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SS-Festival in Ostritz und die Polizei scheint heillos überfordert

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Neonazis haben am Wochenende Ostritz gestürmt (Quelle: BTN)

Im sächsischen Ostritz, direkt an der Grenze zu Polen, hat am Wochenende das neonazistische Festival „Schild & Schwert“ im „Hotel Neißeblick“ stattgefunden. Den angereisten Neonazis wurde die komplette Bandbreite der rechten Erlebniswelt geboten: Von rechtsextremen Hardcore Bands, Tattoo-Convention, MMA-Kampf, rechtsextremen Merchandise, Redebeiträgen hin zu Balladen-Konzerten.

Neonazi mit Ku-Klux-Klan-Tattoo (Quelle: BTN)

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte am Freitag auf einer Gegenveranstaltung  in Ostritz, er möchte, dass niemand Angst haben müsse, wenn Nazis so eine Show abziehen. Allerdings blieb das an diesem Wochenende nur ein frommer Wunsch. Immer wieder kam es am Wochenende zu vereinzelten Angriffen auf Gegendemonstrant_innen und Journalist_innen. Sich im Dunkeln alleine auf den Straßen von Ostritz zu bewegen, war für viele beinahe unmöglich.

„Sicherheitsdienst Arische Bruderschaft“

Die Security des SS-Festivals trug einheitliche Shirts mit der Aufschrift „Sicherheitsdienst Arische Bruderschaft“ inklusive des Symbols der SS-Division „Dirlewanger“, die zur NS-Zeit in Polen ein Massaker anrichtete.

(Quelle: BTN)

Die zuständigen Sicherheitsbehörden brauchten einen halben Tag um zu entscheiden, dass dies strafbar sei. „Auf Antrag der Staatsanwaltschaft stellt das Amtsgericht eine Anordnung der Beschlagnahme der Bekleidungsstücke, Banner und Plakate mit diesem Schriftzug aus“, twitterte die Polizei Sachsen. Doch offenbar genügte es, die Shirts lediglich falsch herum anzuziehen.

(Quelle: BTN)

Nicht die Demonstrant_innen sind das Problem, sondern die Neonazis!

Erschreckend war der Tenor der Ostritzer, die zwar das Festival nicht guthießen, dennoch eher das Problem bei den Gegenveranstaltungen sahen, denn nur durch die Aufmerksamkeit der Presse würde nun so ein Aufhebens gemacht. Erst durch die Anreise der linken Aktivist_innen befürchtete man Zusammenstöße. Schuldig für viele Ostritzer waren demnach nicht die Rechtsextreme sondern die Angereisten, die das Nazi-Even nicht unkommentiert stehen lassen wollten.

Eine ähnliche Meinung vertrat  interessanterweise auch der sächsische Innen-Staatssekretär Günther Schneider (CDU). Am Freitag verwickelte er am Pressebereich vor dem Festival zwei Pressevertreter_innen in eine Diskussion und meinte, dass das eigentliche Problem doch die Aufmerksamkeit und damit auch die Presse sei. Würde man die Neonazis einfach machen lassen, müsste man auch nicht um die Sicherheit im Ort fürchten. Außerdem kritisierte er, dass die Journalist_innen, so viele Fotos der Neonazis machen würden.

(Quelle: BTN)

Doch nicht nur die Journalist_innen machten Bilder, sondern auch die Polizei, die damit gleich noch die Anti-Antifa-Arbeit der Rechtsextremen übernahm: Das Social-Media Team der Polizei postete ein Bild von Recherche-Fotografen auf Twitter. Unter dem Tweet kommentierten sogleich die ersten Neonazis. Erst nach Hinweis eines Betroffen wurde das Bild gelöscht.

Bier für Nazis auf dem Friedensfest

Parallel zu dem Heise-Festival fand auf dem Marktplatz das „Friedensfest“ statt, was für Bürger_innen und Aktivist_innen eigentlich ein Safespace sein sollte, hätten sich dort nicht auch ständig Neonazis an den Bierständen mit Alkohol versorgt. Auf ihrem Gelände wurde –zumindest am Samstag – das Alkoholverbot offenbar strikt durchgesetzt. Auch Michael Regener, Sänger von „Die Lunikoff Verschwörung“ und der inzwischen verbotenen Band „Landser“ fand sich am Samstag auf dem Markt ein, um Bier zu trinken. Er wurde allerdings schließlich von aufmerksamen Beobachter_innen vertrieben.

