt es zahlreiche Initiativen, die bereits fachlich fundierte Erfahrungen im Umgang mit Rechtsextremismus besitzen. Sie sollen mit dem Förderpreis ermutigt und unterstützt werden. Wie wichtig diese Initiativen für den Freistaat sind, betonte auch Dorothee Freudenberg: „Der Verfassungsschutz sollte sich bei den Nominierten etwas abschauen, denn so schützt man die Verfassung.“
Zivilcourage gegen Menschenfeindlichkeit
Auch rbb-Journalistin Petra Lidschreiber, die den Abend moderierte, würdigte die Nominierten: Diese wüssten, dass „Demokratie nicht aus der Steckdose oder dem Wasserhahn“ käme. Geehrt würden „Menschen, die sich trotz Augenrollens der Nachbarn oder Diffamierungen von Seiten einiger Kommunen engagieren“ würden. Sie versuchten, ein demokratisches Klima zu schaffen, was teilweise sehr schwer und teilweise sogar gefährlich sei, „vor allem hier in Sachsen“, so Lidschreiber. Wolfgang Thierse ergänzte, die Preisträger hätten Zivilcourage bewiesen, indem sie sich für Demokratie und gegen Menschenfeindlichkeit einsetzten. Er schloss: „Wenn ich das so sehe, glaube ich künftig an die sächsische Demokratie.“
Weitere Informationen:
www.demokratiepreis-sachsen.de
Alle Nominierten im Überblick