Ende April haben rund 1.000 Neonazis im sächsischen Grenzort Ostritz Hitlers Geburtstag gefeiert. Das „Schild & Schwert“- Festival (SS-Festival) wurde von NPD-Vize Thorsten Heise veranstaltet. Die Security des SS-Festivals trug einheitliche Shirts mit der Aufschrift „Sicherheitsdienst Arische Bruderschaft“ inklusive des fast identischen Symbols der SS-Division „Dirlewanger“ mit zwei gekreuzten Stielhandgranaten.
SS-Festival in Ostritz und die Polizei scheint heillos überfordert
Die Massaker SS-Division Dirlewanger
Thorsten Heise baute seine „Arische Bruderschaft“ ab 1999 als eigene Hausmacht auf, die als eine Art Elite-Führungszirkel bestehend aus führenden Kameradschaftsmitgliedern mehrerer Bundesländer zu verstehen ist. Das Abzeichen der „Arische Bruderschaft“, die gekreuzten Stabhandgranaten, ist die beinahe originalgetreue Übernahme des Emblems der 36. Waffen-Grenadier-Division der SS, die Anfang 1945 aus der berüchtigten SS-Division Dirlewanger gebildet wurde, heißt es auf der Webseite von „Versteckspiel“, die seit Jahren über Symbole und Codes von Neonazis aufklären.
Die SS-Sondereinheit Dirlewanger richtete in Polen abscheuliche Massaker an. Die SS-Truppe benutzte Kinder und Frauen als Schutzschilde, trieb Gefangene durch Minenfelder und sperrte die Bevölkerung ganzer Orte in Scheunen, um diese dann anzuzünden. Kommandeur war der verurteile Kindervergewaltiger Oskar Dirlewanger. Der „Stern“ schreibt über den Offizier der Waffen-SS er sei der schlimmste Sadist der SS gewesen. „Oskar Dirlewanger einen Nazi zu nennen, tut ihm fast zu viel der Ehre an.“ Die sich kreuzenden Stilhandgranaten stehen als Symbol für eine der schlimmsten und entmenschlichsten NS-Einheiten.
Das Vorgehen der Behörden in Ostritz
Die zuständigen Sicherheitsbehörden in Ostritz brauchten einen halben Tag um am Samstag zu entscheiden, dass der Aufdruck der Shirts strafbar sei. „Auf Antrag der Staatsanwaltschaft stellt das Amtsgericht eine Anordnung der Beschlagnahme der Kleidungsstücke, Banner und Plakate mit diesem Schriftzug aus“, twitterte die Polizei Sachsen. 19 T-Shirts und zwei Banner wurden noch in Ostritz beschlagnahmt. Die meisten rechtsextremen Ordnern trugen die Shirts danach lediglich falsch herum. Die Oberteile kommen aus Heises eigener Kollektion. Dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
KA
Verfahren gegen Heise eingestellt
Die Thüringer Linken-Politikerin Katharina König-Preuss stellte eine Strafanzeige gegen Heise „wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“. Wie König-Preuss am Mittwoch via Twitter mitteilte, wurde das Verfahren nun eingestellt. Laut zuständiger Staatsanwaltschaft sei nicht davon auszugehen, dass das abgebildete Wappen ein verbotenes Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ist. Strafbar wäre es nur, wenn ein Bezug zum verbotenen NS-Gedankengut hergestellt werden kann. Einen Bezug zum Dritten Reich will man aber auf dem SS-Festival an Hitlers Geburtstag bei der Staatsanwaltschaft nicht erkennen.
Der Jurist Jan Mönikes verweist gegenüber Belltower.News jedoch auf einen Beschluss des Landgerichts München von 2009, auf das sich auch der jetzige Beschluss bezieht, nach dem zwei sich kreuzende Handgranaten nicht als Zeichen der Waffen-SS identifiziert werden konnten. „Ich verstehe, dass der Beschluss der Staatsanwaltschaft Mühlhausen bei vielen Menschen Empörung auslöst und wütend macht. Weil aber zuvor das Gericht in München zu dem Ergebnis gelangt ist, dass zwei gekreuzte Handgranaten nicht sicher einer Nazi-Organisation zuzurechnen sind, wird man das als Staatsanwaltschaft so sehen können und wohl auch müssen.“ Wäre die Staatsanwaltschaft in diesem Falle zu einem anderen Ergebnis gekommen, wäre damit das Urteil des Landgerichts München aufgehoben worden, so Mönikes. Dies wäre nur möglich, mit einem eindeutigen Bezug, wenn auf den Shirts über den Handgranaten beispielsweise der Schriftzug „Zu Ehren unserer tapferen Truppen“ gestanden hätte. Dass die Handgranaten auf Shirts der „arischen“ Ordner auf einem SS-Festival zu einer Feier an Adolf Hitlers Geburtstag getragen wurde, reicht nicht aus.
„Diese Einschätzung ist für mich nicht nachvollziehbar“
Doch gerade in Hinblick auf die noch immer andauernde NS-Aufarbeitung bemängelt Katharina König-Preuss gegenüber Belltower.News, dass die Staatsanwaltschaft Mühlhausen keine eigene gutachterliche Bewertung in Auftrag gegeben hat. Für die Politikerin ist es nicht hinnehmbar, dass kein hinreichender Tatverdacht für eine Strafbarkeit vorliege, da Heise laut dem jetzigen Beschluss mit der Abbildung der Granaten keinerlei Bezug zu einer NS-Organisation nehmen würde. „Diese Einschätzung ist für mich nicht nachvollziehbar, weil die extrem rechte Szene sehr wohl mit diesem Logo auf die 36. Waffen-Grenadier-Division der SS und deren Taten positiv Bezug nimmt“, so König-Preuss. „Ich weiß nicht, wie viel mehr NS-Bezug es bedarf, gerade auch vor dem Hintergrund des Thorsten Heise, der Wiederholungstäter ist und bereits einschlägig wegen Volksverhetzung sowie Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt wurde“.
Die rechtsextreme Szene nutzt seit jeher eine Vielzahl an Symbolen, Codes und Erkennungszeichen. Viele sind für Außenstehende auf den ersten Blick nicht eindeutig zu erkennen, verfehlen damit aber nicht ihre Wirkung innerhalb der Szene und verstärken das Zusammengehörigkeitsgefühl. Die allermeisten dieser Codes beziehen sich ganz bewusst positiv auf das Dritte Reich. König-Preuss meint daher: „Selbst wenn Gerichte andere Entscheidungen treffen, so ist eins klar: die Szene versteht diese Codes und agiert entsprechend.“ Und besonders an diesem Beispiel, der Verehrung eines Massenmörders und einer SS-Division die Kriegsverbrechen beging, zeigt einmal mehr wie gewaltverherrlichend und menschenverachtend diese rechte Szene ist.
Rechtsextreme Symbole, Codes und Erkennungszeichen