Ab Samstag wurde das Alkoholverbot offenbar konsequent umgesetzt. (Quelle: BTN)

Anders sah die Situation auf dem „Rechts rockt nicht“-Konzert aus, das von Aktivist_innen organisiert wurde. Zumindest der eigene Ordner-Dienst sorgte dafür, dass sich hier kein Neonazi auf das Gelände „verirren“ konnte. Da die Polizei am Freitagabend nur noch sehr spärlich an der „Rechts rockt nicht“-Wiese vertreten war und die Veranstalter_innen die Sicherheit der Anwesenden nicht länger garantieren konnten, wurde das Konzert vorzeitig abgebrochen. Ständig liefen kleinere und größere Nazi-Truppen an dem Gelände vorbei, um sich im örtlichen Supermarkt mit Alkohol einzudecken oder um zu ihren Autos zu gehen, die sie auf dem Parkplatz des Demo-Konzerts abgestellt hatten. Doch nicht nur, dass die angereisten Nazi-Bands und die Kampfsportler auf diesem Parkplatz parken wollten, eine Band, die bei „Rechts rockt nicht“ spielen sollte, wurde von Polizeibeamt_innen an das „Schild und Schwert“-Festival verwiesen.

Nationalbefreite Zone im örtlichen Supermarkt

Absurd war die Situation, als auf dem Demo-Konzert selbst das alkoholfreie Bier verboten wurde, offenbar weil auch darin ein minimaler Anteil Alkohol enthalten ist. Die Neonazis hingegen konnten stockbesoffen durch den Ort marschieren und auch auf das Heise-Event gelanen, obwohl hier Alkohol-Verbot herrschte. So kam es, wie es kommen musste, die Neonazis versammelten sich beim örtlichen Supermarkt um sich volllaufen zu lassen. Hier herrschte in jener Zeit eine quasi Nationalbefreiten Zone. Wer den Neonazis nicht passte wurde gar nicht erst hineingelassen oder gleich durch das Dorf gejagt.

Jeweils am Anfang der Straße die zum SS-Festival führte, durchsuchte die Polizei am Samstag die Besucher_innen nach verdächtigen Gegenständen und Alkohol. (Quelle: BTN)

Raumnahme der Neonazis in Ostritz

Zu der fehlenden oder nicht funktionierenden Anfahrtskontrolle kommt hinzu, dass sich die Neonazis – auch in großen Gruppen – frei in Ostritz bewegen konnte. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Raumnahme am Samstag vollkommen gelang, als eine große Horde betrunkener Neonazis, NS-Parolen skandierend, durch Ostritz zog.

Neonazis stürmen Ostritz. (Quelle: BTN)

Frustrierend war zudem, dass immer wieder Neonazis offen mit verbotenen Symbolen vor den Augen der Polizisten herumliefen ohne dass diese eingriffen. In einigen Fällen wurden Polizeibeamte tätig, als sie von den anwesenden Journalist_innen aufgeklärt und auf einzelne Personen hingewiesen wurden. In den meisten Fällen fühlten sich die angesprochenen Beamt_innen allerdings nicht zuständig.

(Quelle: BTN)

Sinnbildlich war die Situation, als ein Neonazi auf seinem Weg zum SS-Festival vor etwa fünf aufgereihten Polizisten vorbei marschierte und den Hitlergruß den hinter den Beamten stehenden Journalist_innen zeigte – kein Polizist regte sich, um den Faschisten festzuhalten und am Betreten des Geländes zu hindern. Ein Beamter meinte später, der Neonazi wollte eben mit dem rechten Arm die Journalist_innen grüßen und außerdem sei die Körperhaltung nicht die eines Hitlergrußes gewesen. Aha.

Eine Genugtuung war es dann, als eben jener Neonazi das Gelände wieder verließ und mehrfach „eindeutig“ den Deutschen Gruß zeigte und schließlich abgeführt wurde.

(Quelle: BTN)

Klassisches Neonazi Skinhead-Publikum

Das Publikum des „Schild und Schwert“-Festivals bestand überwiegend aus klassischen Alt- und Sauf-Nazis. Es wirkte beinahe so, als hätten sich die Rechtsextremen extra für dieses Wochenende noch mal die krassesten T-Shirts rausgesucht. Auch das Festival an sich war überflutet von Symbolträchtigkeit. Interessant ist, das mindestens zwei Mitglieder der „Kontrakultur“, einem Ableger der „Identitären Bewegung“ in Halle, in Ostritz anwesend waren. Einer ist Andreas Karsten. Bis vor kurzem stand er noch wegen des Vorwurfs der Nötigung und Körperverletzung vor Gericht.

Andreas Karsten (Quelle: BTN)

Daneben waren noch verschiedene Kampfsportler für den Show-Kampf vom „Kampf der Nibelungen“ anwesend, darunter unter anderem Tomasz Szkatulski aus Frankreich. Seine Verehrung für Rudolf Heß trägt er in Form eines Portrait-Tattoos stolz auf der Brust, auf seinem Hals steht „White Power“. Szkatulski gehört zum französischen „Blood & Honour“-Netzwerk. Er ist Kampfsportler für das Team der Neonazi-Marke „Pride France“.

Die Rückkehr von „Blood & Honour“ und dem bewaffneten Arm „Combat 18“

Großer Presseandrang

Nicolai Nerling, offenbar bestens in der rechtsextremen Szene vernetzt und Betreiber des YouTube-Accounts „Volkslehrer“ war beim SS-Festival und suchte das Gespräch mit den Journalist_innen, um im Scheinwerferlicht der Kameras Monologe abzuhalten. Auf sein Gejammer, über die Unterdrückung des weißen heterosexuellen Mannes, belustigte sich ein Polizeibeamter über die inszenierte Opferrolle: „Ja, der arme weiße Mann hat es schon schwer.“

 

Nicolai Nerling (Quelle: BTN)

 

Auch Heise scheint den Presseandrang am Samstag während einer Pressekonferenz genossen zu haben. Viele Journalist_innen knieten sprichwörtlich vor den Neonazis – etliche Kameras und Mikrofone auf die zum Teil verurteilten Gewalttäter und Volksverhetzer gerichtet.

Thorsten Heise (Quelle: BTN)

Auch B&H-Kader waren in Ostritz vertreten, neben einigen Deutschen waren auch Mitglieder aus der Schweiz, Österreich und Ungarn angereist. Einige Aktivist_innen oder Unterstützer_innen trugen ihre Sympathie für die in Deutschland verbotene Vereinigung stolz auf ihren Shirts oder als Tattoo auf der Haut. Auch Combat 18 war in Ostritz vertreten, zumindest auf Shirts – obwohl auch das in Deutschland verboten ist.

(Quelle: BTN)

Interessant ist, wer nicht dort war. So war kein relevanter Vertreter der rechtsextremen Splitterpartei „Der III. Weg“ in Ostritz anwesend. Diese Nationalsozialisten hatten einfach keine Lust auf die Sauf-Nazis und den Konsum. Und auch einige wichtige Personen aus dem deutschen B&H-Spektrum fehlten in Ostritz. Vermutlich sind sie zur „Night of Identity“ nach Polen gefahren.

(Quelle: BTN)

Progressiveres Konzert in Polen von B&H

Entgegen unseres Berichts, dass die „Night of Identity“ von „Club 28 Division Poland“ der polnischen „Blood & Honour“-Sektion „Night of Identity“ aus Rücksicht vor dem Heise-Festival abgesagt wurde, sollte diese Hardcore-Hass-Veranstaltung nun doch in Polen stattfinden. Allerdings wurde dieses B&H-Konzert mit Hilfe einer polnischen Anti-Terror-Einheit verhindert. Neben Propaganda—Material wurden offenbar auch Drogen gefunden.

In der polnischen Presse war von zwei Festnahmen der unmittelbaren Konzert-Organisatoren die Rede. Es soll sich dabei um Pjotr „Dziki“ Gierczak und Krzysztof Tomasz Slowinski, Spitzname „Nachtigall“, offenbar Chef von B&H in Polen, handeln. Krzysztof Tomasz Slowinski war letztes Jahr Besucher des großen Neonazi-Fest in Themar.

 

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Regener, Michael („Lunikoff“)

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